STAATSMINISTERìUM DER JUSTìZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dr€sd6n Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten André Schollbach, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/6339 Thema: Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Beleidigung beiVersammlungen von ,,LEG|DA" in Leipzig Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Aufgrund wetcher Äußerungen oder Handlungen welcher Rednerinnen bzw. Redner bei welchen Versammlungen von ,,LEGIDA" in Leipzig wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der VolksverheEung oder wegen des Verdachts der Beleidigung eingeleitet? Frage 2: Aufgrund welcher Äußerungen oder Handlungen welcher Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer bei welchen Versammlungen von ,,LEGIDA" in Leipzig wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhe Eung oder wegen des Verdachts der Beleidigung eingeleitet? Frage 3: Mit welchem Ergebnis wurden die den Ziffern I und 2 genannten Ermittlu ngsverfahren jeweils abgeschlossen? Seite 1 von 4 Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-3692/1 5 Dresden, ¿t . September 2016 Hausanschrlft: Sächslsches Staatsminlsterlum der Justiz Hospitalskaße 7 01 097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01 095 Dresden www justiz,sachsen de/smj Verkehrsverbl ndung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8,11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 'Zugang tür eleklron¡sch signierl€ sowi€ ft¡r v€rschlusselt€ el€ktronische Dokumente nur i¡ber das El€ktronische Gêr¡chts- und VeMaltungspostfsch; nåhere lnformationen unter w egvp de [rtlìilru:v STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lilRårlMHëJg Frage 4: Welche abschließenden gerichtlichen Entscheidungen erg¡ngen jeweils in jenen in den Ziffern I und 2 genannten Ermittlungsverfahren, bei denen Anklage erhoben oder ein Strafbefehl erlassen worden ist (bitte auch mitteilen, ob Rechtskraft eingetreten oder Rechtsmittel eingelegt worden ist)? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen I bis 4: Wegen der Ermittlungsverfahren im Sinne der Frage l, deren Abschluss durch die Staatsanwaltschaft (Frage 3) und bei Gericht (Frage 4) nehme ich auf die als Anlage I beigefügte Ubersicht Bezug. lnsoweit ist zugleich die Antwort auf die Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs. 6/3601 dahingehend zu korrigieren, dass die in Rede stehenden Verfahren bereits vor dem 14. Januar 2016 eingeleitet worden waren. Dieses Versehen, für das ich um Nachsicht bitte, ist im Rahmen der zur Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage durchgeführten Recherchen bekannt geworden. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass die nunmehr mitgeteilten Ermittlungsverfahren lediglich aus der Erinnerung der Dezernenten der zuständigen Fachabteilung heraus recherchierbar gewesen sind. Eine gesonderte statistische Erfassung der Vorgänge erfolgt bei der Staatsanwaltschaft nicht. Das Ermittlungsverfahren wegen der Tat vom I 1. Januar 2016 war dem Staatsministerium der Justiz zwar schon zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs. 6/3601 bekannt, seinerzeit jedoch wegen Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten registriert und deshalb nicht mitgeteilt worden. lm Rahmen der weiteren Sachbehandlung hat die Staatsanwaltschaft die Tat jedoch auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Volksverhetzung gewürdigt. Wegen der Ermittlungsverfahren im Sinne der Frage 2, deren Abschluss durch die Staatsanwaltschaft (Frage 3) und bei Gericht (Frage 4) nehme ich auf die als Anlage 2 beigefügte Übersicht Bezug. Eines der Ermittlungsverfahren, das in der Antwort auf Frage 2 der Kleinen Anfrage Drs. 6/3601 noch benannt worden war, ist in der aktuellen Übersicht nicht mehr aufgeführt, da es sich - wie im Rahmen der erneuten Prüfung bekannt wurde - nicht um ein Verfahren im Sinne der Frage 2 handelt, sondern um eine Straftat zum Nachteil eines LEGIDA-Teilnehmers. Dies betrifft folgenden Vorgang: 28.09.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Teilnehmer des Gegenpro-tests mit Worten Seite 2 von 4 STAATSMINISTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñCFxil -bE lw Einer darüber hinausgehenden Beantwortung der Frage stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikels 51 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) entgegen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 15 i. V. m. Artikel 14 Abs. 1 SächsVerf zähltzu den Rechten Dritter im Sinne des Artikel 51 Abs. 2 SächsVerf. Der Nennung der Namen der Beschuldigten, gegen die die genannten Ermittlungsverfahren geführt werden bzw. worden sind, steht im konkreten Fall deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 33 SächsVerf) als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegen, an das die Sächsische Staatsregierung und der Landtag als unmittelbar geltendes Recht gebunden sind (Art. 36 SächsVerf). Eine Abwägung der lnformationsinteressen des Abgeordneten mit dem lnteresse der Beschuldigten an der Geheimhaltung führt zum Vorrang der Geheimhaltung. Das lnteresse des Abgeordneten an vollständiger lnformation ist ein hohes, durch Art. 51 Abs. 1 SächsVerf verfassungsrechtlich gewährleistetes Gut. Aber auch das Recht des Einzelnen, grundsätzlich über die Bekanntgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, ist ein hohes, verfassungsrechtliches Schutzgut. Dies gilt in besonderem Maße für Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens, da bereits die Einleitung eines solchen Verfahrens für den Ruf und das Ansehen des Beschuldigten von erheblicher Bedeutung sein kann. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der personenbezogenen Daten Beschuldigter, insbesondere im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung, kommt im konkreten Fall auch die Bekanntgabe der Namen in nichtöffentlicher Form oder mit entsprechendem Geheimhaltungsvermerk nicht in Betracht. Zudem steht der Bekanntgabe weiterer Einzelheiten aus den jeweiligen Ermittlungsverfahren eine gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Nach S 477 Abs. 2 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) sind Auskünfte aus Akten zu versagen, wenn der Ubermittlung Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen. Dies ist der Fall, soweit die Verfahren noch nicht endgültig abgeschlossen sind. Die Bekanntgabe von Einzelheiten aus laufenden Verfahren würde die Gefahr begründen, dass diese erschwert oder vereitelt werden können. lnsbesondere könnte die öffentliche Wiederholung konkreter beleidigender Außerungen die Erinnerung von Zeugen oder deren Aussageverhalten beeinflussen. Seite 3 von 4 STAATSMìNISTERìU]\4 DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN Ð ñHtw Eine möglichst unbeeinflusste Wahrheitsfindung in einem Strafverfahren und eine funktionierende Strafrechtspflege sind in einem Rechtsstaat von hohem Stellenwert. Das Fragerecht des Abgeordneten muss daher unter den vorliegenden Umständen zurücktreten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass weitere Einzelheiten in nichtöffentlicher Form mitgeteilt werden könnten, so z. B. in einer Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Sächsischen Landtag. Darüber hinaus stehen einer Wiedergabe der beleidigenden oder volksverhetzenden Außerungen bzw. Handlungen Rechte Dritter im Sinne des Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Eine Wiederholung der Beleidigungen und deren Bekanntmachung an eine große Otfentlichkeit im Wege einer öffentlichen Beantwortung der Kleinen Anfrage würde die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Geschädigten perpetuieren und vertiefen. Die Staatsregierung ist sich der herausgehobenen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts für die in der Verfassung verankerte Funktion des Abgeordneten bewusst. Die Abwägung zwischen dem lnteresse des Abgeordneten an der Beantwortung seiner Frage und dem Persönlichkeitsrecht der Geschädigten fällt zugunsten des Grundrechts aus. Denn eine öffentliche Antwort der Staatsregierung wäre als Landtags-Drucksache auch im lnternet unbefristet zugänglich, wodurch der Angriff auf das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten dauerhaft Wirkung entfalten könnte. Dem Auskunftsinteresse des Abgeordneten kann hingegen durch Erteilung weiterer Auskünfte in nichtöffentlicher Form Rechnung getragen werden. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4 Anlage 1 zu Drs. 6/6339 1 Frage 1 in Verbindung mit Fragen 3 und 4: Tattag Delikt Äußerung/Handlung Verfahrensstand/Verfahrensausgang 31.08.2015 Volksverhetzung Beschuldigter äußert sich volksverhetzend über Asylbewerber Anklageerhebung; Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt (rechtskräftig) 28.09.2015 Volksverhetzung Beschuldigter äußert sich volksverhetzend über Ausländer und deutsche Politiker Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 02.11.2015 Volksverhetzung Beschuldigte äußert sich volksverhetzend über Asylbewerber Anklageerhebung; Gericht hat Hauptverhandlungstermin bestimmt 11.01.2016 Volksverhetzung Beschuldigte äußert sich volksverhetzend über Politiker, Journalisten, Kirchenvertreter und Juristen Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO Anlage 2 zu Drs. 6/6339 1 Frage 2 in Verbindung mit Fragen 3 und 4: Tattag Delikt Äußerung/Handlung Verfahrensstand/Verfahrensausgang 16.02.2015 Beleidigung Beschuldigter zeigte eine beleidigende Geste gegenüber Polizeibeamten Einstellung gemäß § 45 Abs. 2 JGG 09.03.2015 Beleidigung, Bedrohung Beschuldigter beleidigte und bedrohte Polizeibeamten mit Worten Anklage; gerichtlich verbunden zu anderer Strafsache; Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (für die Tat vom 09.03.2015 wurde eine Einzelstrafe von 60 Tagessätzen verhängt; nicht rechtskräftig) 23.03.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Polizeibeamten mit Worten Strafbefehl (Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 €; rechtskräftig) 23.03.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Polizeibeamten mit Worten Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 20.04.2015 Beleidigung Beschuldigte beleidigte Polizeibeamten Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 06.07.2015 Beleidigung unbekannter Teilnehmer zeigte Plakat mit beleidigendem Inhalt Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 06.07.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte den Leiter der Polizeidirektion Leipzig mit Worten Strafbefehl (Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 €; rechtskräftig) 14.09.2015 Beleidigung unbekannter Teilnehmer spuckte nach Polizeibeamten Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 28.09.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Teilnehmerin des Gegenprotests mit Worten Einstellung unter Verweisung auf den Weg der Privatklage gemäß §§ 374, 376 StPO 05.10.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte den Leiter der Polizeidirektion Leipzig mit Worten Strafbefehl (Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 €; rechtskräftig) 05.10.2015 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Teilnehmer des Gegenprotests mit Worten Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO Anlage 2 zu Drs. 6/6339 2 Tattag Delikt Äußerung/Handlung Verfahrensstand/Verfahrensausgang 30.11.2015 Beleidigung Beschuldigte beleidigte Polizeibeamten mit Worten Verbunden zum Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung (Tat vom 30.11.2015) 30.11.2015 Beleidigung Beschuldigte beleidigte Polizeibeamten mit Worten Verbunden zum Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung (Tat vom 30.11.2015) 30.11.2015 Volksverhetzung Beschuldigte äußert sich in volksverhetzender Form gegenüber Polizeibeamten Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO hinsichtlich dieser Äußerung; Strafbefehl hinsichtlich der beiden hinzuverbundenen Vorgänge (Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 €; rechtskräftig) 11.01.2016 Beleidigung Beschuldigter beleidigte Polizeibeamten Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO KA6-6339 KA6-6339_Anl1 KA6-6339_Anl2 2016-09-30T14:25:38+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes