SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜRKULTUS Postfach 10 09 10 1 01079 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS Kleine Anfrage des Abgeordneten Uwe Wurlitzer, Fraktion der AfD Drs.-Nr.: 6/5740 Thema: Starke Lehrer- starke Schüler Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Das Modellprojekt 'Starke Lehrer - starke Schüler' läuft seit November in Sachsen und wird vom sächsischen Kultusministerium mit 125.000 Euro und von der Robert-Bosch-Stiftung mit 420.000 Euro unterstützt. ln einem dpa-Beitrag vom 26.06.2016 wird der TU-Mitarbeiter Rico Behrens mit den Worten zitiert, dass ein Schulprojekt gut angelaufen sei, das Lehrer im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit im Klassenzimmer schulen soll. Behrens wörtlich: 'Die Rückmeldungen der Lehrer sind nach Ablauf des ersten Schuljahres überwiegend positiv' (ebd.) An dem Projekt sollen 22 Lehrer und drei Sozialpädagogen von neun sächsischen Berufsschulen teilnehmen. Bislang hätten die Projektteilnehmer zwei Workshops absolviert. Alle sechs bis acht Wochen liefen zudem individuelle Beratungsgespräche an den einzelnen Schulen. Das Projekt sei bewusst für Berufsschulen konzipiert, da die politische Bildung bei diesem Schultyp 'unterbelichtet' sei. ln dem Artikel heißt es weiter, viele Lehrer wüssten sich nicht zu helfen und schwiegen aus Unsicherheit und Unwissenheit, wenn im Klassenzimmer rechte Parolen und fremdenfeindliche Sprüche fallen. ln Sachsen seien die Herausforderungen , denen Lehrer gegenüber stünden, sehr unterschiedlich: im Vogtland beträfe es 'die rechtsextreme Partei ,Der Dritte Weg", 'in der Landeshauptstadt vor allem der Umgang mit Pegida"'. Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Hat die Staatsregierung das Projekt bereits evaluiert? Wenn ja, inwiefern deckt sich deren Einschätzung mit jener des TU-Mitarbeiters, und anhand welcher Evaluationsinstrumente wurde die Einschätzung vorgenommen und wo sind die Evaluationsergebnisse nachzulesen? Wenn nein, warum nicht? Seite 1 von 3 Die Staatsministerin Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) Z-1053/2/114 Dresden , ?~ Juli 2016 Hausanschrift Sächsisches Staatsministerium für Kultus Carolaplatz 1 01097 Dresden www.smk.sachsen.de Verkehrsverbindung : Zu erreichen mit den Straßenbahnl inien 3, 7, 8 STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS S SACHsEN Das Modellprojekt "Starke Lehrer - starke Schüler" wird extern von Herrn Dr. Sebastian Fischer vom Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover evaluiert . Die Evaluation konzentriert sich auf die Kompetenzerweiterung der teilnehmenden Pädagogen. Die Evaluation ist als formative prozessbezogene Evaluation mit problemzentrierten Interviews und teilnehmenden Beobachtungen angelegt. Daneben werden Fragebögen (Prä-Post-Design zu Begriffskonzepten und lnterventionsformen) und Experteninterviews als Evaluationsinstrumente eingesetzt. Das Projekt wird zudem intern durch die Projektmitarbeiter evaluiert. Eingesetzte Instrumente sind hier Frage- und Feedbackbögen sowie Gesprächs- und Gedächtnisprotolle sowie Interviews mit den teilnehmenden Schulleitungen. Ein weiteres Instrument zur Qualitätssicherung bildet der wissenschaftliche Beirat. Dieser tritt in regelmäßigen Abständen zusammen und berät über die laufende Projektentwicklung und die Transfermöglichkeiten von Projektergebnissen. Auch die Vergabe des Evaluationsauftrages basierte auf seinem Votum. Die Evaluationsergebnisse sollen nach Beendigung der dreijährigen Projektlaufzeit Ende 2018 vorliegen. Frage 2: ln welche konkreten Projektpositionen fließen die 125.000 Euro? Die Beteiligung des Kultusministeriums gliedert sich auf in drei Projektpositionen: - Qualifikationsmaßnahmen (Workshops) für die Supervisaren/Trainer (8.925 €) , - Honorarkosten Supervisaren für die Arbeit vor Ort an den Schulen (22.500 €), - Personalkostenäquivalent der teilnehmenden Pädagogen (90.000 €) . Frage 3: Wie, in welchen Fächern und anhand welchen Stoffs wird das Projekt methodisch umgesetzt? Das Modellprojekt "Starke Lehrer - starke Schüler" richtet sich allgemein an Lehrer und Schulsozialarbeiter aus dem berufsbildenden Schulbereich . Eine Facheinschränkung gibt es nicht. Das Projekt arbeitet auf der Grundlage eines modularen Systems, das inhaltliche Weiterbildung der Pädagogen mit beratender Begleitung verbindet und Vernetzungsmöglichkeiten zu Vereinen und Initiativen politischer Bildung bietet. Die inhaltlichen und vernetzungsorientierten Module werden in Workshops mit allen teilnehmenden Pädagogen durchgeführt. Hierbei kommen unterschiedliche Methoden der Erwachsenenbildung zum Einsatz wie lnputvorträge, Diskussionen, Fallbesprechungen und Fallanalysen. Inhalte dieser Workshops sind z. B.: - (Moderne) Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und rechtsextremer Jugendkulturen, - Optimierung von Handlungsstrategien im Umgang mit rechtsextrem orientierten Schülern, - themenspezifische, an den Bedürfnissen der teilnehmenden Pädagogen orientierte Schwerpunkte wie beispielsweise Flucht/Asyl/Migration . Seite 2 von 3 STAATSMlNlSTERlUM FÜR KULTUS S SACHsEN Die Supervisorische und beratende Begleitung der teilnehmenden Pädagogen findet ca. dreimal im Schulhalbjahr an den jeweiligen Schulen vor Ort statt. Sie umfasst supervisarisehe Elemente der Fallarbeit und prozessorientierte Beratung durch einen Supervisier und einen politischen Bildner außerschulischer Initiativen und Vereine. Frage 4: Anhand welcher anerkannten sozialwissenschaftliehen Indikatoren werden "rechte Parolen" und "fremdenfeindliche Sprüche" identifiziert? Das Projekt orientiert sich an in den Sozialwissenschaften anerkannten Begriffskonzepten (vgl. etwa: Samuel Salzborn "Rechtsextremismus. Erscheinungsformen und Erklärungsansätze ", Baden-Baden 2014, oder Richard Stöss "Rechtsextremismus im Wandel ", Berlin 201 0), die durch einschlägige Studien zur Einstellungsforschung empirisch untersetzt sind. Laut der 2010 von der Friedrich-Ebert-Stiftung publizierten Studie "Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 201 0" zeichnet sich Rechtsextremismus durch unterschiedliche Einstellungsdimensionen aus. Der Autor Dr. Oliver Decker definiert: "Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus . Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozial-darwinistische Einstellungen." (S. 18). Unter dem Kennzeichen der Ungleichwertigkeit werden darüber hinaus auch rassistisch -völkische, antipluralistische Einstellungen als Indikatorenkonzepte herangezogen . Frage 5: Welche "rechte Parolen" und "fremdenfeindlichen Sprüche" beider Strukturen wurden in welcher Quantität identifiziert? Eine Quantifizierung ist im Projektdesign nicht vorgesehen. Die in den Workshops zu Tage getretenen Erfahrungen der teilnehmenden Lehrkräfte offenbaren ein breites Spektrum an Möglichkeiten, im Schulalltag mit rechtsextremem Gedankengut konfrontiert zu werden. Dabei ist die Äußerung rechtsextremen Gedankenguts nicht ausschließlich auf verbale Form beschränkt, sondern findet sich beispielsweise ebenso in entsprechenden Botschaften auf T-Shirts, als Schmierereien/Aufkleber im Schulumfeld oder bei Aktionen rechtsextremer Organisationen. Besonderen Stellenwert nehmen fremdenfeindliche, rassistische Äußerungen ein, die Minderheiten angehörende Menschen gezielt abwerten. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation signalisieren die teilnehmenden Lehrer, dass sie insbesondere mit kritikwürdigen bzw. abzulehnenden Aussagen und Vorurteilen gegenüber geflüchteten Personen und Asylsuchenden konfrontiert sind . Mit freundlichen Grüßen 4.~ Brunhil Kurth Seite 3 von 3 2016-07-28T14:36:03+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes