STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Der Staatsminister Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Postfach 10 03 29 | 01073 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon: 0351 564-8001 Telefax: 0351 564-8024 Kleine Anfrage des Abgeordneten Nico Brünler, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/5807 Thema: Arbeit 4.0 Aktenzeichen 22-1053/60/23 Dresden, 2 J ^ ^ Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Fraget: Welche unter dem Schlagwort Arbeit 4.0 zu fassenden Veränderungen in der Arbeitswelt haben nach Kenntnis der Staatsregierung in den letzten Jahren bereits im Frei¬ staat stattgefunden oder werden seitens der Staatsregie¬ rung derzeit wahrgenommen? Während der Begriff „Industrie 4.0" oder „Wirtschaft 4.0" zum Sammelbegriff für einen tiefgreifenden Strukturwandel der Wirtschaft geworden sind, be¬ schreibt der Begriff „Arbeit 4.0" die Zukunft der Arbeit im Rahmen der Digita¬ lisierung. Dabei hängt die Entwicklung der digitalen Arbeitswelt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die zudem Wechselwirkungen miteinander entfal¬ ten. Digitale und vernetzte Arbeit sind heute schon Alltag in vielen Bereichen der Wirtschaft - von der klassischen Büroarbeit über Produktion, Vertrieb und Service bis hin zur IT- und Kreativwirtschaft. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt ist also kein „zukünftiger" Prozess - sondern ist seit langem im Gange und bereits weit fortgeschritten, erfährt aber derzeit noch einen zusätzlichen Schub. „Big Data" und zunehmend „intelligente" Algorithmen, die umfassende Vernetzung von Maschinen, das „Internet der Dinge", der Einsatz immer leistungsfähigerer Roboter oder das autonome Fahrzeug sind nur einige Erscheinungsformen der gegenwärtigen Dynamik des technologischen Wandels. Die digitale Vernetzung stellt alte Geschäfts¬ modelle infrage und lässt neue entstehen, sie verändert Wertschöpfungsket¬ ten, Märkte und Branchen. Die dynamische Entwicklung im Bereich der Digitalisierung hat und wird in Zukunft noch deutlicher auch die Arbeitsprozesse grundlegend verändern. Arbeitsverdichtung, neotayloristische Arbeitsprozesse, Entgrenzung könnten dabei genauso die Folge sein, wie ein höheres Maß an Arbeitsplatz- und Seite 1 von 4 Zertifikat seit 2006 audlt bcrufundfamfllc Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Wilhelm-Buck-Straße 2 01097 Dresden Außenstellen: Hoyerswerdaer Straße 1 01099 Dresden Glacisstraße 4 01099 Dresden www.smwa.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 7, 8 Haltestelle Carolaplatz Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente. STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEN Arbeitszeitautonomie oder lebensphasenoptimierte Arbeitsplatzcharakteristika. In der Arbeitswelt 4,0 werden zunehmend durch Digitalisierung und Vernetzung Arbeitspro¬ zesse dezentral außerhalb der traditionellen Betriebsorganisation erbracht. Dies könnte zu einer Aufteilung der Belegschaft in eine Vielzahl kleiner, ortsunabhängiger und or¬ ganisatorisch eigenständiger Organisationseinheiten führen. Home-Office und frei wählbare Arbeitsorte, beispielsweise in einem „Co-Working Space" oder mobilen Büro¬ einheiten, werden an Bedeutung gewinnen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird zu einer Veränderung von Erwerbsformen und Erwerbsverläufen führen. Infolge des digi¬ talen Strukturwandels werden sich auch Berufsbilder verändern und neu entstehen. Selbst der Wert der Arbeit wird in der digitalen Gesellschaft neu justiert: Wissen, Erfah¬ rungen und Ideen können im weltweiten Netz abgerufen oder ausgeschrieben werden. Selbst bei Arbeitsplätzen, die weiterhin Bestand haben, kann sich die Arbeitsgestaltung vollkommen verändern. Wenn die Arbeit nicht mehr an Orte und Zeiten gebunden ist eröffnen sich völlig neue Arbeitsmodelle wie z. B. Crowd- oder Clickworking. Zukünftige Arbeitsmärkte werden vermutlich heterogener als heute sein. Diesen Prozess aktiv zu begleiten und zu gestalten ist eine zentrale arbeitsmarktpoliti¬ sche Herausforderung für die Staatsregierung, die sich an den Prinzipien für „Gute Ar¬ beit" orientiert. Dazu wird die Datenlage zum Thema „Arbeit 4.0" auch im Freistaat Sachsen weiter verbessert werden. Dies geschieht gegenwärtig über mehrere Untersu¬ chungen (vgl. Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrge Drs. 6/5808). Aber trotz der verschiedenen Szenarien und einer wachsenden Anzahl von Untersuchungen lässt sich derzeit nur schwer abschätzen, in welche Richtung der digitale Wandel geht und welche beschäftigungspolitischen Veränderungen in den kommenden Jahren ge¬ nerell und hier im Freistaat Sachsen speziell eintreten werden. Frage 2: Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bisher ergriffen oder bereitet sie aktuell vor, um auf die genannten Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren, insbesondere auch um Menschen zu un¬ terstützen, die mit der Geschwindigkeit des Wandels überfordert sind beziehungsweise durch technologischen Fortschritt den Ar¬ beitsplatz verlieren? Die Sächsische Staatsregierung möchte die Rahmenbedingungen der Digitalisierung aktiv mitgestalten. Der Handlungsleitfaden dafür ist die ressortübergreifend angelegte Digitalisierungsstrategie „Sachsen Digital", die vom Kabinett im Januar 2016 beschlos¬ sen wurde. Grundlegender Ansatz ist dabei der systemische Dreiklang einer flächen¬ deckend verfügbaren, leistungsfähigen und nachhaltigen digitalen Infrastruktur, darüber angebotenen digitalen Diensten sowie einem möglichst hohen Grad an Innovationen. Im Juli 2015 wurde mit dem Beirat „Digitale Wertschöpfung" ein hochkarätiges Exper¬ tengremium ins Leben gerufen, das die Sächsische Staatsregierung bei der (Weiter-) Entwicklung und Umsetzung von „Sachsen Digital" berät und unterstützt. Parallel dazu werden in einem stetigen Dialog mit den wichtigsten Akteuren Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung von „Sachsen Digital" erörtert. Gerade im Bereich der Digitalisie¬ rung kann ein strategischer Ansatz nur dynamisch verstanden werden. Eines von fünf strategischen Zielen der Digitalisierungsstrategie lautet „Kompetenz und „Gute Arbeit" im digitalen Zeitalter gestalten." Digitale Kompetenz betrifft einerseits die informatische Bildung als Voraussetzung für kompetente, spezialisierte Fachkräfte, andererseits die umfassende, zeitgemäße Vermittlung von Computer- bzw. Medien- Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEN Kompetenz als Schlüsselkompetenz. Digitale Kompetenz und „Gute Arbeit" stehen in einem direkten Zusammenhang, denn durch die Digitalisierung eröffnen sich neue Chancen, aber auch Herausforderungen für die Zukunft der Arbeit. Der digitale Wandel in der Arbeitswelt berührt vielfältige Bereiche und Prozesse: Nicht nur die Arbeitsinhalte, sondern auch die Orte und die Ausgestaltung von Arbeit werden sich in vielen Berufen fundamental verändern (vgl. Antwort zu Frage 1). Dabei werden auch bisher geltende Arbeits- und Sozialstandards in Frage gestellt. Dies betrifft vor allem die Themen Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Arbeitnehmerdatenschutz. Da der Freistaat Sachsen für diese Themen nicht über Gesetzgebungskompetenzen verfügt, will die Staatsregierung vor allem einen breiten Dialog fördern um herauszufinden, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber auch Unternehmen beim digitalen Wandel unterstützt werden müssen. Dabei setzt die Staatsregierung auf einen intensiven Meinungsaustausch mit den Sozialpartnern sowie mit allen Beteiligten am Beirat für digitale Wertschöpfung. Die Ergebnisse des Dialogs fließen in aktuellen Initiativen auf Bundesebene ein. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) beteiligt sich im Rahmen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz am Weißbuchprozess „Arbeiten 4.0" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Im Mittelpunkt stehen neben den Themen Weiterbildung und Qualifizierung auch die Regulierung des Arbeits- und Arbeitschutzrechts. Der durch die Digitalisierung eingeleitete Wandel der Arbeitswelt wirft insbesondere die Frage auf, ob und inwieweit die Grundbegriffe des Arbeitsrechts, der Arbeitnehmer- und Betriebsbe¬ griff, an die neuen tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen sind. Um notwendige Regelungsbedarfe frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, fortlaufend weitere Erkenntnisse über die aktuellen Entwicklungen und Trends. Frage 3: Welche Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung und Weiterquali¬ fizierung von Arbeitnehmern werden seitens der Staatsregierung unterstützt, die ihren Fokus besonders auf der Digitalisierung der Arbeitswelt haben? Die Anforderungen an die Beschäftigungsfähigkeit steigen im Rahmen des digitalen Wandels, gleichzeitig werden sich die Schlüsselkompetenzen verändern: statt digital verfügbarem Faktenwissen werden zunehmend Kreativität, Problemlösungskompetenz und Vielseitigkeit, hohe Flexibilität, Motivation, Fortbildungsbereitschaft und Bereit¬ schaft zur Übernahme von Verantwortung gefragt sein. Auch vor diesem Hintergrund hat die Staatsregierung die Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten stärker in den Fokus gerückt. Die Förderangebote im Bereich der betrieblichen Weiterbildung, der individuellen Anerkennung erworbener Kompetenzen und der Erhalt der betriebli¬ chen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen es, die veränderten Anforde¬ rungen durch die Digitalisierung aufzugreifen. So wird im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF), Förderperiode 2014 - 2020, durch das SMWA über die ESF-Richtlinie „Berufliche Bildung" Qualifizierungsmaßnah¬ men in allen beruflich relevanten Bereichen gefördert, darunter die IT- und Medien¬ kompetenz. Mit der Förderung werden betriebliche und individuell-berufsbezogene Bildungsaktivitäten zur Erhöhung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitskräften und Ar¬ beitgebern an den Wandel unterstützt. Gleichzeitig werden Anreize für eine berufliche Weiterbildung gesetzt. Für die Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern kommt sowohl der Weiterbildungsscheck, betrieblich (WBS b) als auch der Weiterbildungsscheck, individuell (WBS i) in Betracht. Beim WBS b steht die betriebliche Weiterbildung im Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Vordergrund und das Unternehmen ist Antragssteller. Beim WBS i steht die berufliche Weiterbildung im Vordergrund und der Arbeitnehmer ist Antragsteller. Frage 4: Welche an Unternehmen (insbesondere an KMU) gerichteten Ma߬ nahmen zur Umgestaltung und Modernisierung von Arbeitsplätzen werden seitens der Staatsregierung unterstützt, die ihren Fokus be¬ sonders auf der Digitalisierung der Arbeitswelt haben? Die Staatsregierung fördert und unterstützt die Einführung und Anwendung neuer digi¬ taler Wertschöpfungsmodelle mit allen Maßnahmen und Instrumenten der Innovations-, Technologie- und Gründungsförderung. Dabei werden vor allem KMU unterstützt aber auch Ausgründungen aus Hochschulen heraus, die ein besonderes Potenzial für digita¬ le Geschäftsmodelle aufweisen. Das SMWA fördert im Rahmen der Mittelstandsrichtlinie über das Programm „Betriebs¬ beratung/Coaching" kleine und mittlere Unternehmen, wenn sie mit Digitalisierungsvorhaben verbundenen Auswirkungen auf die Personalentwicklung in den Blick nehmen und dabei auf externen Sachverstand zurückgreifen wollen. Mit der Novellierung der Richtlinie des SMWA zur Förderung der gewerblichen Wirt¬ schaft einschließlich der Tourismuswirtschaft im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW-RIGA) werden zukünftig In¬ vestitionen von Unternehmen, die digitale Produktions- und Arbeitsprozesse einführen, gefördert, wenn bestehende Arbeitsplätze gesichert werden. Bislang war eine Förde¬ rung stets von der Schaffung neuer Arbeitsplätze abhängig. Damit wird der besonderen Situation vieler Unternehmen, insbesondere KMU, Rechnung getragen, Investitionen für Digitalisierungsvorhaben realisieren zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne die Produktion auszuweiten und neue Arbeitskräfte zu benötigen. Seite 4 von 4 2016-08-23T14:30:41+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes