STAATSMIN1STERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Große Anfrage der AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/8133 Thema: Bekämpfung Links-, Rechtsextremismus und Islamismus Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Große Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche allgemeinen politischen Ansätze verfolgt die sächsische Staatsregierung bislang gegen a. religiösen Extremismus? b. politischen Ausländerextremismus? c. Linksextremismus? d. Rechtsextremismus? Die Sächsische Staatsregierung tritt jeder Form von Extremismus, Gewalt und Terror entschieden entgegen. Sie verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz bestehend aus einer präventiven und einer repressiven Strategie. Die präventive Strategie setzt auf Aufklärung und Information der Bürger des Freistaates Sachsen sowie auf die politisch -argumentative Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut und seinen Propagandisten. Dazu gehört die Unterstützung von Programmen und Projekten der politischen Bildung, der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements. Ziel ist dabei, Bürger aller Altersgruppen und Schichten für die Mitgestaltung eines demokratischen Gemeinwesens zu gewinnen und somit extremistischen Bestrebungen und Erscheinungen den Nährboden zu entziehen. Die repressive Strategie setzt auf die konsequente Verfolgung strafbarer Handlungen mit extremistischer Motivation. Dazu, insbesondere zur frühzeitigen Abwehr und effektiven Aufklärung extremistischer Straftaten, hat die sächsische Polizei ein breit gefächertes Bündel aufeinander abgestimmter und miteinander vernetzter Maßnahmen erarbeitet. Sämtliche Maßnahmen sind an dem Grundsatz ausgerichtet, bei besonders niedriger Einschreit- [' = Freistaat rmic-1 SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/2959 Dresden,a.März 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3,6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN £.3 1Frcistaat Cr • SÄCHSEN , schwelle alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen. Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!" setzt sich zudem das Demokratie -Zentrum Sachsen als Kooperationsverbund staatlicher und nicht -staatlicher Akteure für die Förderung von Demokratie und Vielfalt sowie gegen Formen demokratieund rechtsstaatsfeindlicher, gewaltförmiger Phänomene sowie gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie z. B. Rassismus und Antisemitismus (insbesondere Rechtsextremismus ), politisierte oder vorgeblich politisch bzw. vorgeblich religiös legitimierte Gewalt (gewaltorientierter Islamismus), Hass und politische Radikalisierung sowie gewaltförmige Manifestationen linker Militanz ein. Dies geschieht einerseits über die Intervention , insbesondere die Beratung (Opfer-, Aussteiger-/Deradikalisierungs- und Mobile Beratung) und andererseits über die Prävention (beispielsweise im Bildungsbereich). Ziel ist die Ausgestaltung einer Beratungs-, Informations- und Vernetzungsstruktur in Sachsen, koordiniert und fachlich begleitet durch die Landeskoordinierungsstelle des Demokratie -Zentrums Sachsen. Darüber hinaus wird in Bezug auf das Demokratie- Zentrum Sachsen auf die Antworten der Sächsischen Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.-Nrn. 6/5733, 6/6451 und 6/7129 verwiesen. Frage 2: Zählt die Verfolgung religiös -extremistisch motivierter Straftaten ebenfalls zu den Aufgaben des Operativen Abwehrzentrums (OAZ)? Nein. Frage 3: Welche konkreten Ermittlungserfolge hat das OAZ seit seinem Bestehen vorzuweisen ? (bitte aufschlüsseln nach Kalenderjahren bis einschließlich 2016 und nach den Themengebieten Linksextremismus, Rechtsextremismus, religiöser Extremismus und politischer Ausländerextremismus) Es wird auf die folgenden Tabellen verwiesen. Aufklärungsquoten des OAZ der Jahre nach Phänonnenbereichen: Aufklärungsquote der Jahre: 2013 2014 Phänomenbereich Anzahl EV* Quote in Prozent Anzahl EV Quote in Prozent PMK -rechts- 107 159 davon geklärt 70 65 124 78 davon ungeklärt 37 35 35 22 PMK -links- 17 18 davon geklärt 5 29 8 44 davon ungeklärt 12 71 10 56 Seite 2 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN PMK nicht zuzuordnen 15 20 davon geklärt 7 47 15 75 davon ungeklärt 8 53 5 25 PMK gesamt 139 197 davon geklärt 82 59 147 75 davon ungeklärt 57 41 50 25 kein PMK 133 95 davon geklärt 102 77 71 75 davon ungeklärt 31 23 24 25 EV gesamt 272 292 davon geklärt 184 68 218 75 davon ungeklärt 88 32 74 25 EV = Ermittlungsverfahren Aufklärungsquote der Jahre: 2015 2016 Phänomenbereich Anzahl EV Quote in Prozent Anzahl EV Quote in Prozent PMK -rechts- 208 281 davon geklärt 123 59 153 54 davon ungeklärt 85 41 128 46 PMK -links- 34 77 davon geklärt 8 24 34 44 davon ungeklärt 26 76 43 56 PMK nicht zuzuordnen 27 124 davon geklärt 19 70 83 67 davon ungeklärt 8 30 41 33 PMK gesamt 269 482 davon geklärt 150 56 270 56 davon ungeklärt 119 44 212 44 kein PMK 61 98 Seite 3 von 17 r = Freistaatc' " SACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN davon geklärt 52 85 78 80 davon ungeklärt 9 15 20 20 EV gesamt 330 580 davon geklärt 202 61 348 60 davon ungeklärt 128 39 232 40 Frage 4: Wie viele Fälle sind zum Stichtag 31.12.2016 beim OAZ in Bearbeitung (bitte aufschlüsseln nach Themengebieten Linksextremismus, Rechtsextremismus, religiöser Extremismus und politischer Ausländerextremismus)? Es wird auf die Antwort auf die Frage 2 sowie auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/7684 verwiesen. Frage 5: Hat das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gewonnene Informationen aus den o. g. Bereichen des politischen und religiösen Extremismus an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben und wenn ja, in wie vielen Fällen? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen übermittelt auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes (SächsVSG) - bei Vorliegen - entsprechende Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden. Zur Lageeinschätzung werden darüber hinaus anlassbezogen Informationen über extremistische Bestrebungen, die keine personenbezogenen Daten enthalten, an Polizeidienststellen übermittelt. Darüber hinaus wird von einer Beantwortung seitens der Staatsregierung abgesehen. Gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten , so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt ist. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Im vorliegenden Fall wäre durch eine vollständige Beantwortung die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet. Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. Die Beantwortung der Frage würde die händische Durchsicht eines Großteils der in der Auswertungsabteilung des LfV Sachsen bearbeiteten Akten erfordern. Beispielsweise wurden im Jahr 2016 16.146 Dokumente in diese Akten aufgenommen. Art, Inhalt und Partner möglicher Informationskontakte könnten nur durch eine manuelle Auswertung dieser Dokumente ermittelt werden. Selbst wenn man eine durchschnittliche Sichtungszeit von nur einer Minute pro Aktenstück ansetzt, ergä- Seite 4 von 17 Freistaat SACHSEN STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Freistaat c'm SACHSEN J . be das bei einer regulären 40 -Stunden -Arbeitswoche einen Zeitaufwand von 6,7 Arbeitswochen . Für die anderen Jahrgänge muss von einem vergleichbar hohen Zeitaufwand ausgegangen werden. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Dienststellen andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkungen innerhalb des LfV nicht zu leisten ist. Frage 6: Welche Maßnahmen wurden seitens der Staatsregierung konkret gegen das Anwerben von Asylbewerbern durch den Islamischen Staat oder andere islamistische Gruppierungen in sächsischen Asylunterkünften und Gebetshäusern /Moscheen ergriffen? Die Mitarbeiter und Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und der kommunalen Unterbringungseinrichtungen werden zu Fragen der interkulturellen Kompetenz geschult. Durch regelmäßige Sicherheitsbesprechungen ist zudem insbesondere das Führungs- und Leitungspersonal für die Thematik „Radikalisierung" sensibilisiert. In Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI) und dem Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz führte die Landesdirektion Sachsen am 2. September 2016 eine Veranstaltung zur Information und Sensibilisierung insbesondere der Betreiber von Unterbringungseinrichtungen für Asylbewerber von Land und Kommunen , der Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde sowie der unteren Ausländerbehörden zum Thema „Informationen zur Sicherheitslage und zur frühzeitigen Erkennung von Radikalisierungstendenzen" durch. Ziel dieser Veranstaltung war es, in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Sachsen, dem LfV Sachsen sowie mit im Erkennen psychischer Auffälligkeiten erfahrenen Kräften über die aktuelle Sicherheitslage zu informieren und für eine Erkennung von Verhaltensauffälligkeiten hinsichtlich möglicher Radikalisierung zu sensibilisieren. Weiterhin werden Mitarbeiter in den Unterkünften, Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Sicherheitsdienste und Mitarbeiter in der Verwaltung geschult; sie erhalten Informationen, um Radikalisierungstendenzen sowie bekannte extremistische Literatur etc. zu erkennen und um auf eventuelle Auffälligkeiten und Beobachtungen reagieren zu können. Darüber hinaus werden von der Staatsregierung Aufklärungsmaterialien, z. B. Flyer, zur Verfügung gestellt, welche allen Mitarbeitern in den Einrichtungen zur Verfügung stehen. Zudem gibt es Handlungsanleitungen für die Mitarbeiter in den Unterbringungseinrichtungen , z. B. von der Malteser Werke GmbH, zum Erkennen von Anzeichen extremistischer Verhaltensweisen. Die Informationsbroschüre des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) „Glaube oder Extremismus" ist allen Mitarbeitern in den Unterbringungseinrichtungen zugänglich. Zusätzlich bietet das BAMF seit 2012 eine Beratungsstelle „Radikalisierung" an. Seite 5 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 17. L J . Darüber hinaus führen Betreiber der Unterkünfte und Wachschutzunternehmen vor Ort Kontrollgänge in Unterkünften durch. So können islamistische oder extremistische Auffälligkeiten frühzeitig erkannt werden. In der Regel ist der Zugang von Fremden und insbesondere religiösen Gruppen zu den Gemeinschaftsunterkünften untersagt. Im Zuge seiner in Kürze startenden Beratungs- und Koordinierungsstelle Radikalisierungsprävention wird das Demokratie -Zentrum Sachsen ein Informations-, Sensibilisierungs - und Fortbildungsangebot für Personen zur Verfügung stellen, die in ihrem direkten Arbeitsumfeld Kontakt mit für islamistische Radikalisierung anfälligen Jugendlichen, unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (in der Folge UMA genannt) oder bereits volljährigen Asylsuchenden mit und ohne muslimischen Glauben haben. Dies können beispielsweise Sozialarbeiter/ -innen sowie andere haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter / -innen in Einrichtungen (Erstaufnahmeeinrichtungen, UMA-Wohngruppen u. Ä.), Vormunde der UMA, Fachpersonal der Kinder- und Jugendhilfe, Mitarbeiter/ -innen in Behörden, wie dem Jugendamt, Bewährungshelfer/ -innen, Sozialarbeiter/ -innen im Bereich der freien Straffälligenhilfe, der Kommunalverwaltung und den Arbeitsagenturen sowie nicht zuletzt haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/ -innen von muslimischen Organisationen sein. Vorrangiges Ziel ist dabei die Sensibilisierung und Fortbildung dieser Personen sowie darauf aufbauend die Stärkung ihrer Handlungskompetenz im Umgang mit dem Themenfeld Islam und dem Phänomenbereich islamistische Radikalisierung. Frage 7: In wie vielen Fällen wurde die Staatsregierung vom LfV und weiteren Informationsquellen davon unterrichtet, dass Asylbewerber auf Auslands- oder Urlaubsreisen radikalisiert oder für den IS angeworben wurden? (Bitte aufschlüsseln nach Ländern, in denen sich die betreffenden Asylbewerber aufgehalten haben) Hierzu liegen der Staatsregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Frage 8: Wie viele Schüler an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Sachsen sind muslimischen Glaubens? (Bitte aufschlüsseln nach Herkunftsländern sowie Sunniten und Schliten) Frage 9: Wie viele dieser Schüler sind nach Erkenntnis bzw. Schätzung der Staatsregierung islamistisch eingestellt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 8 und 9: Gemäß § 3 Abs. 9 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz werden an sächsischen Schulen keine Daten über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit , Gesundheit oder Sexualleben erhoben. Daher liegen der Staatsregierung keine Angaben zu den Fragen 8 und 9 vor. Frage 10: Hat die Staatsregierung Kenntnis von islamistischen Aktivitäten an allgemeinund berufsbildenden Schulen in Sachsen und wenn ja, in wie vielen Fällen? Seite 6 von 17 Freistaat SACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frcistaat ` 7 SACHSEN Der Staatsregierung sind bis zum jetzigen Zeitpunkt vier Vorkommnisse bekannt. Darunter ist ein Fall, in dem eine Schülerin von einem Mitschüler zur Mitwirkung im IS angesprochen wurde. Bei den anderen drei Fällen wird ein islamistischer Hintergrund vermutet. Alle vier Ereignisse wurden von den Schulen als besonderes Vorkommnis gemeldet. Frage 11: Was unternimmt die Staatsregierung, damit sich Schüler in Sachsen nicht islamistisch radikalisieren? Frage 13: Was unternimmt die Staatsregierung, damit sich Schüler in Sachsen nicht links-, rechtsextremistisch oder im Sinne eines politischen Ausländerextremismus radikalisieren ? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 11 und 13: Die Gesellschaft wird durch die Migrationseinflüsse verändert und weist ein hohes Maß an religiös -weltanschaulicher, politischer und kultureller Pluralität auf. Vor allem in der Schule verbringen junge Menschen mit unterschiedlichen Prägungen, kulturellen und religiös -weltanschaulichen Hintergründen viel Zeit miteinander. Insofern ist Pluralität eine für unsere Gegenwart unausweichliche Gegebenheit und eine Herausforderung für Schulpraxis, Bildungspolitik und Pädagogik. Damit wird der Schule eine besondere Aufgabe zuteil. Sie soll die Heranwachsenden zu einem Leben in einer pluralistischen Gesellschaft befähigen und den toleranten Umgang mit Andersdenkenden zu einer selbstverständlichen Handlungsmaxime werden lassen. Vor dem Hintergrund der Veränderungsprozesse ist es eine wichtige Aufgabe des Bildungswesens und der Schule, Heranwachsende zu befähigen, die vielfältigen — z. T. auch widersprüchlichen — Entwicklungen in allen Lebensbereichen wahr- und anzunehmen sowie andere Lebensauffassungen und Lebenswege anzuerkennen. Das bedeutet, mit Unterschieden und Verschiedenheiten leben zu lernen und diese als Chance zur Horizonterweiterung und Bereicherung für das eigene Leben anzunehmen. Menschen mit einer hohen Toleranz sind auch in neuen, von der gewohnten Normalität abweichenden Situationen fähig, auf diese adäquat zu reagieren und zu handeln. Dabei ist der normative Rahmen mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unserer Verfassung gesteckt. In Sachsen wird der politischen Bildung hohes Gewicht beigemessen. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) hat im Januar 2017 ein Expertengremium berufen mit der Zielsetzung, die politische Bildung und Demokratieerziehung an Sachsens Schulen zu stärken und Schulen zu unterstützen. Die sächsischen Lehrpläne aller Schularten zielen grundsätzlich darauf ab, die Schüler ihren Bedürfnissen und Begabungen angemessen zu einem selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Leben zu befähigen. Diese Zielsetzung beinhaltet die Fähigkeit und Bereitschaft, humane und rationale Überzeugungen zu vertreten und die freiheitliche demokratische Grundordnung mitzugestalten. Seite 7 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 77111 11 Insbesondere der Unterricht in den Fächern Geschichte, Ethik und Gemeinschaftskunde /Rechtserziehung bzw. Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft und die Themen im gesellschaftswissenschaftlichen Profil des Gymnasiums dienen der Ausformung politischer Bildung. So wird es den Schülern in verschiedenen Klassenstufen ermöglicht, mit jeweils entsprechendem Anforderungsniveau kritisch verschiedene „Orientierungsmuster, fragwürdige Traditionslinien sowie gelungene und gescheiterte Lebens- und Gesellschaftsentwürfe" zu überprüfen. Die Beurteilungskriterien leiten sich von den Wertsetzungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. Vor diesem Hintergrund erwerben die Schüler Kenntnisse und Urteilsfähigkeit zur Thematik „Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus". Auch wenn der Begriff „Politischer Ausländerextremismus" nicht in den Lehrplänen erwähnt wird, bieten alle gesellschaftswissenschaftlichen Fächer genügend Ansatzpunkte, die mit dem Begriff implizierten Themen aufzugreifen. Die konkrete unterrichtliche Umsetzung, die Gewichtung und Differenzierung der Themen liegen in der pädagogischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler das Verständnis für zeittypische Bedingungen und für Veränderungsprozesse auf der Grundlage historischen Wissens und Fähigkeit, begründete Urteile über historische Sachverhalte zu bilden, entwickeln. Weiterhin sollen sie Einsicht in die Bedeutung von Geschichte für die eigene Lebenswelt gewinnen und die Fähigkeit und Bereitschaft entwickeln, humane und rationale Überzeugungen zu vertreten und die freiheitliche demokratische Grundordnung mitzugestalten. Die strukturierte Integration von Schülern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Regelklassen auf der Grundlage der Sächsischen Konzeption zur Integration von Migranten trägt maßgeblich zum Kenntniszuwachs und zur Akzeptanz der bestehenden kulturellen Unterschiede bei und bildet eine wesentliche Voraussetzung für die dauerhafte gesellschaftliche Eingliederung von Migranten. Das Sächsische Bildungsinstitut (SBI) unterstützt die Lehrkräfte mit Fortbildungen, die Ziele im Sinne der Extremismusprävention verfolgen. Hervorzuheben sind dabei Veranstaltungen zu den Themen Islam und Islamismus, Salafismus, dem Phänomen „Islamischer Staat", Chancen und Probleme der Integration von Schülern mit muslimischem Migrationshintergrund in sächsischen Schulen, aber auch zu Fragen der Prävention bei rechtsextremistischen Tendenzen. Die Themen werden darüber hinaus in fachbezogenen Veranstaltungen im Zusammenhang mit spezifischen Inhalten sächsischer Lehrpläne aufgegriffen. Das SBI stellt auch eine Auswahl themenrelevanter, digitaler Unterrichtsmedien über das Mediendistributionssystem MeSax jeder Schule in Sachsen zur Verfügung. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung bietet für alle Einwohner des Freistaates kostenfrei Publikationen zu den Themen Islam, Islamismus, Dschihadismus , „Islamischer Staat" und Länder des Nahen Ostens an. Hinzu kommen Publikationen und Veranstaltungen über die politische Ordnung in Deutschland, das Wertesystem des Grundgesetzes und das Verhältnis zwischen Religion und Staat, aber auch zu Antisemitismus und politisch motivierter Gewalt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl regionaler bzw. lokaler Ansätze mit Unterstützung der Staatsregierung. Exemplarisch werden folgende weitere Maßnahmen aufgezeigt: Seite 8 von 17 Freistaat SACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN mak» e m • Im Bereich der Regionalstelle Bautzen der Sächsischen Bildungsagentur ist das Präventionsnetzwerk „PiT-Ostsachsen" (PiT - Prävention im Team) tätig. • Die Staatsregierung unterstützt die Aktivitäten des Netzwerks für Demokratie und Courage (NDC) bei der Würdigung von Einzelschulen mit der Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". • Sensibilisierung von Betreuungslehrkräften und Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache , u. a. mit Weitergabe von Flyern z. B. „Islamistische Radikalisierung unter Flüchtlingen erkennen" (SMI) oder „Muslimische Schülerinnen und Schüler in Sachsen " (SMK). Das Demokratie -Zentrum Sachsen bietet mit dem Angebot der Schulberatung des Trägervereins Courage — Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V. zudem Unterstützung , Beratung und Begleitung für Schulen und Jugendeinrichtungen bei der Prävention gegen menschenverachtende Einstellungen, bei der Bewältigung von Herausforderungen und bei der Entwicklung einer Gesamtstrategie zum Umgang mit den Themenfeldern Neonazismus, Rassismus und Diskriminierung an. Dabei können sich alle Akteure im System Schule, das heißt Schulleitungen, Lehrkräfte, Sozialarbeiter/- innen, Angestellte des Schuljugendclubs, Schüler/ -innen und Jugendgruppen, an die Mobile Beratung der Courage — Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V. wenden . Im Übrigen wird auf die Antwort auf die Frage 6 verwiesen. Die dort genannten Informations -, Sensibilisierungs- und Fortbildungsangebote des Demokratie -Zentrums Sachsen richten sich auch an Lehrer/ -innen, Schulleitungen und Schulsozialarbeiter/- innen aller staatlichen und nicht -staatlichen Schulen im Freistaat Sachsen. Frage 12: Wie viele Schüler in Sachsen sind nach Erkenntnis bzw. Schätzung der Staatsregierung politisch extremistisch eingestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Linksextremismus , Rechtsextremismus und politischem Ausländerextremismus) Zu politisch extremistischen Einstellungen von Schülern kann keine belastbare Aussage bzw. Schätzung abgegeben werden. Es wird auf die Antwort auf die Frage 9 verwiesen . Frage 14: Von welchen islamistischen Aktivitäten (Demonstrationen, Koranverteilungsaktionen , Kundgebungen, Versammlungen u. ä.) hat die Staatsregierung im Kalenderjahr 2016 Kenntnis erlangt? (Datum, Veranstaltungsort, Veranstalter, Anzahl der Teilnehmenden etc.) Von April bis Oktober 2016 wurden in der Leipziger Innenstadt im Rahmen der salafistischen Aktion „Lies!" Koranverteilungen durchgeführt. Die Aktionen fanden spontan und ohne behördliche Genehmigung statt. Verantwortlich dafür war die Vereinigung „Die wahre Religion" , welche durch den Bundesminister des Innern im November 2016 verboten wurde, da sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Seite 9 von 17 Freistaat SACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN 777 ', Freistaat c-m -eSACHSEN Ergänzend wird auf die Antworten der Sächsischen Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.-Nrn. 6/8492 und 6/8600 verwiesen. Belastbare Erkenntnisse über Teilnehmerzahlen zu diesen Veranstaltungen liegen der Staatsregierung nicht vor. Frage 15: Wie viele Personen in Sachsen sind nach Erkenntnissen der Staatsregierung zum Stichtag 31.12.2016 der islamistischen Szene in Sachsen zuzurechnen und aus welchen Herkunftsländern stammen sie jeweils? Das islamistische Personenpotenzial beläuft sich im Freistaat Sachsen auf ca. 350 Personen. Aussagekräftige Angaben zu den jeweiligen Herkunftsländern dieser Personen sind nicht möglich, da dies nicht in jedem einzelnen Fall bekannt ist oder tatsächlich feststeht. Der überwiegende Teil stammt aus den Maghreb-Staaten, aus dem Irak, aus Afghanistan und Syrien bzw. ist nordkaukasischer Volkszugehörigkeit. Frage 16: Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bislang —insbesondere im Personalauswahlverfahren — ergriffen, um zu verhindern, dass politisch- oder religiösextremistisch gesinnte Personen Bedienstete des Landesamtes für Verfassungsschutz , des Landeskriminalamtes oder sonstiger Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden werden? Wenn die Einstellung eines Bewerbers konkret beabsichtigt ist, wird der Bewerber aufgefordert , bei der zuständigen Meldebehörde ein polizeiliches Führungszeugnis zur Vorlage bei der Einstellungsbehörde zu beantragen. Zudem hat der zur Einstellung vorgesehene Bewerber eine schriftliche Erklärung über etwa anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder anhängige Strafverfahren, Disziplinarmaßnahmen und anhängige Disziplinarverfahren sowie über vergleichbare ausländische Verfahren sowie Maßnahmen abzugeben. Bewerber, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Sächs- SÜG) betraut werden sollen, werden einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz darf in ein Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Entsprechende Vorgaben bestehen nach § 9 Nr. 2 Deutsches Richtergesetz für Richter und nach § 3 Abs. 1 S. 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder für Beschäftigte. Dementsprechend erfolgt bei der Einstellung eine Belehrung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst. Hierzu muss von den Bewerbern eine entsprechende Erklärung abgegeben werden. Bei Vorstellungsgesprächen wird auf Anzeichen für eine etwaige extremistische Einstellung geachtet; u. U. erfolgen hierzu ausdrückliche Nachfragen, eine Auswertung der Arbeitszeugnisse sowie Internetrecherchen. Bei Mitarbeitern der Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz (LIT) finden in den gesetzlich vorgesehenen Fällen Sicherheitsüberprüfungen statt, die vom für die LIT bestellten Geheinnschutzbeauftragten unter Beteiligung des LfV Sachsen vorgenommen werden, sofern in relevanten Bereichen Aufgaben übertragen werden sollen. Sofern sich dabei sicherheitsrelevante Probleme ergeben, werden organisatorische Maßnahmen zur Um- Seite 10 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 7,..M Freistaat SACHSEN setzung der gesetzlichen Maßgaben ergriffen. Im Übrigen erstreckt sich die Ausübung der Dienstaufsicht auf etwaige Verletzungen von Pflichten aus dem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis . Darüber hinaus ist für Personen, die beim LfV Sachsen tätig werden sollen, gemäß § 10 Nr. 4 des Sächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SächsSÜG) eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) durchzuführen. Frage 17: Wurden in der Vergangenheit bereits Bedienstete des Landesamtes für Verfassungsschutz , des Landeskriminalamtes oder sonstiger Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden als politische oder religiöse Extremisten erkannt bzw. enttarnt und wenn ja, in wie vielen Fällen? Vorbemerkung: Für die Beantwortung der Frage wurden die vergangenen drei Jahre berücksichtigt. Seit 2014 gab es keinen Sachverhalt im Sinne der Fragestellung. Unbenommen davon werden derzeit sieben Disziplinarverfahren im Bereich der sächsischen Polizei durchgeführt, bei denen auch Anhaltspunkte für mögliche politisch extremistische Verhaltensweisen bestehen. Eine abschließende Einschätzung kann insoweit noch nicht getroffen werden. Frage 18: Welche Erkenntnisse besitzt die Staatsregierung über die Methoden der Nachwuchsgewinnung in links- oder rechtsextremistischen Kreisen in Sachsen? Die Art und Weise, wie sich Extremisten Jugendlichen nähern, und sie — oft in einer Phase der altersbedingten Orientierungssuche — ausnutzen, ähnelt sich in allen Bereichen des politischen Extremismus. Zu den entsprechenden Strategien wird auf den Beitrag „Phänomenübergreifende Betrachtungen — Jugendliche im Fokus von Extremisten " im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2014, Seiten 246 ff, verwiesen. Die Jugendorganisation der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands", die „Jungen Nationaldemokraten" (JN), setzte ihre im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2014 beschriebenen Aktivitäten u. a. mit der Verteilung einer zweiten Ausgabe der Schülerzeitschrift „PLATZHIRSCH" im Jahr 2016 fort. Die Verteilung erfolgte vom 1. bis 3. Juni 2016 an und in verschiedenen sächsischen Bildungseinrichtungen. Betroffen waren Einrichtungen in Döbeln, Roßwein, Chemnitz, Pirna, Heidenau, Dresden und Leipzig. Das LfV Sachsen hatte im Vorfeld die Sächsische Bildungsagentur über die geplanten Aktionen informiert. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Jahr 2014 und der erfolgten Vorabinformation über die Sächsische Bildungsagentur reagierten die Verantwortlichen umgehend und entfernten die ausgelegten Exemplare. Durch die JN wurden die Aktionen erneut in den sozialen Medien dokumentiert. Ein vergleichbares Medienecho wie im Jahr 2014 blieb den JN jedoch diesmal verwehrt. Jugendliche und junge Erwachsene gehören auch zur Zielgruppe der „Identitären Bewegung Deutschland" (IB). Die IB hat sich von einem zunächst rein virtuellen Phänomen hin zu einer aktionistisch geprägten Organisation mit regelmäßigen aktuellen, öf- Seite 11 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 2'r Freistaat SACHSEN fentlichkeitswirksamen Auftritten gewandelt. Dabei knüpft die IB mit ihren Aktionen sowie ihren Auftritten in den sozialen Medien bewusst an die Lebenswelten von erlebnisorientierten , internetaffinen jungen Menschen an. Da die IB sich nicht mit den üblichen rechtsextremistischen Slogans und Symbolen inszeniert, ist deren ideologische Ausrichtung nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Daher besteht die Gefahr, dass die IB auch Bevölkerungsschichten anspricht, die traditionelle Rechtsextremisten bislang nicht erreichten. Eine wesentliche Methode der Nachwuchsgewinnung im Linksextremismus ist die Anwendung einer Bündnisstrategie, die über die eigene Klientel hinausgeht. Im Jahr 2016 betrieben vor allem die postautonomen Gruppen „Prisma" und „The future is unwritten" in Leipzig eine solche Strategie. Im Gegensatz zu den Autonomen herkömmlicher Prägung präsentieren sich „Postautonome" in der Öffentlichkeit ziviler und moderater und streben eine Zusammenarbeit in Bündnissen an, denen auch andere linksextremistische Gruppen, aber auch Nichtextremisten angehören. Sie sprechen sich für die Beibehaltung militanter Konzepte aus, legen allerdings Wert auf deren Vermittelbarkeit außerhalb der eigenen Klientel. Das strategische Ziel der Linksextremisten besteht darin , innerhalb dieser Bündnisse das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu ändern sowie die inhaltliche Ausrichtung und politische Zielstellung eines Bündnisses zu bestimmen. Mittels dieser Bündnisstrategie wollen sie extremistischen Positionen Normalität verleihen und die Akzeptanz ihrer politischen Ziele fördern. Das ermöglicht ihnen, Bündnispartner von ihren politischen Positionen zu überzeugen und Teile von diesen in linksextremistische Strukturen zu integrieren. Im Wesentlichen bieten sich die Themenfelder „Antifaschismus" und „Gentrifizierung" für Bündnisse mit Nichtextremisten an. Diese ermöglichen es Linksextremisten, auch Nachwuchs außerhalb der eigenen Klientel zu rekrutieren. Eine weitere Form der Nachwuchsgewinnung ist die Beteiligung linksextremistischer Gruppen an den „kritischen Einführungswochen" der Universität Leipzig. Diese „kritischen Einführungswochen" sind ein Veranstaltungsangebot für Erstsemester, bevor die akademischen Vorlesungen an der Universität beginnen. Die Veranstaltungen umfassen eine ganze Reihe von Vorträgen und Diskussionsrunden zu aktuellen Fragen der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Linksextremisten nutzen die Freiheit der Wissenschaft , um ihre (linksextremistischen) Positionen zu aktuellen gesellschaftlichen Prozessen zu vermitteln. Interessenten können dann beispielsweise über offene Plenen dieser Organisation schrittweise an diese herangeführt und schließlich integriert werden . Die Mitgliederwerbung der trotzkistischen Jugendorganisation „Revolution Leipzig" ist auf die Zielgruppe der Schüler zugeschnitten. So warb diese Gruppierung im Jahr 2016 mit Flyern massiv unter Schülern und im unmittelbaren Umfeld von Schulen für die Teilnahme an einem Sommercamp unter dem Motto „Revolutionärer Marxismus — Revolution Camp". Schülerwerbung und Mitgliedergewinnung sind zentrale strategische Elemente dieser linksextremistischen Jugendorganisation. Sie bilden die Voraussetzung für die Installierung trotzkistischer Strukturen innerhalb der Schulen, um dort politischen Einfluss zu nehmen. Im trotzkistischen „Programm einer revolutionären Organisation " ist die Notwendigkeit, Einfluss auf die Bildung und das Weltbild von Kindern und Jugendlichen zu nehmen, verankert. Dieser Einfluss soll durch (trotzkistische) Schülerräte umgesetzt werden. Dadurch könne ein Teil der Existenzbasis direkt angegriffen Seite 12 von 17 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN L t7 je j . werden — die Entscheidungshoheit über den ideologischen und wissenschaftlichen Inhalt von Bildung. Insgesamt ermöglichen soziale Medien allen extremistischen Gruppierungen eine weitaus größere Reichweite, eine schnellere Erreichbarkeit potenzieller Nutzer sowie einen interaktiven Austausch zwischen Anbieter und Nutzer. Insofern ist die Bedeutung gerade von Plattformen wie Facebook, Youtube, Twitter usw. im Vergleich zu klassischen Homepages in den letzten Jahren gestiegen. Frage 19: Welche Erkenntnisse besitzt die Staatsregierung über die Methoden der Nachwuchsgewinnung in religiös -extremistischen Kreisen in Sachsen? Nachwuchsgewinnung in religiös -extremistischen Kreisen findet einerseits unter dem Dach von Moscheegemeinden statt. So kann z. B. Koran- oder Sprachunterricht dazu genutzt werden, Kinder und Jugendliche zu indoktrinieren und sie von ihrer „unislamischen Umwelt" abzugrenzen. Andererseits nutzen Extremisten soziale Medien, mit denen sie besonders Jugendliche gut erreichen. Dabei verläuft deren Radikalisierung sehr individuell. Sie ist das Ergebnis aus einer Mischung von sozialen und ideologischen Einflussfaktoren. Infolge einer altersbedingten, oft durch familiäre Konstellationen verstärkten Orientierungslosigkeit erfolgt die Suche nach Werten, echter Gemeinschaft und vermeintlicher „Gerechtigkeit ". So kann z. B. die Beteiligung an der salafistischen „Lies!" -Kampagne ein idealer Nährboden für eine weitere Radikalisierung sein. Die häufig jugendlichen Mitglieder von „Lies!" -Gruppen empfinden ihr salafistisches Engagement als persönliche Aufwertung. Ihnen wird ein Gefühl von Stärke, Geborgenheit und Identität in einer nicht -islamischen Umwelt vermittelt. Zudem bedient die offensive Form salafistischer Missionierung das jugendtypische Bedürfnis nach Protest und Provokation. Der Weg in den „Dschihadismus " erfolgt über das persönliche Umfeld (Freundschaften oder Cliquen, islamistische Akteure in Moscheen oder islamische Organisationen) und vor allem über das Internet. Oft verhilft das Internet zu einem ersten Einstieg in die Szene und zur Kontaktaufnahme mit Gleichgesinnten über mobile Apps und soziale Netzwerke. Frage 20: Was unternimmt die Staatsregierung, um solche Einzelpersonen wieder für die Demokratie zurückzugewinnen, die in links- oder rechtsextremistische Kreise abgeglitten sind? Frage 21: Was unternimmt die Staatsregierung, um solche Einzelpersonen wieder für die Demokratie zurückzugewinnen, die in religiös -extremistische Kreise abgeglitten sind? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 20 und 21: Seite 13 von 17 Freistaat SACHSEN STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN ,‘NTr•_;" Das Demokratie -Zentrum Sachsen versucht mithilfe des Aussteigerprogramms Sachsen (APro — vvww.steig-aus.de) solche Einzelpersonen, die in extremistische Kreise — ganz gleich welcher Form — abgeglitten sind, wieder für die Demokratie zu gewinnen, sie zu einem Ausstieg aus dem extremistischen Milieu zu bewegen und sie in die demokratische Gesellschaft zu reintegrieren. Dieses Angebot richtet sich insbesondere an Personen, die sich aus politisch -extremistischen Gruppen bzw. Szenen lösen wollen. Mithilfe der in Kürze startenden Beratungs- und Koordinierungsstelle Radikalisierungsprävention unter dem Dach des Demokratie -Zentrums Sachsen wird ein Beratungsangebot für Personen aus dem salafistischen oder dschihadistischen Milieu geschaffen. Dieses Angebot richtet sich zum einen an die Angehörigen einer sich in der Radikalisierung befindlichen Person (Angehörigenberatung), zum anderen an sich radikalisierende oder bereits radikalisierte Personen (Deradikalisierungsberatung) sowie an ausstiegswillige Radikalisierte (Aussteigs- und Distanzierungsberatung). Im Übrigen wird auf die Antworten der Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.- Nrn. 6/167, 6/4622, 6/5188, 6/5481, 6/6215, 6/6768, 6/7129 und 6/8447 verwiesen. Frage 22: Mit welchen Organisationen, Vereinen, Verbänden, und Initiativen arbeitet die Staatsregierung zur Bekämpfung des politischen Extremismus zusammen bzw. fördert sie finanziell, materiell oder ideell? (Bitte aufschlüsseln nach Linksextremismus , Rechtsextremismus und politischen Ausländerextremismus) Zur Bekämpfung des politischen Extremismus, insbesondere Links- und Rechtsextremismus , arbeitet das Demokratie -Zentrum Sachsen in erster Linie mit zivilgesellschaftlichen Trägern zusammen. In Bezug auf die Träger im Bereich des Rechtsextremismus und ihre Finanzierung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!" und den Freistaat Sachsen wird auf die Antworten der Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.-Nrn. 6/5154 und 6/6451 verwiesen. Zwei Träger im Beratungsnetzwerk des Demokratie -Zentrums Sachsen, das Institut für Beratung, Begleitung und Bildung e. V. sowie das Aussteigerprogramm Sachsen, setzen sich dabei auch gegen gewaltförmige Manifestationen linker Militanz ein. Darüber hinaus wird auf die zusammenfassende Antwort auf die Fragen 21 und 22 verwiesen. Frage 23: Mit welchen Organisationen, Vereinen, Verbänden, und Initiativen arbeitet die Staatsregierung zur Bekämpfung des religiösen Extremismus zusammen bzw. fördert sie finanziell, materiell oder ideell? Für die Beantwortung wird bezüglich des Aussteigerprogramms Sachsen auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 5/11413, das Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen (Vf. 69-1-13) sowie auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/4833 verwiesen. Seite 14 von 17 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat +.(1— S A C H S E N Darüber hinaus wird auf die Antwort der Sächsischen Staatsregierung auf die Fragen 1.5.1 und 1.5.2 der Großen Anfrage Drs.-Nr. 6/6532 verwiesen. Eine Einteilung der Organisationen nach Phänomenbereichen erfolgt nicht. Eine Übermittlung im Rahmen der Bundesprogramme „Demokratie leben" (Programmbereich „Lokale Partnerschaften für Demokratie") und „Zusammenhalt durch Teilhabe" auch durch den Freistaat Sachsen geförderten Träger kann für das Kalenderjahr 2017 gegenwärtig nicht erfolgen, da noch keine abschließenden Förderentscheidungen getroffen wurden. Zur Bekämpfung des religiös begründeten Extremismus, hier Salafismus und Dschihadismus , arbeitet die Beratungs- und Koordinierungsstelle Radikalisierungsprävention unter dem Dach des Demokratie -Zentrums Sachsen mit dem Violence Prevention Network e. V. sowie mit dem Aussteigerprogramm Sachsen zusammen. Im Rahmen eines Landes -Modellvorhabens erhalten beide Träger dabei eine finanzielle Förderung über das Bundesprogramm „Demokratie leben!" (inklusive Landesmittel). Außerdem arbeitet die sächsische Polizei im Rahmen der Fortbildungsangebote zur Prävention des Extremismus mit externen Präventionspartnern (z. B. Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e. V., Kulturbüro Sachsen e. V.) zusammen. Frage 24: Gibt es in Sachsen nach Erkenntnissen der Staatsregierung religiösen Extremismus , der nicht islamistischer Natur ist und wenn ja, welcher Art ist er jeweils und wie viele Personen stehen ihm jeweils nahe? Nein. Frage 25: Bei welchen Sachverständigen/Experten hat die Staatsregierung in den Kalenderjahren 2014, 2015 und 2016 in welcher Häufigkeit jeweils externen Rat eingeholt bzw. Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel der Bekämpfung a. des Rechtsextremismus? b. des politischen Ausländerextremismus? c. des Linksextremismus? d. des religiösen Extremismus? Die Staatskanzlei hat am 9. Januar 2016 ein Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel der Bekämpfung des Rechtsextremismus, des politischen Ausländerextremismus, des Linksextremismus sowie des religiösen Extremismus. Auftragnehmer war Prof. Dr. Manfred Wilke, Rothenburgstraße 27a, 12165 Berlin. Das bis zum Jahr 2014 beim Landespräventionsrat (LPR) Sachsen angesiedelte Landesprogramm "Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz" wurde in den Jahren 2012 bis 2014 einer umfassenden Wirkungsevaluation durch „proVal — Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Analyse, Beratung und Evaluation" und dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld unterzogen. Der Gesamtabschlussbericht sowie Einzelberichte mit den Evaluationsergebnissen sind auf der Internetseite des LPR veröffentlicht: http://www.lpr.sachsen. de/11034.htm. Seite 15 von 17 sTAArsmINISTERIUM DES INNERN 71"'• Freisilt(< < SACHSEN Frage 26: Wie viele Meinungsumfragen hat die Staatsregierung in den unter Frage 25. genannten Kalenderjahren in Auftrag gegeben, um zu erkunden a. rechtsextremistische Einstellungen in der Bevölkerung? b. linksextremistische Einstellungen in der Bevölkerung? c. religiös -extremistische Einstellungen in der Bevölkerung? d. Einstellungen des politischen Ausländerextremismus? Die Staatskanzlei hat im Jahr 2016 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Auftrag gegeben, mit der u. a. auch extremistische Einstellungen erkundet wurden. Frage 27: Was unternimmt die Staatsregierung, um dem zunehmendem extremistisch motivierten Vandalismus gegen Büros von Parteien, Amts- und Mandatsträgern sowie Vereinen entgegenzutreten? Allgemeines Ziel aller polizeilichen Maßnahmen ist die Abwehr oder Beseitigung bestehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Die sächsische Polizei ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, die der frühzeitigen Erkennung möglicher Straftaten und deren Vorbeugung dienen. Dazu steht sie in konstruktiver Kooperation mit der Justiz, anderen Organisationen und Institutionen mit Sicherheitsaufgaben sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren, deren Fokus auf der Kriminalitätsprävention , insbesondere im politisch motivierten Phänomenbereich liegt. Politisch motivierte Straftaten, die sich gegen Büros von Parteien, Amts- und Mandatsträgern sowie Vereinen richten, werden in den Staatsschutzdezernaten der Polizeidirektionen der sächsischen Polizei sowie einzelfallabhängig im OAZ bearbeitet. Letzteres ist mit Erlasslage des SMI vom 23. März 2015 rückwirkend zum 1. Januar 2015 zentral zuständig für die Sachbearbeitung politisch motivierter Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern im Zusammenhang mit der Ausländer -/Asylthematik. Die Verlängerung dieses Erlasses erfolgte nach entsprechender Evaluation jeweils um ein Jahr mit den Erlassen vom 21. Dezember 2015 und vom 6. Dezember 2016. Das OAZ nimmt seinen gesetzlichen Auftrag in der Prävention und Repression von Straftaten konsequent wahr. Die Ermittlungen bei Straftaten, die unter oben genannten Voraussetzungen in der Zuständigkeit des OAZ liegen, erfolgen unter Beachtung und Umsetzung aller strafprozessualen Maßnahmen und Ausschöpfung der vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen. Zudem werden nach Analyse vorliegender Gefährdungen lageabhängig die beim OAZ eingerichteten Mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen zur vorbeugenden Bekämpfung von politisch motivierten Straftaten eingesetzt . Im Rahmen der polizeilichen Beratung werden auch Veranstaltungen zur Sicherheit am Arbeitsplatz in sicherungstechnischer und verhaltensorientierter Hinsicht angeboten. Beispielsweise wurden im Jahr 2016 zwei Informationsveranstaltungen im Sächsischen Landtag für Abgeordnete sowie deren Büromitarbeiter zur Sicherung von Wahlkreisbüros durchgeführt. An beiden Veranstaltungen nahmen jeweils ca. 80 bis 100 Personen teil. Seite 16 von 17 STAA'FSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes hat ein Informationsblatt zum Thema „Sicherheitsinformationen für Personen des öffentlichen Lebens" erstellt. Dieses richtet sich an Personen, die in der Öffentlichkeit auftreten und bereits bedroht wurden bzw. aktuell gefährdet sind, weil sie sich für umstrittene Themen , wie z. B. pro Asylrecht, einsetzen. Das Informationsblatt dient der gezielten Information aller bedrohten Personen. Um vor den Gefahren des — zum Teil auch gewaltförmigen — politischen Extremismus zu warnen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, hat das LfV Sachsen in den Jahren 2014 bis 2016 außerdem insgesamt 268 Informationsveranstaltungen durchgeführt bzw. daran mitgewirkt, mit denen 10.460 Personen, darunter auch viele Multiplikatoren, erreicht werden konnten. Frage 28: Was unternimmt die Staatsregierung, um den extremistisch motivierten Bedrohungen von Hoteliers, Gastwirten und sonstigen Dienstleistern entgegenzutreten , welche das Ziel verfolgen, diese zur Absage von Veranstaltungen demokratischer Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) oder anderer demokratischer Parteien in ihren Räumen zu veranlassen? Sollte die sächsische Polizei von Bedrohungen im Sinne der Fragestellung Kenntnis erhalten, werden diese im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen verfolgt. Im Sommer 2014 fand ein Sensibilisierungsgespräch des LfV Sachsen mit dem Vorstand des Hotel- und Gaststättenverbands Sachsen statt. Darüber hinaus hat das UV Sachsep auf einer sachsenweiten Informationsreihe des Landestourismusverbandes in den Jahren 2015 und 2016 allgemeine Lagebilder vorgestellt und Präventionsansätze diskutiert. Adressaten hierbei waren vor allem die regionalen Tourismusverantwortlichen sowie/kommunale Amtsleiter und Bürgermeister. Im Übrige wird auf die Antwort auf die Frage 1 verwiesen. Mit ffeun,Idlictien Grüßen 4 "‘' Markus Ulbig Seite 17 von 17 2017-03-29T10:01:20+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes