STAATS1VI1TM1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) StAs24.0141.51/8434 Dresden 2C August 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/5952 Thema: Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Mit dem Bundesintegrationsgesetz wird den Bundesländern die hflöglichkeit gegeben, für anerkannte Geflüchtete eine befristete Wohnsitzauflage zu erlassen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Plant die Staatsregierung von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, anerkannten Geflüchteten innerhalb des Freistaates Sachsen einen konkreten Wohnort zuzuweisen? Am 6. August 2016 ist das Integrationsgesetz in Kraft getreten (BGBI. l S. 1939). § 12a AufenthG regelt eine Wohnsitzzuweisung für Ausländer, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt oder denen erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 22, § 23 oder § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt wurde. § 12a Abs. 1 Satz 1 AufenthG begründet für diesen Personenkreis unmittelbar kraft Gesetzes für den Zeitraum von höchstens drei Jahren eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme in demjenigen Bundesland, in das die Zuweisung zur Durchführung des Asylverfahrens oder im Rahmen des Aufnahmeverfahrens erfolgte. Diese Regelung gilt seit dem 6. August 2016. Die Regelungen nach den Absätzen 2 bis 4, die die Möglichkeit für die Ausländerbehörden vorsehen, nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens dem Ausländer im Einzelfall einen bestimmten Wohnsitzort zuzuweisen (Absatz 2 und 3) oder nicht zuzuweisen (Absatz 4), werden durch die Ausländerbehörden ebenfalls seit dem 6. August 2016 umgesetzt. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax+49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM11M1STEP1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 2: Für welche Gebiete wird nach welchen Kriterien eine Wohnsitzauflage nach 1. erlassen werden? Es wird zunächst auf die Antwort auf die Frage 1 verwiesen. Die Wohnsitzverpflichtung gilt nach § 12a Abs. 1 Satz 1 AufenthG für das Gebiet des Freistaates Sachsen. Im Freistaat Sachsen genießt der Ausländer nach § 12a Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich das Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes. Soweit von den Ermächtigungen in den Absätzen 2 bis 4 von den Ausländerbehörden Gebrauch gemacht wird, sind die in den Normen genannten Kriterien für eine Wohnsitzzuweisung zu berücksichtigen. Nach § 12a Abs. 2 AufenthG kann die Ausländerbehörde bei noch nicht endgültiger Unterbringung zur Versorgung mit Wohnraum den Ausländer innerhalb einer Frist von sechs Monaten an einen bestimmten Ort zuweisen, sofern dies einer nachhaltigen Integration nicht entgegensteht (positive Zuweisung). § 12a Abs. 3 AufenthG enthält eine Ermächtigungsgrunctlage für eine integrationspolitisch zu begründende Zuweisung (Prognoseentscheidung), wenn dadurch die Versorgung mit angemessenen Wohnraum, der Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungsund Arbeitsmarkt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert werden kann (positive Zuweisung). Ausgehend vom Wortlaut der Norm ist die Erleichterung der Verwirklichung der integrationspolitischen Kriterien erforderlich. § 12a Abs. 4 AufenthG bildet die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer integrationsfördernden Zuzugssperre an einem bestimmten Ort (negativer Ausschluss des Zuzugs in ein bestimmtes Gebiet mit erhöhten Segregationsrisiken). Eine sog. integrationshindernde Segregation ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass der Ausländer Deutsch nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird. Frage 3: Welche Ausnahme-Regelungen sind vorgesehen, bei denen die Wohnsitzauflage außer Kraft gesetzt wird? Einerseits enthält § 12a Abs. 1 Satz 2 AufenthG einen Ausschlusstatbestand. Danach findet Satz 1 keine Anwendung, wenn der Ausländer oder einer seiner Familienangehörigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, eine Berufsausbildüng aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht. Andererseits ist nach § 12a Abs. 5 AufenthG eine Verpflichtung oder Zuweisung nach den Absätzen 1 bis 4 auf Antrag des Ausländers aufzuheben, wenn bereits wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration geschaffen wurden sowie bei Bestehen familiärer Bindungen an die Kernfamilie (Nr. 1). § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG beinhaltet eine Härtefallregelung. Insbesondere ist eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme aufzuheben, sofern nach Einschätzung des zuständigen Jugendamtes Leistungen und Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII mit Ortsbezug beeinträchtigt würden, aus anderen dringenden persönlichen Gründen die Übernahme durch ein anderes Land zugesagt wurde oder für den Betroffenen aus sonstigen Gründen vergleichbare unzumutbare Einschränkungen entstehen. Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1IIM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 4: Ab wann soll die landesinterne Wohnsitzauflage-Regelung in Kraft gesetzt werden und - bei zeitlich rückwirkender Regelung - wie soll dies praktisch umgesetzt werden? Es wird zunächst auf die Antwort auf die Frage 1 und 2 verwiesen. Die Wohnsitzverpflichtung gilt gemäß § 12a Abs. 7 AufenthG für alle Ausländer, die seit dem 1. Januar 2016 anerkannt wurden oder erstmals eine o. g. Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Wie diese rückwirkende Regelung verfahrensmäßig bei dem erfassten Personenkreis umgesetzt werden soll, der vor Inkrafttreten des § 12a AufenthG in gutem Glauben seinen Wohnsitz in einem anderen Land begründet hat, bedarf noch weiterer Absprachen zwischen dem Bund und den Ländern, insbesondere auch unter Einbeziehung der Leistungsverwaltung. Frage 5: Inwiefern ist die Wohnsitzauflage aus Sicht der Staatsregierung mit Art. 33 EU- Qualifikationsrichtlinie (RICHTLINIE 2011/95/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES) vereinbar? Die Sächsische Staatsregierung hält die Wohnsitzzuweisung nach Art. 12a AufenthG unter Zugrundelegung der Rechts prech u ng des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) als mit Art. 33 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalem Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abi. L 337 v. 20. Dezember 2011, S. 9) vereinbar. Die Richtlinie legt Normen für die Anerkennung als Flüchtling und für den Flüchtlingsstatus fest. Nach Art. 33 der Richtlinie gestatten die Mitgliedstaaten die Bewegungsfreiheit von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in ihrem Hoheitsgebiet unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige , die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 1. März 2016 in den verbundenen Rechtssachen Alo und Osso, C-443/14 und C-444/14) steht Artikel 33 der genannten Richtlinie einer Wohnsitzauflage für Personen mit internationalem Schutzstatus nicht entgegen, sofern sich diese Personen im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel einer Erleichterung der Integration nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation mit anderen Drittstaatsangehörigen befinden, die sich aus anderen als humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Gründen rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines EU- Mitgliedstaates aufhalten. Vom Gesetz erfasst werden sollen alle Drittstaatsangehörigen, denen nach den §§ 22, 23, oder 25 Absatz 1 bis 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und die keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder einer Ausbildung oder einem Studium nachgehen. Dies betrifft diejenigen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht auf der Gewährung von humanitärem oder internationalem Schutz beruht und deren Rückkehr aufgrund der Verhältnisse in ihren Herkunftsstaaten auf nicht absehbare Zeit unmöglich ist. Solange ihre Teilhabe am Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt und die damit verbundene Möglichkeit, sich zumindest teilweise selbst wirtschaftlich zu Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN versorgen, nicht sichergestellt werden, ist die genannte Personengruppe mit bedeutenden Integrationsschwierigkeiten konfrontiert. Die Situation dieser Personengruppe ist mit der anderer Drittstaatsangehöriger, die sich aus anderen als humanitären Gründen in Deutschland aufhalten, in Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel, eine Integration zu erleichtern, objektiv nicht vergleichbar. Nac^ die^fen Maßstäben ist die Verpflichtung zur Wohnsitznahme nach Maßgabe des § 1^ Ai^fenthG zulässig. Mitlfrei/ndlichen Grüßen MMrkus Ulbi Seite 4 von 4 2016-08-29T10:14:09+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes