STAATSMIN1STERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/7048 Thema: Sprengstoffanschlag auf Theaterclub Lokomov in Chemnitz Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie stellt sich der Sachverhalt aus Sicht der Staatsregierung dar? Am 8. November 2016 gegen 02:05 Uhr legten der oder die unbekannten Täter einen Sprengsatz bislang nicht näher bekannter Bauart vor einem Erdgeschossfenster des Kulturzentrums/Lokals „Lokomov" in der Augustusburger Straße 102 in 09126 Chemnitz ab und brachten diesen zur Detonation . Durch die Wucht der Explosion wurde eine 1,50 m x 2,00 m große Scheibe des Lokals herausgesprengt und zerstört. Der Sachschaden wird vom Gebäudeeigentümer derzeit mit ca. 2.500,00 EUR beziffert. Frage 2: Inwieweit wurde ein Ermittlungsverfahren wegen welches Straftatbestandes wann gegen wen eingeleitet? (Bitte auch angeben, ob und welche politische Motivation angenommen wird und inwieweit ein Zusammenhang zum im Lokomov stattfindenden NSU -Theaterprojekt angenommen werden kann.) Am 8. November 2016 wurde durch die Polizeidirektion Chemnitz ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung eingeleitet. Die Ermittlungen wurden noch am 8. November 2016 durch das OAZ übernommen und der Tatvorwurf in Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion geändert. Das Ermittlungsverfahren wurde am 9. November 2016 bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz erfasst. Ein politisch motivierter, insbesondere rechtsmotivierter Hintergrund der Tat kann derzeit weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Ob das „Lokomov " als Angriffssziel ausgewählt wurde wegen der Teilnahme an dem Theaterprojekt „Unentdeckte Nachbarn", welches sich mit dem Nationalso- 7 m1 Freistaat 7 3 SACHSEN, Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-1053/4/34 Dresden, Dezember 2016 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN -71- 1Freistaatz7. 1 SACHSEN .‘ zialistischen Untergrund (NSU) auseinandersetzt, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen . Frage 3: Wie vielen sonstigen Angriffen war das Objekt in den vergangenen Jahren ausgesetzt ? (Bitte auch Tatzeitpunkt, Art der Beschädigung/Störung angeben.) Frage 4: Wie viele Ermittlungsverfahren wegen welcher Straftatbestände wurden wegen der Angriffe nach Ziffer 3. gegen wen wann eingeleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Verfahren Nr. 1 Tatzeit 23.08.2014 Straftatbestand Volksverhetzung gem. § 130 StGB 2 23.08.2014 Beleidigung gern. § 185 StGB 3 23.08.2014 Körperverletzung gern. § 223 StGB 4 23.08.2014 gefährliche Körperverletzung gern. § 224 StGB 5 23.08.2014 Sachbeschädigung gern. § 303 StGB 6 23.08.2014 Körperverletzung gern. § 223 StGB 7 14.12.2014 Nötigung gern. § 240 StGB 8 20.12.2014 Sachbeschädigung gern. § 303 StGB 9 10 02.05.2015 02.05.2015 Sachbeschädigung gern. § 303 StGB ................_. -------_ Beleidigung § gern. 185 StGB 11 18.03.2016 Sachbeschädigung gern. § 303 StGB Die Verfahren Nr. 1, 3, 4 und 5 wurden bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz am 9. Januar 2015 als ein Verfahren erfasst, Das Ermittlungsverfahren wurde gegen zwei Beschuldigte wegen des Vorwurfs der Beleidigung, Körperverletzung, gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung geführt. Das im Zusammenhang stehende Verfahren Nr. 2 wurde bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz am 9. Januar 2015 erfasst und gegen einen der vorgenannten Beschuldigten wegen des Vorwurfs der Beleidigung geführt. Das Verfahren Nr. 2 wurde zum zusammengefassten Verfahren Nr. 1, 3, 4 und 5 hinzuverbunden . Am 22. Juni 2015 wurde gegen die beiden Beschuldigten Anklage beim Seite 2 von 4 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN 77'''' Freistaat '.- SACHSEN-71_., Amtsgericht Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beleidigung und mit Sachbeschädigung erhoben. Mit Urteil vom 27. September 2016 wurden die Beschuldigten wegen dieser sowie weiterer Taten aus einem hinzuverbundenen Verfahren verurteilt. Der eine Beschuldigte erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung. Der andere Beschuldigte erhielt eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Die Verurteilungen sind rechtskräftig. Das Verfahren Nr. 6 wurde bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz am 12. Februar 2015 erfasst. Das Ermittlungsverfahren wurde gegen einen dritten Beschuldigten wegen des Vorwurfs der Körperverletzung geführt. Das Verfahren Nr. 7 wurde bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen einen vierten Beschuldigten wegen des Vorwurfs der Nötigung geführt. Dieses Verfahren wurde aufgrund Sachverhaltsidentität dem Verfahren Nr. 6 hinzuverbunden. Gegen die beiden dort Beschuldigten wurde wegen der Tat vom 14. Dezember 2014 am 17. August 2015 Anklage beim Amtsgericht Chemnitz wegen gemeinschaftlicher versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit versuchter Nötigung erhoben . Der eine Beschuldigte wurde mit Urteil vom 30. November 2015 wegen dieser sowie weiterer hinzuverbundener Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Der andere Beschuldigte wurde am 7. April 2016 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt. Die Verurteilung ist ebenfalls rechtskräftig. Das Verfahren Nr. 8 wurde am 26. März 2015 bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen des Tatvorwurfs der Sachbeschädigung erfasst. Das Verfahren wurde am 27. März 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte. Die Verfahren Nr. 9 und 10 wurden am 24. Juni 2015 bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz als ein Verfahren erfasst. Das Ermittlungsverfahren wurde gegen drei weitere Beschuldigte wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung vom 2. Mai 2015 und gegen einen der Beschuldigten darüber hinaus wegen des Vorwurfs der Beleidigung am 2. Mai 2015 geführt. Mit Verfügung vom 24. Juni 2015 wurde das Verfahren betreffend zwei der Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da diesen eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden konnte. Bezüglich des dritten Beschuldigten erfolgte eine Verweisung auf den Privatklageweg. Das Verfahren Nr. 11 wurde am 9. Mai 2016 bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen des Tatvorwurfs der Sachbeschädigung erfasst. Das Verfahren wurde am 11. Mai 2016 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte. Einer darüber hinausgehenden Beantwortung der Fragen stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikels 51 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) entgegen . Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 15 i. V. m. Artikel 14 Abs. 1 SächsVerf zählt zu den Rechten Dritter im Sinne des Artikel 51 Abs. 2 SächsVerf. Der Nennung der Namen der Beschuldigten, gegen die die genannten Ermittlungsverfahren geführt worden sind, steht im konkreten Fall deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 33 SächsVerf) als besondere Ausprägung des allgemeinen Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Persönlichkeitsrechts entgegen, an das die Sächsische Staatsregierung und der Landtag als unmittelbar geltendes Recht gebunden sind (Artikel 36 SächsVerf). Eine Abwägung der Informationsinteressen des Abgeordneten mit dem Interesse der Beschuldigten an der Geheimhaltung führt zum Vorrang der Geheimhaltung. Das Interesse des Abgeordneten an vollständiger Information ist ein hohes, durch Artikel 51 Abs. 1 SächsVerf verfassungsrechtlich gewährleistetes Gut. Aber auch das Recht des Einzelnen, grundsätzlich über die Bekanntgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, ist ein hohes, verfassungsrechtliches Schutzgut. Dies gilt in besonderem Maße für Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens, da bereits die Einleitung eines solchen Verfahrens für den Ruf und das Ansehen des Beschuldigten von erheblicher Bedeutung sein kann. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der personenbezogenen Daten Beschuldigter kommt im konkreten Fall auch die Bekanntgabe der Namen in nichtöffentlicher Form oder mit entsprechendem Geheimhaltungsvermerk nicht in Betracht. Frage 5: Welche Maßnahmen hat die Polizei bislang getroffen oder geplant zu treffen, um das Objekt und deren Nutzer vor Angriffen zu schützen? Die sjchsehe Polizei führte und führt umfangreiche lageangepasste Einsatzmaßnahmen zum/Schutz des Objektes und deren Nutzern z. B. durch Bestreifungen zu unregelmäßigen Zeiten mit uniformierten und zivilen Kräften im Bereich des Objektes sowie im Stadtteil Chemnitz-Sonnenberg durch. Mit freundliGhen Grüßen ' Markus ubig Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2016-12-06T13:00:08+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes