STAATSMINISTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Du¡chwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-3008/1 6 Dresden, zf/. Oklober 2016 sil r ti tË WANDEL HINTER GITTERN 30O Jahrc Gcfånqnr5 Waldhc¡m 30O J¡hre sächsische Vollzugqeschichte Hausanschrlft: Sächslsches Staatsmlnlsteri um der Justlz Hospitalstraße 7 01 097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz,sachsen de/smj Verkehrsverblndu ng Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7, I, lt Parken und behindertengerechter Zugang úber Einfahrt Hosp¡talstraße 7 *zug€ng für elektronisch s¡gni€rte sowie für verschlüsselte elsktron¡sche Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und V6rwaltungspostfach; náherô lnformationen unl€r w €gvp de ÐN¡riRhJñ -v SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hosp¡talslrsße 7 | 01097 Drêsd€n Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Li ndena u-Plalz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Enrico Stange, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/6488 Thema: Nicht eingeleitetes Ermittlungsverfahren, Mordaufruf im Internet im Mai 2016 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt ,,ln der Süddeutschen Zeitung vom 22. Juli 2016 ist unter der Überschr ¡ft ,,HeEe ohne Konsequenzenr', zu lesen: ,,Gleich erschießen, dieses Dreckspack", hatte ein lnternetnuEer auf Facebook gefordert. Kein Straftatbestand erfüllt, findet die Staatsanwaltschaft Dresden - und hat die Ermittlungen eingestellt. [...] lm aktuellen Fall des lnternet -Mordaufrufs schreibt die Staatsanwaltschaft, der Erschießungsaufruf richte sich nicht gegen einen abgrenzbaren Teil der Bevölkerung , sondern nur gegen die beiden Tatverdächtigen. Der namentlich bekannte Schreiber habe den Tod der beiden Rumänen nicht,wegen ihres Andersseins bzw. ichrer Zugehörigkeit zu e¡ner bestimmten Gruppe, sondern wegen ihrer vermeintlich begangenen Straftaten' gefordert. Es handele s¡ch auch nicht um eine öffentliche Aufforderung zu e¡ner Straftat nach Paragraf llldes StrafgeseEbuches. Für eine Strafbarkeit hätten Tatort, Tafeit und die Namen der Opfer genannt werden m [¡ssen.' (Quelle: http://wunr.sueddeutsche.de/politik/ auslaenderhassim -i nternet-heEe-oh ne-konseq uenzen-l .3091 460)" Seite 'l von 4 STAATSMINìSTERìUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN m-l:ÉÈr-l*aiw Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: Aus welchen Gründen wurden in diesem Fall seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen wegen des Verdachts der VolksverheEung, des Aufrufs zu einer Straftat oder Beleidigung eingeleitet? Die Polizeidirektion Dresden hat aufgrund einer Onlineanzeige am 18. Mai 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der ötfentlichen Aufforderung zu Straftaten eingeleitet. Dieses Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Dresden vom 14. Juli 2016 gemäß S 170Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, weil die angezeigte Außerung in der konkreten Sachverhaltskonstellation die vorgenannten Straftatbestände nicht erfüllt hat und hinsichtlich des Tatvorwurfs der Beleidigung kein Strafantrag vorlag. Frage 2: Aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse wurde durch die Staatsanwaltschaft eingeschäEt, dass die Bezeichnung ,,Dreckspack" sich ausschließlich auf die m utmaßlichen Diebe bezog? Diese Einschätzung wurde durch die Staatsanwaltschaft anhand der in der Akte befindlichen Screenshots getroffen. Aus diesen Screenshots ging hervor, dass der Kommentar des Beschuldigten - mit Ausnahme eines zeitlich früheren Kommentars eines anderen Facebook-Nutzers (,,sind da vielleicht eure Räder dabei?") - unmittelbar an den betreffenden Beitrag von ,,Frm-TV" anschließt. ln dem Beitrag wurden neben den ,,zwei rumänischen Staatsangehörigen" als weitere handelnde Personen nur die feststellenden Beamten der Bundespolizei erwähnt. Letztere konnten jedoch als Adressaten der Außerung ausgeschlossen werden. Zudem ergab sich aus der Verwendung des Wortes ,,gleich" der inhaltliche Bezug zu den beiden vermeintlichen Straftätern. Seite 2 von 4 STAATSMINìSTERIUM DER JUSTìZ Hinweise darauf, dass der Beschuldigte mit seiner Außerung pauschal alle in Deutschland lebenden rumänischen Staatsangehörigen gemeint bzw. die beiden festgestellten Personen gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der rumänischen Staatsangehörigen verbal angegriffen hat (vgl. S 130 Strafgesetzbuch), konnten im Rahmen des E rm ittlu n gsverfah rens nicht gewonnen werden. Die Auslegung von Meinungsäußerungen steht nicht im Belieben der Strafuerfolgungsbehörden . Vielmehr verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesem Zusammenhang , dass der Sinn einer Meinungsäußerung zutreffend erfasst wird, Ziel der Deutung muss die Ermittlung des objektiven Sinns einer Außerung sein, wobei stets vom Wortlaut der Außerung auszugehen ist. lst eine Außerung mehrdeutig, so hat das Gericht, will es die zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung seiner rechtlichen Würdigung zu Grunde legen, andere Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen. Soll die Verurteilung auf in der Außerung verdeckt enthaltene Aussagen gestützt werden, muss deren Deutung über die reine Wortinterpretation hinausgehen und bedarf daher weiterer, dem Text nicht unmittelbar zu entnehmender Gesichtspunkte und Maßstäbe. Auf eine im Zusammenspiel der offenen Aussage verdeckt enthaltene zusätzliche Aussage darf die Verurteilung daher nur gestützt werden, wenn sich die verdeckte Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt. Hierfür muss das Gericht die Umstände benennen, aus denen sich ein solches am Wortlaut der Außerung nicht erkennbares abweichendes Verständnis ergibt (BGH, Urteil vom 20. September 2011, Az; 4 StR 129/1 1, zitiert nach Juris). Gemessen an diesen Vorgaben konnten keine Umstände ermittelt werden, die es rechtfertigten, der Außerung des Beschuldigten einen anderen, über den Wortlaut hinausgehenden Erklärungsinhalt beizumessen. Frage 3: Erfüllt die Bezeichnung ,,Dreckspack" den Tatvorwurf der Beleidigung? Von einer Beantwortung der Frage wird abgesehen, da die Frage auf eine Bewertung gerichtet ist. Zu der Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Eñ¡llÀ\hiFÑggg Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMINISTERìUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN tEI-Nùrl#idtH:v Gemäß Artikel 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsreg ¡erung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als d¡es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser lnformationspflicht der Staatsregierung nach Artikel 50 SächsVerf entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenl¡ber der Staatsregierung nach Artikel 51 SächsVerf. Das Fragerecht kann jedoch nicht dazu dienen, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten lnformationen zu verschaffen (SächsVerfGH, Urteilvom 22. April 2004 - Vf. 44-l-03). Frage 4: Erfolgte eine Vernehmung der Person, die auf Facebook: ,,Gleich erschießen, dieses Dreckspack", geschrieben (gepostet) hatte? Der Beschuldigte ist auf polizeiliche Ladung zur Vernehmung nicht erschienen und wurde daher nicht vernommen. Nach gewährter Akteneinsicht hat der Verteidiger des Beschuldigten eine schriftliche Erklärung abgegeben. Frage 5: Sind Aufrufe zu Mord ausschließlich strafbar, wenn Tatort, Tatzeit und die Namen der Opfer genannt werden? Von einer Beantwortung der Frage wird abgesehen, da die Frage auf eine Bewertung gerichtet ist. Auf die Ausführungen zu Frage 3 wird venryiesen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4 2016-10-13T09:31:44+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes