STAATSM1N1STERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/2816 Dresden, \J) September 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Kerstin Köditz, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/6297 Thema: "Reichsbürger"-Aktivitäten in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Im Hinblick auf vorangegangene Kleine Anfragen der Fragestellerin in einem vergleichbaren Themenkomplex und die wiederholte Beantwortung nicht gestellter Fragen weist die Fragestellerin ausdrücklich darauf hin, dass sie die Existenz einer "einheitlichen Reichsbürger- Bewegung" nach wie vor nicht unterstellt." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/3751 verwiesen. Der Staatsregierung sind die fragegegenständlichen Problemlagen im Verwaltungsvollzug bekannt und Gegenstand verschiedener Veranstaltungen, Informationen und Handlungsanleitungen damit konfrontierter Behörden. Frage 1: Welche Erkenntnisse über unterschiedliche Personen und lose Personengruppen , die Argumentationsmustern sogenannter Reichsbürger folgen oder dementsprechend auftreten, sowie Rechtsextremisten, die Argumentationsmustern sogenannter Reichsbürger folgen oder dementsprechend auftreten, liegen der Staatsregierung vor? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen beobachtet extremistische Bestrebungen auf der Grundlage seiner Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (SächsVSG). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 des SächsVSG sind Bestrebun Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7. 8. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SAOHSE1N gen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung "politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss , der darauf gerichtet ist, einen der Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen". Die "Reichsbürger" als solche sind kein Personenzusammenschluss im Sinne des SächsVSG, so dass die Voraussetzungen für eine Beobachtung durch das LfV Sachsen nicht erfüllt sind. Ebenso liegen die gesetzlich geregelten Voraussetzungen für eine Beobachtung von Einzetpersonen im Rahmen der "Reichbürger "-Thematik nach § 3 Abs. 1 S. 3 SächsVSG nicht vor, so dass im LN Sachsen dazu keine Informationen gesammelt werden. Im Hinblick auf Rechtsextremisten liegen der Staatsregierung keine Informationen vor, wonach diese ihre verfassungsfeindliche weltanschauliche Position explizit unter Zuhilfenahme der Reichsbürgerideologie begründen würden. Die Reichsbürgerideologie als solche wird nicht als rechtsextremistisch eingeordnet, so dass entsprechende Argumentationsmuster für Rechtsextremisten auch nicht typisch sind. Im Übrigen wird auf die zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 bis 5 verwiesen. Frage 2: In wie vielen Fällen verweigerten Personen oder Personengruppen im Sinne der Frage 1 seit dem Jahr 2011 die Entrichtung von Steuern, Bußgeldern oder sonstigen Abgaben? (Bitte jahrweise aufschlüsseln nach Landkreisen bzw. Kreisfreien Städten sowie Zahl und Art der Vorfälle.) Frage 3: In wie vielen Fällen haben Personen oder Personengruppen im Sinne der Frage 1 seit dem Jahr 2011 ihren amtlichen Personaiausweis abgegeben oder sich mit nicht autorisierten "Reichsbürger"-Dokumenten auszuweisen versucht? (Bitte Jahrweise aufschlüsseln nach Landkreisen bzw. Kreisfreien Städten sowie Zahl und Art der Vorfälle.) Frage 4: In wie vielen Fällen haben sich Personen oder Personengruppen im Sinne der Frage 1 seit dem Jahr 2011 im Rahmen amtlicher Verwaltungsverfahren, Strafanzeigen , Gerichtsverfahren, Verhaftungen usw. gegenüber staatlichen Behörden und Amtsträgern verweigert, widersetzt oder entzogen? (Bitte jahrweise aufschlüsseln nach Landkreisen bzw. Kreisfreien Städten sowie Zahl und Art der Vorfälle.) Frage 5: Inwieweit kam es seit dem Jahr 2011 durch Personen oder Personengruppen im Sinne der Frage 1 zu Störungen und Belästigungen gegenüber sowie Bedrohungen und Übergriffen zum Nachteil von Behördenvertretern, Amtsträgern und Beamten , z. B. Gerichtsvollziehern? (Bitte jahrweise aufschlüsseln nach Landkreisen bzw. Kreisfreien Städten, Zahl und Art der Vorfälle, Kurzdarstellung des jeweiligen Sachverhaltes und ggf. Angabe der strafrechtlichen Relevanz). Seite 2 von 4 STAATSMITMISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 bis 5: Hinsichtlich der Fragen 2 bis 5 wird von einer Beantwortung seitens der Staatsregierung abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz giit zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Der Staatsregierung sind Einzelsachverhalte mit Beteiligung sogenannter "Reichsbürger " im Sinne der Fragen bekannt. Gesonderte Statistiken zu Aktivitäten von "Reichsbürgern " werden in den Behörden und Gerichten des Freistaats Sachsen jedoch nicht geführt. Der Umstand, ob eine Person Angehöriger oder Sympathisant der "Reichsbürger " ist, wird in den behördlichen Informationssystemen nicht systematisch erfasst, so dass die erfragten Angaben auch nicht mittels einer standardisierten Recherche gewonnen und aufbereitet werden können. Zur Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche Akten von sämtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die seit dem Jahr 2011 bearbeitet wurden, durch die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und der Gerichte händisch auf einen etwaigen "Reichsbürger"-Bezug hin ausgewertet werden. Allein der Datenbestand der sächsischen Polizei umfasst mehr als 2,7 Mio. Vorgänge des Polizeilichen Auskunftssystems Sachsen (PASS) sowie mehrere 100.000 Vorgänge pro Jahr sowohl in der Integrierten Vorgangsbearbeitung (IVO) als auch dem Einsatzleitsystem (ELS). Im Bereich der sächsischen Justiz kämen beispielsweise in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2016 ca. 4,5 Millionen staatsanwaltschaftliche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in Betracht. Das für diese aufwendige Recherche eingesetzte Personal stünde dann für seine Kernaufgaben nicht zur Verfügung. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem "parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung anderseits zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Beantwortung der Kleinen Anfrage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts innerhalb der Antwortfrist daher in Anbetracht der hohen Anzahl von infrage kommenden Vorgängen unverhältnismäßig und ohne Einschränkung der Arbeitsund Funktionsfähigkeit der Behörden und Gerichte des Freistaates Sachsen nicht zu leisten ist. Seite 3 von 4 STAATSM1N1STBR1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Im Ul^rigen^ird hinsichtlich der Frage 5 auf die Antworten der Staatsregierung auf die Kleinen Aoifragen Drs.-Nr. 6/32 und 6/2152 verwiesen. Mit üeunjälichen Grüßen Markus Ulbi Seite 4 von 4 2016-09-30T13:26:09+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes