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DES INNERN

Freistaat

SACtiSETN

Der Staatsminister

SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN
01095 Dresden

Präsidenten des Sächsischen Landtages
Herrn Dr. Matthias Rößler
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden

Aktenzeichen

(bitte bei Antwort angeben)
33-0141.50/10454

Dresden, <f . November 2016^

Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann,
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drs.-Nr.: 6/6757
Thema: Gescheiterte Festnähme eines der Vorbereitung eines

Sprengstoffanschlags Tatverdächtigen am 7./8. Oktober 2016
in Chemnitz

Sehr geehrter Herr Präsident,

namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die
Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1:
Wie stellt sich der konkrete Sachverhalt und der konkrete zeitliche Ablauf
 des gesamten Polizeieinsatzes, einschließlich der jeweils getroffenen
 Maßnahmen, ab dem Zeitpunkt des Hinweises auf die verdächtige
 Person aus Sicht der Staatsregierung dar? (Bitte auch konkrete
 [zeitliche] Angaben hinsichtlich der eingeleiteten polizeilichen
Maßnahmen [Observierung von Person und Wohnung, Vorbereitung
des Zugriffs/Zugangs zur Wohnung, Sichtung des Verdächtigen, Räumung
 welcher Häuser, Zugang zur Wohnung, Sprengung Wohnungstür
, AuffindenA/ernichtung des Sprengstoffs, Fahndung, Verhaftung
weiterer Personen.])

Frage 2:
Welche konkreten Hinweise hatte das Landeskriminalamt wann und
von welcher Behörde zur Gefährdungslage bei dem Einsatz und zur
Gefährlichkeit des Verdächtigen, insbesondere inwieweit war wann
wem bekannt, dass der Verdächtige hochexplosiven Sprengstoff in der
Wohnung aufbewahrte?

Frage 3:
Welche konkreten Maßnahmen wurden im Laufe des Einsatzes zu welchem
 Zeitpunkt zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner sowie
der Polizeibediensteten getroffen?

Hausanschrift:

Sächsisches Staatsministerium

des Innern

Wilhelm-Buck-Str. 2
01097 Dresden

Telefon +49 351 564-0
Telefax+49 351 564-3199
www.smi.sachsen.de

Verkehrsanbindung:
Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien
 3, 6. 7, 8. 13

Besucherparkplätze:
Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck-
Str. 2 oder 4 melden.

Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 3:



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SÄCHSE1N

Die Ausgangshinweise stammten aus dem nachrichtendienstlichen Erkenntnisaufkommen
 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das hierüber im Rahmen der Arbeit
 des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) als gemeinsame Einrichtung
 der Polizeien und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern fortlaufend
berichtete. Die Identifizierung des Verdächtigten erfolgte im Laufe des 7. Oktobers
2016.

Am 7. Oktober 2016, kurz nach 19:00 Uhr, übermittelte der sächsische Vertreter im
GTAZ vorab telefonisch, dass in Auswertung der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse
der in Chemnitz aufhältige Syrer Jaber A. aktuell ein Sprengstoffattentat vorbereitet.
Gegen 20:05 Uhr ging eine entsprechende schriftliche Information des Bundeskriminalamtes
 (BKA) beim Landeskriminalamt Sachsen (LKA) ein.

Nach diesen Informationen hatte Jaber A. im Internet Recherchen zur Herstellung von
Sprengsätzen durchgeführt und sich entsprechende Grundstoffe beschafft. Es musste
davon ausgegangen werden, dass der Sprengsatz möglicherweise in Form einer
Sprengstoffweste kurz vor der Fertigstellung steht oder sogar bereits einsatzbereit ist.

Mit dem Ziel, Jaber A. festzunehmen und damit einen Anschlag zu verhindern, hat das
LKA sofort eine besondere Aufbauorganisation eingerichtet, einen Führungsstab aufgerufen
 und einen Polizeieinsatz ausgelöst. Zugleich bezog das LKA die Staatsanwaltschaft
 Dresden ein, die ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung
 einer schweren staatsgefährdenden Straftat gemäß § 89 a StGB einleitete.

Spezialkräfte des LKA wurden unverzüglich nach Chemnitz verlegt und beauftragt, das
entsprechende Wohngebäude in Chemnitz, in dem sich Jaber A. aufgrund von Hinweisen
 der Nachrichtendienste aufhalten sollte, zu abservieren. Die Maßnahmen am Objekt
 begannen gegen 22:00 Uhr.

Das Gebäude ist ein großes Mehrfamilienhaus mit mehr als 40 Wohneinheiten innerhalb
 einer größeren Plattenbausiedlung. Obwohl es aus den nachrichtendienstlichen
Erkenntnissen Hinweise auf eine bestimmte Wohnung gab, war nicht mit letzter Sicherheit
 klar, in welcher Wohnung sich Jaber A. tatsächlich aufhielt. Für die Einsatzkräfte
am und im Wohnhaus war nicht auszuschließen, dass sich Jaber A. in einer anderen
Wohnung aufhält. Es stand zu befürchten, dass dieser den polizeilichen Einsatz bemerkt
 und den Sprengsatz im Haus zündet. Dies hätte zu unkalkulierbaren Risiken für
die übrigen Hausbewohner geführt. Eine Evakuierung der Hausbewohner kam zu diesem
 Zeitpunkt nicht in Frage, da der Evakuierungslärm bemerkt worden wäre. Letztlich
fiel die Entscheidung, den geplanten Zugriff auf die Wohnung abzubrechen.

In Abwägung der genannten Risiken wurde entschieden, eine Zugriffsvariante außerhalb
 des Gebäudes durchzuführen. Noch während diese vorbereitet wurde, verließ am
Samstag, dem 8. Oktober 2016, kurz nach 07:00 Uhr, eine männliche Person das
Haus.

Diese Person konnte beim Verlassen des Wohnhauses durch die eingesetzten Zugriffskräfte
 nicht eindeutig als Jaber A. identifiziert werden. Nachdem ihn die Einsatzkräfte
 angesprochen hatten, ergriff dieser die Flucht und nutzte dabei die Deckung geparkter
 Fahrzeuge. Den nachsetzenden Beamten gelang es nicht, die Person zu ergreifen
. Mit einem Warnschuss in den Boden wurde vergeblich versucht, ein Stehenbleiben

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zu erzwingen. Eine gezielte Schussabgabe auf die Person war nicht möglich, da sich
unbeteiligte Personen in Schussrichtung befanden und auch nicht mit letzter Sicherheit
feststand, ob der Flüchtende tatsächlich der gesuchte JaberA. war. In diesem Fall wäre
 ein Unschuldiger getroffen worden. Diese schwierige Entscheidung musste in wenigen
 Sekunden getroffen werden.

Nachdem es nicht gelungen war, Jaber A. unmittelbar zu ergreifen, wurden Fahndungsmaßnahmen
 im Wohngebiet eingeleitet. Hierzu wurden neben Einsatzkräften des
LKA auch Kräfte eines Einsatzzuges der Polizeidirektion (PD) Chemnitz, der sich in
räumlicher Nähe befand, sowie Kräfte des Streifendienstes der PD Chemnitz eingebunden
.

Parallel zu den Fahndungsmaßnahmen wurde das Wohngebäude weiter beobachtet.
Gegen 08:00 Uhr betrat eine männliche Person, bei der die Möglichkeit bestand, dass
es JaberA. ist, das Haus. Über die Durchsuchung der potenziellen Tatwohnung hinaus
wurde eine Durchsuchung des gesamten Gebäudes vorbereitet.

Die polizeilichen Maßnahmen waren mittlerweile offensichtlich und wurden nunmehr
offen durchgeführt. Es erfolgte zunächst eine Evakuierung der Bewohner der angrenzenden
 Wohnungen. Anschließend wurde die Wohnung durch Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos
 gestürmt.

In der Wohnung befanden sich keine Personen. Neben Metallteilen, darunter Muttern
und zwei Zündern, wurden in der Wohnung ca. 1,5 Kilogramm sprengstoffverdächtige
Substanzen festgestellt; darunter auch mehrere hundert Gramm in kristalliner Form.
Die von Beginn an am Ereignisort eingesetzten Spezialisten der USBV1-Gruppe der
Bundespolizei schätzten vor Ort ein, dass es sich hierbei um TATP (Triacetontriperoxid
) handeln könnte.

TATP ist hoch explosiv und instabil. Nach Entnähme einer geringen Menge für die
Zwecke der Beweisführung im Strafverfahren wurde der Großteil der Substanz aus
Sicherheitsgründen vor dem Gebäude kontrolliert zur Umsetzung gebracht.

Im Weiteren wurde das gesamte Gebäude schrittweise evakuiert und durchsucht.
Jaber A. wurde nicht festgestellt.

Nach Jaber A. wurde bundesweit eine Alarmfahndung ausgelöst.

Über die Staatsanwaltschaft wurde der Beschluss für eine Öffentlichkeitsfahndung erlangt
. Gegen 14:30 Uhr wurde die Öffentlichkeitsfahndung vom LKA zunächst in
Deutsch, später in Englisch und schließlich nach Beiziehung eines Dolmetschers am
9. Oktober 2016, gegen 20:00 Uhr, auch in Arabisch herausgegeben.

Parallel dazu wurden durch das Social Media Team der sächsischen Polizei auch die
Sozialen Medien Facebook und Twitter bedient.

Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung
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Die Fahndung fand eine besonders schnelle Verbreitung durch die öffentliche Ausstrahlung
 in Funk, Fernsehen und Printmedien sowie insbesondere im Internet bzw.
den sozialen Medien.

Nach der Durchsuchung der Wohnung in Chemnitz am 8. Oktober 2016 und der Sicherstellung
 von ca. 1,5 kg TATP wurde gegen den Wohnungsinhaber Khalil A. ein
Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden
 Gewalttat eingeleitet. Khalil A. konnte am 8. Oktober 2016 am Hauptbahnhof
Chemnitz festgenommen werden. Der Haftbefehl erging auf Antrag der Staatsanwaltschaft
 durch das Amtsgericht Dresden am 9. Oktober 2016. Die Eröffnung des Haftbefehls
 erfolgte gegen 20:00 Uhr.

Am 9. Oktober 2016, gegen 23:45 Uhr, erschien ein Syrer persönlich beim Polizeirevier
Leipzig-Südwest und teilte mit, dass Landsleute des Jaber A. diesen aufgrund der Öffentlichkeitsfahndung
 erkannt hätten und ihn in einer Wohnung im Leipziger Nordosten
festhalten. Die Kommunikation gestaltete sich aufgrund der Sprachbarriere schwierig,
allerdings halfen Bildaufnahmen auf dessen Smartphone bei der Bewertung des Hinweises
.

Parallel dazu rief gegen Mitternacht bzw. kurz danach ein anderer Syrer zweimal über
Notruf im Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Leipzig an, um die Polizei
zur Wohnung, in der Jaber A. festgehalten wurde, zu rufen. Das erste Telefonat gegen
Mitternacht konnte aufgrund der Sprachbarriere nicht bearbeitet werden, da das Anliegen
 des Anrufs nicht erkannt werden konnte.

Zum Zeitpunkt des zweiten Telefonats wenige Minuten nach Mitternacht waren aufgrund
 der Angaben des direkt im Polizeirevier Leipzig Südwest vortragenden Syrers
bereits Maßnahmen eingeleitet, so dass das Anliegen des Anrufers trotz der Verständigungsschwierigkeiten
 nunmehr eingeordnet werden konnte.

Die Leipziger Polizei begab sich vor Ort. Sie konnten letztlich vor dem Eintreffen des
angeforderten Spezialeinsatzkommandos Jaber A. gegen 01:00 Uhr des 10. Oktober
2016 übernehmen, da die Landsteute diesen bereits überwältigt und gefesselt hatten.

JaberA. wurde noch am selben Tag von Ermittlern des LKA vernommen und dem Haftrichter
 in Dresden vorgeführt. Dieser eröffnete Jaber A. den Haftbefehl und ordnete
Untersuchungshaft an.

Frage 4:
Mit wie vielen Polizeikräften, Sondereinsatzkräften und sonstigen Ermittlungshilfen
 zum Auffinden von Sprengstoffwar die Polizei bei den jeweiligen Maßnahmen
nach Ziff. 1 im Einsatz?

Im Zeitraum vom 7. Oktober 2016, 20:00 Uhr, bis zum 10. Oktober 2016, 20:00 Uhr,
wurden insgesamt 911 Polizeikräfte eingesetzt.

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Frage 5:
Inwieweit wurde im Zusammenhang mit den Ermittlungen wo und wann eine
Funkzellenabfrage mit jeweils wie vielen erhobenen Verkehrs-, Bestandsdaten
und Rufnummerninhaber vorgenommen?

Im Zi/^ami^enhang mit den Einsatzmaßnahmen am 7./8. Oktober 2016 in Chemnitz
wurdet keiyie Funkzellenabfrage durchgeführt.

Mit fi lichen Grüßen

Ma'rkus Ulbi.

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