STAATSM1N1STER1UM DES 1N1MERN Freistaat SACtiSEN DerStaatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-0141.50/10494 Dresden, /\f. November 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/6865 Thema: Anwendung von unmittelbarem Zwang zum Vollzug einer Abschiebung Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Aufgrund welcher Rechtsgrundlage können zum Vollzug einer Rückführung Handfesseln angelegt werden? Frage 2: Aufgrund welcher Rechtsgrundlage können zum Vollzug einer Rückführung einem 9-jährigen Handfesseln angelegt werden? Frage 3: Aufgrund welcher Rechtsgrundlage können zum Vollzug einer Rückführung Medikamente zwangsweise verabreicht werden? Frage 4: Welche Zwangsmaßnahmen können zum Vollzug einer Rückführung aufgrund welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Voraussetzungen von wem angeordnet werden? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 4: Die Abschiebung selbst stellt ein spezifisch ausländerrechtliches Zwangsmittel zur Beendigung des Aufenthaltes dar. Gemäß § 58 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist der Ausländer abzuschieben, wenn dieAusreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist. Die Anordnung trifft die Ausländerbehörde. Der unmittelbare Zwang ein- Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax+49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1U1VI DES 1NNER1M Freistaat SACHSEN schließlich der einzelnen "Zwangsmaßnahmen" ist darüber hinaus im Sächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SächsVwVG) §§ 19 ff. und im Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG) §§ 30 ff. hinsichtlich der Voraussetzungen näher geregelt. Danach sind Ijilfemitte^ der körperlichen Gewalt zulässig, wozu insbesondere Fesseln (§ 31 Abs. 2 SächsPolG) zählen. Rechtsgrundlage für die Anlegung von HandfesselrTsind die Vorschriften der §§ 30 Absatz 2, 31 Absatz 2 SächsPolG.'Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (§ 32 SächsPolG). Daran wäre das Anlegen von Handfesseln bei einem 9-jährigen zu messen. \m Rahmen des unmittelbaren Zwangs sind zulässige Wirkstoffe auf den Körper nur Reizstoffe (§ 31 Abs. 2 SächsPolG), nicht die Verabreichung von Medikamenten als "Hilfsmittel" des unmittelbaren Zwangs. Ob im Rahmen einer Vollzugsmaßnahme im Einzelfall aus medizinischen Gründen, insbesondere zur Lebensrettung, Medikamente verabreicht werden dürfen, obliegt der Entscheidung der anwendenden Ärzte. Frage 5: Wie viele Menschen wurden unter Anwendung unmittelbaren Zwangs aus Sachsen abgeschoben? (bitte für die Jahre 2014 bis heute, differenziert nach Geschlecht , Lebensalter, Staatsangehörigkeit, Zielland der Abschiebung und konkreter Zwangsmaßnahme darstellen.) Da die Abschiebung ein spezifisch ausländerrechtliches Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs zur Beendigung des Aufenthaltes darstellt, erfolgen alle Abschiebungen unter Anwendung unmittelbaren Zwangs. Im Jahr 2014 wurden 638 abgelehnte Asylbewerber, im Jahr 2015 940 und im Zeitraum Januar bis September 2016 1.611 abgelehnte Asylbewerber nach § 58 Abs. 1 Aufenth G abgeschoben. Die Angaben für den Monat Oktober 2016 liegen'noch nicht vor. Von einer weiteren Beantwortung seitens der Staatsregierung wird abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz j Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungstreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten , so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb derAntwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Angaben nach der Staatsangehörigkeit und dem Lebensalter wurden und werden statistisch nicht erfasst Der Staatsregierung liegen darüber hinaus differenzierte Angaben nach dem Geschlecht und Angaben zu Abschiebungen nach Zielländern erst für das Jahr 2016 vor. Diese Angaben sind der Anlage zu entnehmen. Seite 2 von 3 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSE1N Zur vollständigen Beantwortung der Frage in Bezug auf die weitergehenden Fragestellungen müssten die in der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) vorliegenden Akten händisch ausgewertet werden. Insgesamt erfolgten in dem abgefragten Zeitraum 3. 181 Abschiebungen. Für diese Personen müsste jeweils die Akte angefordert, darin nach diesen zusätzlich abgefragten Daten gesucht und die Akte wieder weggelegt werden. Hierfür ist pro Person ein Gesamtaufwand für die ZAB von durchschnittlich einer Stunde zu veranschlagen. Hieraus ergibt sich ein Arbeitsaufwand von durchschnittlich 398 Arbeitstagen, d. h. von über 79 Wochen. Im vorliegenden Fall wäre daher durch eine vollständige Beantwortung dieser Frage die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregieryng gefährdet. Nach Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses einer^feits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Zentralen Ausländerbehörd ^ ai^ererseits wurde, auch unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit von der umfassf ^ncj^h Beantwortung abgesehen. feiündlichen Grüßen Anlage Seite 3 von 3 Anlage zu Drs.: 6/6865 Zielland Abschiebungen gesamt darunter männlich darunter weiblich Albanien 622 360 262 Algerien 3 Armenier) Belgien Bulgarien Dänemark Finnland Frankreich 26 20 Ueorgien Guinea-Bissau Indien Italien 43 42 Kosovo 385 223 162 Libanon 0 Malta Marokko 0 Mazedonien 132 72 60 Montenegro Nigeria 0 Norwegen Österreich Pakistan Polen 27 10 17 Portugal RUSS. Föderation Rumänien Schweden Schweiz Serbien 198 110 88 Slowakische Republik Fürkei 'schechische Republik Funesien 76 75 Ungarn 27 26 Vietnam Gesamt 1.611 1 1.004 607 2016-11-21T10:15:51+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes