STAATSMìNISTERIUM DER JUSTIZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalslraße 7 | 01097 Dr68dên Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kteine Anfrage. des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜND- NIS gO/DIE GRUNEN Drs.-Nr.: 617112 Thema: Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer krim inellen Vereinigu ng Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt ,,Vorbemerkung: Die LVZ berichtete am 17. November 2016 über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen Personen aus der Leipziger linken Szene wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche konkreten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts welcher Straftaten wurden gegen wie viele Beschuldigte und unter welchem Aktenzeichen geführt? Den Beschuldigten lag zur Last, sich zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2012 in Leipzig zu einer Vereinigung zusammengeschlossen zu haben, deren Ziel es war, durch wiederholte körperliche Angriffe auf politisch ,,rechts" orientierte Personen im Raum Leipzig ,,nazifreie Räume" zu schaffen. Seite 1 von 5 ilNS+Jffi\t:iry Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)35'1 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E-KLR-3691/'16 Dresden. lÇ. Dezembe¡ 2o1B Ëil r Hlrr tË WANDEL HINTER GITTERN :loo Jehre Gcfängn¡s Weldheim 3(Ð Jahrc såchsische Vollzugsqeschichte Hausanschrlft: Såchslsches Staatsmlnlst€rlum der Justlz Hospitalstraße 7 01 097 Dresden Briefpost Uber Deutsche Posl 01 095 Dresden www,justiz sachsen de/smj Verkehrsvêrbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8,11 Parken und behindertengerechter Zugang iJber Einfahrt Hosp¡talstraße 7 'Zugang fùr slektronisch s¡gnierte sow¡ê f0r verschlüsselto elektronische Dokum €nl6 nur über des Elektronische Gerichts- und V6Nallungspostfechi nåhere lnformationen unt€r wegvp de STAATSMINISTERIUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN fiEI-N¡riNrJrrËJg Durch die Staatsanwaltschaft Dresden war zunächst ein Prüfvorgang und mit Verfügung vom 13. Novembet 2013 ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung unter dem Aktenzeichen 214 Js 53957/13 eingeleitet worden. lm November 2015 wurde das Verfahren, das sich gegen 14 Beschuldigte richtete, durch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Abteilung lll/INES-Dezernate PMK, Aktenzeichen 371 Js 98/15, übernommen. Frage 2: Aus welchen konkreten Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage wurden die Ermittlungsverfahren bei den jeweiligen Beschuldigten eingestellt bzw. von der Verfolgung abgesehen? Mit Verfügung vom 26. Oktober 2016 wurde das Ermittlungsverfahren hinsichtlich aller Beschuldigten nach S 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Ermittlungsmaßnahmen hatten keine tatsächlichen Umstände ergeben, anhand derer mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine Strafbarkeit der Beschuldigten gemäß S 129 SIGB nachgewiesen werden kann. Frage 3: Welche konkreten Maßnahmen nach dem 8. Abschnitt der StPO (Beschlagnahme, Überuvachung, Durchsuchung etc.) wurden wann, gegen wie viele Beschuldigte, aus welchen Gründen und mit welchem Ergebnis angeordnet bzw. durchgeführt? Die Frage wird so verstanden, dass nach Maßnahmen nach dem 1. Buch, 8. Abschnitt, der StPO gefragt wird. Es wurden nach jeweiliger Anordnung durch das Amtsgericht Dresden Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung nach $ 100a StPO, der Verkehrsdatenerhebung nach $ 1009 StPO, der technischen Ermittlung bei Mobilfunkendgeräten nach S 100i StPO und der Observation nach S 163f SIPO durchgeführt. Seite 2 von 5 STAATSMìNìSTERIUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSENw Das Amtsgericht Dresden erließ im Zeitraum vom 6. Dezember 2013 bis zum 12. August 2014 insgesamt 26 Beschlüsse nach $ 100a StPO (21 Erstanordnungen und fünf Verlängerungsanordnungen ). Maßnahmen der Übenruachung der Telekommunikation haben gegenüber neun Beschuldigten stattgefunden. Aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts Dresden vom 11. Dezember 2013 und 28. Februar 2014 wurden hinsichtlich zweier Tathandlungen gemäß $ 1009 StPO Funkzellendaten für die jeweiligen Tatorte erhoben. Ein Abgleich, ob Rufnummern der Beschuldigten in diesen Funkzellen angefallen waren, ergab keine Treffer. Ein weiterer Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 4. April 2014 nach $ 1009 StPO betraf eine VerkehrsdatenabÍrage zu einem Router, welcher gemeinsam mit einer in der Simildenstraße in Leipzig zu Observationszwecken installierten Kamera (Drs.-Nr.: 6/6300) entwendet wurde. Das Diebesgut wurde bisher nicht aufgefunden. Zur Feststellung, welche nicht bekannten Anschlüsse von einem der Beschuldigten genutzt werden, erließ das Amtsgericht Dresden am 22. Januar 2014 einen Beschluss nach $ 100i StPO, welcher in der Folgezeit gegenüber dem Beschuldigten realisiert wurde . Schließlich erließ das Amtsgericht Dresden am 10. Januar 2014bzw. am 11. Februar 2014 gegen sieben der Beschuldigten Observationsbeschlüsse nach S 163f StPO. Gegen vier der Beschuldigten wurden die Beschlüsse im Zeitraum zwischen vom 6. Februar 2014 bis zum 18. Mai 2014 umgesetzt. Frage 4: lnwieweit wurden bzw. werden die in diesem Ermittlungserfahren erlangten Erkenntnisse für andere Verfahren genuEt? Soweit sich aus einem Ermittlungsverfahren Hinweise auf andere Straftaten oder Ermittlungsverfahren ergeben, können diese Erkenntnisse und Hinweise nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entsprechend auch für andere Verfahren genutzt werden. Ob und in welchem Umfang dies auch in Bezug auf das eingestellte Ermittlungsverfahren geschieht, kann bereits aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitgeteilt werden, da Seite 3 von 5 STAATSMINìSTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ÐNÉ¡lffig bei Weitergabe solcher lnformationen der Ermittlungserfolg in anderen Verfahren gefährdet werden könnte. Der Beantwortung der Frage, welche Erkenntnisse für welche anderen Verfahren genutzt wurden bzw. werden, steht insoweit die gesetzliche Vorschrift des $ 477 Absatz2 Satz 1 StPO entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Auskünfte aus Akten zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafuerfahrens entgegenstehen . Dies ist vorliegend der Fall. Nähere Auskünfte zur Verwendung von Erkenntnissen in anderen Ermittlungsverfahren wären für sich genommen oder in der Zusammenschau mit weiteren lnformationsquellen dazu geeignet, dass einzelne Tatverdächtige gegebenenfalls Rückschlüsse auf den derzeitigen Ermittlungsstand ziehen und Beweismittel , die bislang noch nicht gesichert werden konnten, vernichten könnten. Die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfrage würde insoweit den Erfolg der Ermittlungen gefährden oder vereiteln. Die aufgeführten Gründe der Nichtbeantwortung der Frage hindern auch an einer Beantwortung in einer nichtöffentlichen Sitzung des Landtages oder mit entsprechendem Geheimhaltungsvermerk. Staatsschutzsachen dieser Dimension bedllrfen besonderer Zurückhaltung bei der Weitergabe von lnformationen. Auch bei einer unter solchen Umständen erfolgenden Bekanntgabe ist im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit auszuschließen , dass lnformationen zum Ermittlungsverfahren an Personen gelangen, die letztlich ihrerseits aus den veröffentlichten Bezügen und aus ihren sonstigen Kenntnissen auf Tatzusammenhänge sowie Beteiligte schließen können. Diesen könnte dadurch Gelegenheit gegeben werden, möglicherweise in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen d urch Beweisvereitelu ng zuvorzu kom men. Eine Abwägung der lnformationsinteressen des Fragestellers mit dem lnteresse an der Geheimhaltung der Ermittlungsergebnisse geht derzeit zu Lasten des Abgeordneten. Das lnteresse des Abgeordneten an vollständiger lnformation ist ein hohes, durch Art. 51 Abs. I SächsVerf verfassungsrechtlich gewährleistetes Gut. Aber auch das staatliche lnteresse an einer wirkungsvollen Strafverfolgung ist ein hohes, aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitetes verfassungsrechtliches Schutzgut. Bei vollständiger Beantwortung der Frage wäre der Schaden für laufende Ermittlungsverfahren womöglich irreparabel. Das lnformationsinteresse des Abgeordneten ist demgegenüber nicht vollständig zurückgedrängt . Seine Verwirklichung hat lediglich insoweit und so lange zurückzustehen, Seite 4 von 5 STAATSMìNìSTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ilN{¡¡l w wie eine vollständige Beantwortung tatsächlich eine Gefährdung des Ermittlungserfolges zeitigen würde, so lange also, bis die Tatvorwürfe den Beschuldigten erötfnet werden. Frage 5: Wie viele Verkehrs- und Bestandsdaten wurden aufgrund dieses Ermittlungsverfahrens wann erhoben und wann werden diese inwieweit gelöscht bzw. wann sind diese inwieweit gelöscht worden? Nach Auskunft des Polizei wurden im Verlauf der Ermittlung im Ermittlungsverfahren in Umsetzung der Beschlüsse zur Überwachung der Telekommunikation ($ 100a StPO) 56.118 Verkehrsdatensätze und 838 Bestandsdatensätze erhoben. Die Bestandsdaten wurden im Hinblick auf die erforderliche Benachrichtigung geprüft und Daten ausgesondert , die keiner real existierenden Person zugeordnet werden konnten oder bei denen feststand, dass ein registrierter Anschlussinhaber nicht der Nutzer war, der Nutzer aber nicht bekannt gemacht werden konnte. Es verblieben 24Q Betroffene. Bei einigen dieser Betroffenen konnten keine aktuellen Anschriften ermittelt werden. 177 Personen wurden nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens benachrichtigt. Weiterhin fielen bei der Umsetzung der Beschlüsse zur Funkzellenabfrage (g 100g StPO) 68.925 Verkehrsdatensätze an. Die Beschlüsse bezogen sich auf zwei Tatorte; die Datenerhebung erstreckte sich auf Zeiträume von einer Stunde bzw. zwei Stunden. Nach Auskunft der Polizei werden die im Ermittlungsverfahren erlangten Daten bis zum Jahresende 2016 gelöscht sein. Mit freundlichen Grüßen ?7 Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2016-12-16T13:37:12+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes