STAATSM1N1STER1UM DES INNERN kü, .I Freistaat ||p SACH SEIN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 35-0141.50/8524 Dresden, Ja . Februar 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/674 Thema: Unterstützung von Polizeibediensteten mit Gewalterfahrungen und Traumatisierung Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit werden Polizeibedienstete unterstützt, die durch Gewalterfahrungen oder Umstände bei ihrer Arbeit (schwere Missbrauchsfälle, Straftaten an Kindern, Abschiebung von Familien etc.) traumatisiert sind? Bei psychologisch stark belastenden Ereignissen steht den davon betroffenen Beamten das Dezentrale Beratungsteam der Polizei Sachsen zur Verfügung, dem Psychologen, Pädagogen, Polizeiärzte, Seelsorger und hierfür speziell geschulte Polizeivollzugsbeamte angehören. Das Team bietet den Betroffenen strukturierte Einzel- bzw. Gruppengespräche, in denen Hilfe angeboten und ggf. notwendige weitere Schritte gemeinsam abgestimmt werden. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Die individuelle Inanspruchnahme des Dezentralen Beratungsteams steht jedem Bediensteten der sächsischen Polizei offen. Er kann bei Bedarf selbst den Kontakt hersteilen. Ebenso haben Vorgesetzte bzw. den betroffenen Bediensteten nahe stehende Personen die Möglichkeit, mit einem Beratungsteammitglied direkt Kontakt aufzunehmen. Bei bereits vorab absehbar schwerwiegenden dienstlichen Ereignissen ist das Dezentrale Beratungsteam durch die einsatzführende Dienststelle beratend zu konsultieren und ggf. im Rahmen der Fürsorgepflicht für den Einsatz anzufordern. Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck-Str. 2 oder 4 melden. Darüber hinaus steht zur Erstbehandlung von traumatisierten Polizeivollzugsbeamten der Ärztliche Dienst der Polizei zur Verfügung. Falls erforderSTÄÄTSTVI 1N1STER1U1VI DES INNERN Freistaat SACHSEN lieh, werden entsprechende externe Therapien über die Heilfürsorge ermöglicht, damit sich aus einer Traumatisierung kein posttraumatisches Belastungssyndrom entwickelt. Frage 2: Wie viele Polizeipsychologen, Polizeiseelsorger, Ärzte und andere Personen zur Betreuung traumatisierter Polizeibediensteter sind im Freistaat Sachsen mit welchem Stellenanteil tätig und in welchen Haushaltstiteln sind die Kosten dafür eingestellt? Dem Dezentralen Beratungsteam gehören vier Psychologen, zwei Sozialwissenschaftler, ein Polizeiarzt, sieben Polizeipfarrer, zwei Gemeindepfarrer und 20 Polizeivollzugsbeamte und Beschäftigte an. Die Mitglieder des Dezentralen Beratungsteams führen ihre Tätigkeit im Nebenamt durch. Die Kosten für die genannten Bediensteten sind in den entsprechenden Personaltiteln eingestellt. Frage 3: Welche präventiven Konzepte verfolgt die Staatsregierung, um Polizeibedienste-te vor Gewalt zu schützen, insbesondere das Risiko von schweren Verletzungen zu minimieren? Zunächst wird Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte im Lagebild „Gewalt gegen Polizeibeamte im Freistaat Sachsen“ statistisch erfasst und regelmäßig ausgewertet. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Drs.-Nr. 6/673 wird insoweit Bezug genommen. Im Landespräventionsrat Sachsen spielt das Thema „Gewaltprävention“, insbesondere die Bekämpfung häuslicher Gewalt, Sport und Gewalt, Extremismus/Deradikalisierung, Aspekte von Jugendgewalt und Kindeswohl sowie Missbrauchsvorbeugung, eine Rolle. Innerhalb einiger dieser Themen, so z. B. bei Sport und Gewalt sowie Extremismus, stellt Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte einen zu betrachtenden Aspekt dar. „Gewalt gegen Polizeibeamte“ wird dabei in Präventionsveranstaltungen nicht als eigenständiges Thema behandelt, sondern findet im Rahmen des Schwerpunktthemas „Gewalt“, insbesondere bei der Zielgruppe der Jugendlichen, sowie in der Fortbildung der Polizeivollzugsbeamten im Zusammenhang mit dem Thema „Polizeilicher Opferschutz“ Berücksichtigung. Mit dem Ziel, die Rolle der Polizei künftig noch deutlicher im Rahmen einer proaktiven Öffentlichkeitsarbeit zu vermitteln, beabsichtigt die sächsische Polizei, sich künftig über eine „Polizei Sachsen-Fan-Page“ in Facebook zu präsentieren. Zu diesem Zweck wurde das Projekt „DigiPol - Polizei im digitalen Zeitalter“ beim Präsidium der Bereitschaftspolizei eingerichtet. Darüber hinaus wird in Reden, Grußworten und im Rahmen von Debatten mit Bezug zur Inneren Sicherheit seitens des Sächsischen Staatsministeriums des Innern Gewalt gegen Polizisten regelmäßig offensiv angesprochen und entschieden verurteilt. Wesentliche Argumentationspunkte sind dabei: • operative Einsatzmaßnahmen erklären, • mehr Zusammenarbeit mit externen Akteuren wie zum Beispiel Fußballvereinen fordern und Seite 2 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN • Verbindung zu Gewalt gegen andere Sicherheitskräfte, wie zum Beispiel Rettungssanitäter, hersteilen. Damit wird aufgezeigt, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das Offenheit und einen gesamtgesellschaftlichen Präventionsansatz erfordert. In Pressemitteilungen und im medialen Tagesgeschäft wird Gewalt gegen Polizisten ebenfalls offensiv behandelt und soweit vorhanden mit konkreten Zahlen unterlegt. Ziel ist Aufklärung und Sensibilisierung der Medien und der Öffentlichkeit. Im Freistaat Sachsen erfolgt die Umsetzung polizeilicher Präventionsschwerpunkte zudem durch themenspezifisch fortgebildete Polizeibeamte. Dabei wird den jeweiligen Zielgruppen z. B. bei Präventions-/Großveranstaltungen, Referententätigkeit, Vor-Ort-Beratungen, Presseinformationen, Internetpräsentationen auch die Rolle der sächsischen Polizei vermittelt. Mit Bezug auf die Ausstattung von Beamten des Polizeivollzugsdienstes mit persönlicher Schutzausrüstung sowie Führungs- und Einsatzmitteln sind verschiedene bundesweite Gremien, z. B. die Unterarbeitsgruppe Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK), wie auch das Polizeitechnische Institut der Deutschen Hochschule der Polizei (PTI) unter dem Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, befasst. Im Ergebnis einer Arbeitsgruppe des UA FEK wurden beispielsweise Empfehlungen für die Einsatzausstattung und -bekleidung der Bereitschaftspolizeien des Bundes und der Länder erarbeitet. Für Funktionalitätsprüfungen bzw. technische Vorgaben hinsichtlich Einsatz- und Schutzausrüstung der Polizei ist das PTI eingerichtet. Das Sächsische Staatsministerium des Innern orientiert sich grundsätzlich an den resultierenden Empfehlungen für die Ausstattung und beschafft nach vorhandenen Haushaltsmitteln. Damit soll u. a. ein bestmöglicher Schutz der Polizeivollzugsbeamten vor Angriffen erreicht werden. In Abhängigkeit der die Aufgabe der jeweiligen Bediensteten maßgeblich bestimmenden Tätigkeiten werden Art und Umfang der Schutzmaßnahmen durch den Dienstherrn festgelegt. Beispielhaft seien hier biologische Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Schlagschutzwesten und -Protektoren, ballistische Schutzwesten, Helme oder der Einsatzmehrzweckstock angeführt, die den Bediensteten zur Verfügung gestellt werden. Frage 4: Inwiefern werden in Nachbereitung von Gewalterfahrungen und durch stetige Weiterbildungsangebote Stressbewältigungsseminare und konkretes Training zur Konfliktbewältigung angeboten und mit jeweils welcher Resonanz wahrgenommen? Ergänzend zu den in den Antworten auf die Fragen 1 bis 3 dargestellten Maßnahmen werden im Rahmen der Aus- und Fortbildung aktuelle Lageerkenntnisse zum Bereich Gewalt gegen Polizeibedienstete vermittelt und in praktische Handlungstrainings implementiert. Die Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) ist dazu beauftragt, polizeiliche Einsätze und Ereignisse in Sachsen und anderen Bundesländern auszuwerten, die daraus für den Aus- und Fortbildungsprozess gewonnenen Erkenntnisse aufzubereiten und den anderen Bildungsträgern sowie den Dienststellen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sind die Dienststellen gehalten, Ergebnisse eigener Einsatzauswertungen zeitnah in die in ihrer Zuständigkeit liegende dezentrale Fortbildung, insbesondere in das Seite 3 von 5 STAATSM11M1STHR1UM des mmm Freistaat SACHSEIN Polizeitraining, einfließen zu lassen. Das Polizeitraining als maßgeblicher Schwerpunkt der dezentralen Fortbildung, besteht aus dem Training milderer Mittel und dem Schießtraining sowie der Integrierten Fortbildung als ganzheitliches Handlungs- und Verhaltenstraining in den Trainingsstützpunkten der Dienststellen. Insbesondere über die Grund- und regelmäßige Aufbaufortbildung der Polizei-, Einsatz- und Schießtrainer durch die Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) finden die Lageerkenntnisse und die ggf. davon abgeleiteten veränderten Verhaltens- und Handlungsweisen Eingang in das Polizeitraining. Fachtheoretische Zusammenhänge für das Entstehen von Gewalt auf der Basis aktueller Erkenntnisse werden in der Ausbildung an den Polizeifachschulen beim Präsidium der Bereitschaftspolizei sowie an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) unterrichtet. Praktische Handlungen des präventivabwehrenden Vorgehens bei der polizeilichen Eigensicherung werden insbesondere in der Ausbildung systematisch geübt und vertieft. Im Bachelor-Studium werden die Rolle und Verantwortung der Führungskraft besonders in den Modulen „Rechts- und Handlungsgrundlagen schutzpolizeilicher Arbeit“, „Personalführung und Kommunikation“, „Führung und Einsatz in komplexen Lagen“ und „Dienstsport, Schießen, studienbegleitende Trainings, Erwerb von Berechtigungen“ verdeutlicht. Aktuelle Erkenntnisse, besonders aus den Auswertungen der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), fließen zudem auch themen- und zielgruppenbezogen in die zentralen Fortbildungsangebote ein. Es werden z. B. folgende Seminare angeboten und grundsätzlich mit jeweils zwölf Teilnehmern durchgeführt: • Umgang mit Belastungen im polizeilichen Kontext (ca. 3x jährlich), • Verkehrsunfallaufnahme aus psychologischer Sicht (ca. 2x jährlich), • Polizeiliches Konfliktmanagement (ca. 1x jährlich), • Kommunikation als Mittel der Deeskalation (ca. 1 x jährlich). Darüber hinaus gibt es dezentral auch in den Dienststellen entsprechende Angebote. So wurde z. B. im Landeskriminalamt im Januar 2015 durch einen Arbeitspsychologen ein erstes ganzheitliches Stresspräventionstraining für 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Koordinierungsstelle Kinderpornografie, des IT-Ermittlungsservice sowie der Tatortgruppe durchgeführt. In diesen Bereichen geht die Tätigkeit arbeitsbedingt mit einer erhöhten psychischen Belastung einher. In diesem Zusammenhang werden theoretische Grundlagen zum Thema Stress sowie dessen Entstehung und Erscheinungsformen thematisiert. Des Weiteren werden Möglichkeiten zur Vorbeugung und Bewältigung von Stress vorgestellt und praktisch angeleitet. Alle vorgenannten Veranstaltungen finden in den Dienststellen eine hohe Resonanz und werden bedarfsorientiert auch künftig angeboten und durchgeführt. Frage 5: Inwieweit sieht die Staatsregierung Defizite in der psychologischen Beurteilung von Einsatzlagen, bei denen es zu Gewaltanwendungen gegen Polizeibedienstete kommt? Der Polizeivollzugsdienst des Freistaates Sachsen bereitet polizeiliche Einsatzmaßnahmen auf der Basis einer alle sicherheitsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigenden Lagebeurteilung vor und führt die erforderlichen Maßnahmen entsprechend durch. Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Dabei werden u. a. Aspekte der Eigensicherung einbezogen. Die Nachbereitung von Polizeieinsätzen folgt den gleichen Grundsätzen. Darret sind Voraussetzungen geschaffen, Defizite im Sinne der Fragestellung zu vermeiden. Mit freundlichen Grüßen arkus Ulbfe Freistaat SACHSEIN Seite 5 von 5