SACHSISCHE STAATSKANZLEI 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Volkmar Zschocke (GRUNE) SÄCHSISCHE STAATSKANZLEì Freistaat SACHSEN Chef der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten Durchwahl Telefon +49 351 564-1020 Telefax +49 351 564-1025 poststelle@ sk.sachsen.de Geschäftszeichen (bitte bei Antwort angeben) sK.25.2-01 41 .50t 34t 21 07 - 2016170013 Dresden, 16. September 2016 Drs.-Nr.: Thema: 6/6085 Maßnahmenpaket der Staatsreg¡erung "Starkes Sachsen"; Wortlaut der dem Kabinett vorgelegten Berichte Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Ausweislich des Protokolls der Kabinettssitzung vom 4.3.2016 (Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 1.7.2016, Drs. 6/5644) wurden vor der Beschlussfassung mehrere Berichte zur Kenntn¡s genommen.'¡ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: Wie ist der Wortlaut des ,,Berichts über Maßnahmen zur Stärkung der lnneren Sicherheit und der Justiz im Freistaat Sachsen"? Frage 2: Wie ist der Wortlaut des ,,Berichts über Maßnahmen zur Förderung der politischen Bildung und Demokratie"? Frage 3: Wie ist der Wortlaut des ,,Berichts zur Förderung des gesellschaftlichen Dialogs"?" Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 't bis 3: Die Berichte dienen der Vorbereitung des Beschlusses der Sächsischen Staatsregierung vom 4. Mär22016. Zum lnhalt des Beschlusses wird auf die Antwort auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 615644 veruviesen. Von einer Beantwortung der Staatsregierung wird im Übrigen abgesehen. Tag der I Deutschen Einheit I IIITtrt rl Freistaat Sachsenor.-o3.ro,zor6 t l¡I lt Hausanschrift: Sächsische Staatskanzle¡ Archivstraße 1 0'1097 Dresden Seite 1 von 4 www.sachsen.de SACHSISCHE STAATSKANZLEI Freistaat SACHSEN5 Beqründunq: Das parlamentarische Frage- und lnformationsrecht hat einen hohen Stellenwert, den die Staatsregierung respektiert. Trotz dieses weit reichenden Rechts kann jedoch nicht von einem alles umfassenden Kontroll- und lnformationsrecht des Parlaments ausgegangen werden. Dies würde die eigenständigen Funktionen der unterschiedlichen Gewalten im parlamentarischen Regierungssystem verkennen. Der Grundsatzder Gewaltenteilung findet seine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 3 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen. Dieses tragende Organisationsprinzip hat den Sinn, dass die Organe der Legislative, Exekutive und Judikative sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen, damit die Staatsmacht gemäßigt und die Freiheit des Einzelnen geschützt wird (BVerfGE 3, S.225 (247)). Gemäß Art. 51 Abs. 2 Halbsatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann die Staatsregierung die Beantwortung von Fragen demzufolge ablehnen, wenn diese den ,,Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" berühren. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist ein grundsätzlich nicht ausforschbarer lnitiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Exekutive. Hierzu gehören sämtliche interne Abstimmungs- und Willensbildungsprozesse sowie Planungen innerhalb der Staatsregierung, die der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dienen (SächsVerfGH Urteil vom 23. April 2008, Vf. 87-l-06). Das Bundesverfassungsgericht nennt den Prozess der Willensbildung innerhalb der Regierung selbst - sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht - als einen Bereich, der vom grundsätzlich nicht ausforschbaren lnitiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung umschlossen ist (BVerfGE 1 10, 199 Q1Ð; BVerfGE 124,78 (120); SächsVerfGH Urteil vom 29. August 2008 - Vf. 154-l-07). Die Frage, ob die Herausgabe von lnformationen, die Aufschluss über die Willensbildung der Regierung oder einzelner Mitglieder bei der Vorbereitung inzwischen abgeschlossener Regierungsentscheidungen geben können, die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen, kann jedoch nicht pauschal beantwortet werden. Eine mögliche Beeinträchtigung lässt sich nur unter Berücksichtigung des Einzelfalls feststellen. Bei abgeschlossenen Vorgängen muss eine fallbezogene Abwägung a rischen dem Schutz der funktionsnotwendigen freien und offenen Willensbildung innerhalb der Regierung und dem parlamentarischen lnformationsinteresse stattfinden. Das parlamentarische lnformationsinteresse muss gewichtiger sein, je weiter das Begehren in den Arkanbereich der Regierung vordringt. Diese Grenzziehung gewährleistet, dass Regierung und Veruvaltung ihre Entscheidungen autonom treffen können und ein Kernebereich exekutiver Eigenverantwortung verbleibt. Die Ausübung der parlamentarischen Kontrollfunktion darf jedenfalls nicht dazu führen, dass das Parlament gleichsam am Kabinettstisch sitzt. Die Frage nach dem Wortlaut der drei Berichte berührt den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung . Die drei Berichte sind Gegenstand und Grundlage der Willensbildung der Sächsischen Staatsregierung im Kabinett. Sie wurden im Zuge der Vorbereitung der Kabinettssitzung vom 4. März 2016 in ressortinterner und ressortübergreifender Abstimmung erarbeitet, um als Beratungs- und Entscheidungsgrundlage für die Kabinettssitzung, in der das Maßnahmepaket der Staatsregierung beschlossen wurde, zu dienen. Die Berichte waren damit Teil der Vorbereitung der Kabinettsentscheidung Seite 2 von 4 SÄCHSISCHE STAATSKANZLEì Freistaat SACHSEN5 vom 4. März 2016. Die Berichte waren zudem auch die Grundlage der am 4. März 2016 stattgefundenen Erörterung im Kabinett. Der am 4. März 2016 gefasste Kabinettsbeschluss leitet sich aus den Berichten ab. Die Berichte dienten damit unmittelbar der Vorbereitung der Beschlussfassung. Dies wird daran deutlich, dass die drei Berichte jeweils vom Kabinett zur Kenntnis genommen und jeweils daran anschließend die konkreten Maßnahmen beschlossen wurden. Die Kontrollkompetenz des Parlaments, die sich in dem lnformations- und Frageanspruch des Abgeordneten gegenüber der Regierung konkretisiert und den die Regierung zu erfüllen hat, erstreckt sich wegen des geschützten Bereichs der Willensbildung grundsätzlich (nur) auf abgeschlossene Vorgänge (BVerfGE 110, 199 (214f .) Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung dahingehend, dass parlamentarische Kontrolle nicht wirksam wäre, wenn die dazu nötigen lnformationen aus dem Bereich der Vorbereitung der Regierungsentscheidungen dem Parlament auch nach Abschluss des Vorgangs grundsätzlich verschlossen blieben (BVerfGE 124,78 (121). Der verfassungsrechtlich garantierte lnformationsanspruch des Abgeordneten, der der parlamentarischen Kontrolle der Regierung dient und nur unter engen Voraussetzungen von Verfassungsrang beschränkbar ist, liefe leer. Aber auch nach Abschluss des Entscheidungsprozesses sind dem nachträglichen Zugriff auf lnformationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen Grenzen gesetzt (BVerfGE 110, 199 (215); SächsVerfGH Urteil vom 29. August 2008 - Vf. 154-l-07). Ein schrankenloser parlamentarischer lnformationsanspruch nach Abschluss des Entscheidungsprozesses würde durch seine einengende Vonruirkung die Regierung in ihrer selbständigen Funktion beeinträchtigen (BVerfGE 110, 199 (215); SächsVerfGH Urteil vom 29. August 2008 - Vf. 154-l-07). Von der Beantwortung der Anfrage kann daher unter Abwägung des lnformationsbelangs des Abgeordneten einerseits und des lnteresses der Regierung am Schutz vor Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung andererseits abgesehen werden, wenn nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls die Gründe, die für den Schutz vor einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung durch die Herausgabe von Unterlagen sprechen, dem lnformationsanspruch übenruiegen (BVerfG 110, 199 (219)). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 124,78 (122)). Ein maßgeblicher Belang, der durch die Vorlagepflicht beeinträchtigt werden kann, ist die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung. Daher sind Unterlagen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der Regierungsentscheidung stehen. So kommt der Erörterung im Kabinett eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu (BVerfG 124,78 (122 f .). Da die drei Berichte nicht nur vorgelagerte Beratungsunterlagen, sondern unmittelbar Gegenstand der Erörterung im Kabinett und Grundlage des gefassten Beschlusses waren, ist ihnen eine solche hohe Schutzwürdigkeit beizumessen. Die Staatsregierung geht davon aus, dass die nachträgliche Offenlegung des zuvor, also während der Willensbildung, geschützten lnitiativ- , Beratungs- und Handlungsbereichs der Regierung eine einengende Vonruirkung zur Folge hat, die die künftige Meinungsbildung innerhalb der Regierung in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt (BVerfG 124,78 (121). Es müsste sich daher um ein im Ver- Seite 3 von 4 SÄCHSìSCHE STAATSKANZLEI Freistaat SACHSEN5 gleich besonders hohes gewichtiges parlamentarisches lnformationsinteresse handeln, um das Schutzinteresse der Staatsregierung dahinter zurückstehen zu lassen (BVerfG Beschl. v. 30. März2004,2BvK 1i01; BVerfG 110, 199 (221)). Ein besonders gewichtiges parlamentarisches lnformationsinteresse ist der vorliegenden parlamentarischen Anfrage nicht zu entnehmen. Das verfassungsrechtlich abgesicherte lnteresse der Staatsregierung am Schutz vor Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung überuviegt vielmehr und rechtfertigt das Absehen von der Beantwortung. Mit freundlichen Grüßen "Dar,t Dr. Fritz Jaeckel Seite 4 von 4 2016-09-16T13:43:06+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes