STAÀTSIVIINISTERIUM DER JUST'IZ SÄCHSISCHES STMTSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hosp¡talslrsße 7 | 01097 Drosden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Lindena u-Platz I 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 616714 Thema: Anträge der sächsischen Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der lmmunität der Abgeordneten des Sächsischen Landtages und Entscheidungen hierzu Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Nach $ 55 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung dürfen Abgeordnete des Sächsischen Landtages nur mit Einwilligung des Landtages wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung in Untersuchungshaft genommen, festgenommen , festgehalten oder verhaftet werden, es sei denn, dass sie bei der Begehung einer strafbaren Handlung oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen werden. Die Einwilligung des Landtages ist auch bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit von Abgeordneten erforderlich. Seit der 2. Wahlperiode gestatteten die jeweiligen Landtage so genannten Generelle Genehmigung zur Strafoerfolgung gemäß der jeweils einschlägigen Vorschrift der Geschäftsordnung unter entsprechend detailliert ausgestalteter Einschränkung die Verfolgung und Vollstreckung gegen Mitglieder des Sächsischen Landtages." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: w Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen. de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-3232/1 6 Dresden, i. November 2016 Ëil I ltl NË WANDEL HINTER GITTERN 300 Jahre €efängn¡s Waldhe¡Ír 300 Jahrc sächsische Vollzuqs4eschichte Hausanschrlft: SächBlsches Staatsmlnlsterium der Justlz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost Uber Deutsche Post 01 095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbl ndung: Zu erreichen mit Straßenbahnllnien 3,6,7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang iiber Einfahrt Hospitalstraße 7 zugang für elðktronisch signierla sowiê für verschlüsselte elêktron¡sche Dokument € nur übar d€s Elektronische G€r¡chts- und Verwaltungspostfach; nåhere lnformationen unt€Í w.egvp.de Seite I von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUST'IZ Freistaat SACHSEN lilNS¡JMl-ñãl\ry Frage 1: ln wie v¡elen Fällen hat die Staatsanwaltschaft se¡t 1990 gegeni,¡ber dem Sächsischen Landtag förmlich die Aufhebung der lmmunität von Abgeordneten des Sächsischen Landtages beantragt? Frage 2: Welche der jeweiligen Beantragungen der lmmunitätsaufhebungen zu Grunde liegende bar. im Verdacht stehende Straftaten oder als Dienstvergehen geltende Handlungen, VerleEungen von Berufs- und Standespfl¡chten etc. lagen dem Antrag im jeweiligen Einzelfallzu Grunde? Frage 3: ln wie vielen Fällen und be¡ welchem im Einzelfall antragsgegenständlich zu Grunde liegenden Handlungsverdacht wurde nach Kenntnis der Staatsregierung die beantragte Aufhebung der lmmunität und eine diesbezügliche Beschlussempfehlung an den Landtag bereits im zuständigen Ausschuss für Geschäftsordnung und lmmunitätsfragen abgelehnt und zu welchen Anteilen folgte der Landtag der Beschlussempfehlung oderwich von diese¡ ab? Frage 4: Gab es seit 1990 Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft im Freistaat Sachsen betreffend eine bzw. einen Abgeordneten des Sächsischen Landtages mehrfach die Aufhebung der lmmunität beantragte und wenn ja, soweit schuEwürdige lnteressen dem nicht entgegenstehen, um welche/n Abgeordneten handelt es sich und welcher Handlungsvoruvurf lag dem jeweiligen Antrag zu Grunde? Frage 5: Wie endeten die Straf- und sonstigen Verfahren gegen Mitglieder des Sächsischen Landtages seit 1990, die a) wegen des Vonvurfs Verdachts der Begehung einer Straftat b) wegen des Vorwurfs der Begehung einer als Dienstvergehen geltenden Handlung c) wegen VerleEung von Berufs- und Standespflichten, Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lilNú¡J w auf der Grundlage der Generellen Genehmigung eingeleitet und nach der Aufhebung der lmmunität weitergeführt wurden im weiteren Verfahrensgang, respekt¡- ve welche Strafen bzw. sonstigen Sanktionen wurden im Einzelfall gegen die betreffenden Abgeord neten verhän gt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 5: Von einer Beantwortung der Fragen wird abgesehen Die Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete des Sächsischen Landtages werden statistisch nicht gesondert erfasst, da es sich insoweit um prozessuale Umstände bzw. eine besondere Eigenschaft der Verfahrensbeteiligten handelt, die in der Strafuerfolgungsstatistik nicht ausgewiesen werden. Auch über eine Auswertung der bei den Staatsanwaltschaften gespeicherten Datenbestände lassen sich die aufgeworfenen Fragen - jedenfalls in der zur Verfügung stehenden Zeit- nicht beantworten. Der Umstand, dass einem Verfahrensbeteiligten aufgrund seines Abgeordnetenstatus lmmunität zusteht, wird im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (Js-Register) nicht erfasst. Auch über die zu sog. allgemeinen Vorgängen (AR-Vorgängen) gespeicherten Daten lassen sich keine verlässlichen lnformationen gewinnen. Anzeigen gegen Abgeordnete oder sonstige der lmmunität unterliegende Personen sind aufgrund Ziff . 2. Buchst. c der Rundverfügung der Generalstaatsanwaltschaft des Freistaates Sachsen zur ,,Erfassung von Vorgängen in Straf- und Bußgeldsachen vom 3. Februar 2016", Az. 1450- 2/15, stets in das sog. allgemeine Register (AR-Register) einzutragen. Eine Umtragung in das Js-Register erfolgt erst, wenn von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ohne weitere Ermittlungen nach S 152 StPO abgesehen werden soll bzw. die lmmunität entweder aufgehoben worden ist (vgl. Nr. 192 RiStBV) oder wenn - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - die allgemein erteilte Genehmigung der jeweiligen gesetzgebenden Körperschaftwirksam geworden ist (vgl. Nr. 192aAbs. 1 und 3 R¡StBV). Seite 3 von 5 STAATSMINìSTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lil\HMr..¡ÀËJ\r:)s Über einen Daten-Select zu allen im AR-Register erfassten Eintragungen von Verfahren mit dem Sachgebietsschlüssel 232 (Verfahren bei lmmunität) wurden ohne zeitliche Beschränkung insgesamt 607 Vorgänge ermittelt. Dabei handelt es sich jedoch mit wenigen Ausnahmen um Anzeigen, die bis ins Jahr 2009 zurtJckreichen. Daten zu etwaigen vor diesem Zeitraum eingegangenen Anzeigen liegen - schon wegen der Löschungsfristen - nicht mehr vor. Um die in der Kleinen Anfrage gestellten Fragen (insbesondere zur Anzahl der Fälle mit Anträgen auf lmmunitätsaufhebung, Anzahl der Fälle mit Verfahren aufgrund genereller Genehmigung, zugrundeliegende Straftaten, Ablehnungen und Bewilligungen des lmmunitätsausschusses, Zahl der Fälle mit mehrfachen lmmunitätsaufhebungen, Ausgang der Strafverfahren etc.) in Bezug auf die mit dem Daten-Select festgestellten 607 AR-Vorgänge beantworten zu können, müsste eine manuelle Durchsicht und individuelle Auswertung aller Papierakten durchgeführt werden. Dies ist aufgrund der hohen Anzahl der auszuwertenden Vorgänge im Hinblick auf die zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit unverhältnismäßig. Zur Auswertung wären umfangreiche und zeitaufwändige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichte erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschättsstellen und den staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Rechtsanwälten, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten durch einen Staatsanwalt, die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses und die Rückgabe der Akten an die zuletzt aktenführende Stelle zu berücksichtigen. Der durchschnittliche Auswertungsaufwand ist mit mindestens dreißig Minuten je Verfahren anzusetzen. Danach würde ein rechnerischer Gesamtaufwand von 18.210 Minuten (303,5 Stunden, ca. 38 Arbeitstage) entstehen. ln dieser Schätzung noch nicht enthalten ist der hinzukommende Zeitaufwand für die bei allen Verfahren durch den Staatsanwalt vozunehmende Prüfung, ob durch eine Auskunftsermittlung der Ermittlungserfolg konkret gefährdet werden würde und eine Beantwortung unter diesem Gesichtspunkt zu verweigern wäre oder sonstige Gründe Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lÐIWlfrÑFtl-Y entgegenstehen. Dieser Zeitauñruand kann seriös nicht geschätzt werden, da der Prüfungsumfang naturgemäß in jedem Einzelfall anders und davon abhängig ist, wie umfangreich und komplex das jeweilige (Ermittlungs-)Verfahren ist. Die Staatsregierung kommt daher bei der vozunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Fragen auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der såchsischen Staatsanwaltschaften nicht zu leisten ist. Zudem ist fraglich, ob sich die für die Beantwortung der Fragen erforderlichen lnformationen vollständig aus den Akten entnehmen lassen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2016-11-04T09:58:02+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes