STAATSMINISTERIIJM DES INNERN Freistaat S ACM SEIN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 51-0141.51/7378 Dresden, /^November 2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/84 Thema: Denkmalschutzrechtliche Belange beim geplanten Abriss der Papierfabrik Golzern auf dem Gemeindegebiet der Stadt Grimma (Landkreis Leipzig) 2, §on$$s*0 Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Gebäude bzw. Gebäudebestandteile oder sonstigen Objekte auf dem betroffenen Areal der Papierfabrik Golzern in welchem baulichen Zustand stehen aufgrund welcher Kriterien unter Denkmalschutz? Die Papierfabrik Golzern ist mit den Resten maschineller Ausstattung, verbliebenen Gleisanlagen, Wasserkraftwerk und Turbinenhaus Kulturdenkmal gemäß § 2 Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG) aus technik-, industrie- und regionalgeschichtlichen sowie baukünstlerischen Gründen. Es handelt sich um einen ausgedehnten Werkskomplex mit zahlreichen Einzelgebäuden, deren unterschiedliche Entstehungszeit die Geschichte und wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes ebenso erkennen lässt wie die fortschreitende stilistische und konstruktive Lösung der Bauaufgabe „Fabrik“. Ausgehend von einem älteren Mühlenstandort entstanden die ältesten Produktionsgebäude im Jahr 1862. Der zwei Mal gewinkelte, einen kleinen Hof umschließende Kernbestand ist in den 1880er und 1890er Jahren in mehreren Etappen zum nahezu doppelten Bauvolumen erweitert und um hofseitige Anbauten ergänzt worden. Die einzelnen Produktionshallen weisen unterschiedliche Tragwerksysteme auf, die zum Teil von hohem Seltenheitswert sind. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck-Str. 2 oder 4 melden. Ein 1910 entlang der heutigen Fabrikstraße errichteter Neubau mit Übergang zu den Kernbauten auf Höhe des ersten Obergeschosses vervollständigte den Gebäudebestand zu einem geschlossenen Geviert. Er verfügt STAATSMINISTERIUM DESINNERN Freistaat SACHSEN bereits über ein für seine Entstehungszeit sehr fortschrittliches Betontragwerk. Das Ensemble stellt ein Abbild der industriellen Entwicklung dar. Charakteristisch ist der Beginn industrieller Produktion an einem traditionellen Mühlenstandort, der sich aus der Nutzung der Wasserkraft erklärt. Von den älteren Putzbauten über die charakteristischen, zweifarbig ornamentierten Klinkerfassaden des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zu den sachlichen Klinkerbauten der 1920er Jahre dokumentiert das gewachsene Ensemble an Produktionsgebäuden zudem die stilistische Entwicklung des Fabrikbaus, einer Bauaufgabe, die sich erst aus den spezifischen Anforderungen arbeitsteiliger Massenproduktion an einem Fabrikationsort mit zentralem Antrieb, also mit der Industrialisierung der gewerblichen Produktion ergeben hat. Die Papierfabrik Golzern gehört ferner industriegeschichtlich zu einem bedeutenden Gewerbezweig, der erst in den 1840er Jahren in dieser Ausprägung möglich wurde. Grundlage war die Erfindung des Holzschliffs durch Friedrich Gottlob Keller aus Hainichen. Seine Methode löste die aufwendige Aufbereitung von Textilien als Grundstoff der Papierherstellung ab und ermöglichte die Massenfertigung des Alltagsproduktes in Großfabriken. Der Waldreichtum Sachsens begünstigte diese Entwicklung und ließ an vielen Stellen entsprechende Produktionsstandorte entstehen. Viele dieser Betriebe sind untergegangen, so dass den verbliebenen wie Golzern ein Zeugniswert für diesen innovativen und wirtschaftlich erfolgreichen Industriezweig Sachsens zukommt. Sämtliche Gebäude des Fabrikareals sind in einem stabilen baulichen Zustand. Auf die Antwort auf die Frage 3 wird verwiesen. Frage 2: Wann und wie wurden die untere Denkmalschutzbehörde und das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) bisher von den Abrissplänen in Kenntnis gesetzt bzw. am Verfahren beteiligt und zu welchen Stellungnahmen gelangten die beiden Behörden zu welchem Zeitpunkt? Die untere Denkmalschutzbehörde ist mit Schreiben der Stadt Grimma vom 7. August 2013 um Auskunft zu den durch das Juni-Hochwasser 2013 ausgelösten Abbruchplänen der Stadt Grimma gebeten worden. Deshalb fand am 4. September 2013 eine gemeinsame Begehung von Oberbürgermeister und Ressort Stadtentwicklung der Stadt Grimma, Landesdirektion Sachsen (LDS), unterer Denkmalschutzbehörde und Landesamt für Denkmalpflege (LfD) statt, um noch vor einem möglichen Antrag auf denkmalschutzrechtliche Genehmigung die jeweiligen Positionen und Argumente auszutauschen. Das LfD gab am 26. September 2013 eine Stellungnahme zum Denkmalwert des Fabrikkomplexes ab. Am 27. November 2013 ging im Landratsamt Leipzig der Antrag auf denkmalschutzrechtliche Genehmigung des vollständigen Abbruchs der Fabrik mit anschließender Renaturierung des Geländes ein. Der Antrag stützte sich im Wesentlichen auf die vorgetragene Hochwassergefährdung für das Stadtgebiet Grimma. Das LfD wurde um Fachstellungnahme zum Abbruchantrag gebeten. Die Vorpüfung ergab, dass wichtige Grundlagen zur Beurteilung des Antrages fehlten. Am 7. Januar 2014 wurde der Antrag in der Stellungnahme des LfD deshalb als nicht beurteilungsfähig bezeichnet. Es wurden eine konkrete Wasserspiegellagenberechnung auf der Basis aktueller Flussprofile sowie daraus abgeleitete Variantenuntersuchungen Seite 2 von 4 STAATSM1N1STERHJM DES INNERN Freistaat SACHSEN nachgefordert. Der entsprechende Bescheid der unteren Denkmalschutzbehörde erging am 9. Januar 2014. Am 20. Februar 2014 stellte OB Berger unter Berufung auf die Landestalsperrenverwaltung klar, dass die Stadt die nachgeforderten Unterlagen nicht einreichen werde und die Hochwassergefahr - nunmehr beschränkt auf den Standort Golzern selbst und den Ortsteil Dorna - als hinreichend nachgewiesen betrachte. Das LfD empfahl der unteren Denkmalschutzbehörde daraufhin die Zurückweisung des Antrages. Bei einem Besprechungstermin unter Beteiligung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) am 5. Mai 2014 wurde - zur Ergänzung der Argumentation der Stadt Grimma - die Vorlage eines Gutachtens durch einen von der Stadt Grimma beauftragten Denkmalfachmann vereinbart. Die Stadt Grimma bat mit Schreiben vom 8. Mai 2014 um Aufschub der Entscheidung zum Abbruchantrag bis Ende Juni. Diese Frist zur Nachreichung der Unterlagen wurde der Stadt Grimma gewährt. Am 4. Juli 2014 erhielt das LfD die Bitte um Stellungnahme zu einer am Tag zuvor von der Stadt Grimma eingereichten „Denkmalpflegerischen Bewertung des Kulturdenkmals .Papierfabrik Golzern1 bei Grimma“, erarbeitet vom Geschäftsführer der Kulturstiftung Leipzig. Eine fachliche Einschätzung durch das LfD wurde dem Sächsischen Staatsministerium des Innern am 16. Juli 2014 mit dem Inhalt übermittelt, dass der Denkmalwert in dieser Unterlage unterbewertet sei und weiterhin keine hinreichende Begründung für einen Abbruch vorliege. Die entsprechende Stellungnahme an die untere Denkmalschutzbehörde erfolgte am 30. Juli 2014. Unter Bezug auf ein Schreiben des SMUL vom 11. September 2014, in welchem weiterhin von einer Gefährdung des Fabrikareals sowie angrenzender Ortsteile durch Hochwasser ausgegangen wird, gab das Landratsamt Leipzig unter dem 15. September 2014 das Verfahren an die Landesdirektion Sachsen ab. Nach erneuter Abwägung vertrete das Landratsamt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Abbruchgenehmigung gemäß § 12 Abs. 2a SächsDSchG vorlägen und somit das erforderliche Einvernehmen mit dem LfD nicht herzustellen sei. Die LDS forderte das LfD am 23. September 2014 auf, sich in Fortschreibung seiner bisherigen Stellungnahmen darüber zu äußern, ob die Papierfabrik Golzern ein „für das kulturelle Erbe bedeutendes Kulturdenkmal“ i. S. d. § 12 Abs. 2a SächsDSchG sei. Das LfD bejahte dies mit Schreiben vom 6. Oktober 2014. Frage 3: Sollte sich insbesondere in der Stellungnahme der unteren Denkmalschutzbehörde eine Entwicklung von einer abrisskritischen Stellungnahme hin zur Einverständniserklärung des Abrisses ergeben haben, welche fachlichen Gründe waren für einen solchen Meinungswandel ausschlaggebend? Der Abgabenachricht an die LDS zufolge war das Landratsamt der Auffassung, dass der Abbruch im Rahmen der allgemeinen Katastrophenvorsorge notwendig sei. Die Fabrikanlage sei im Hochwasserfall nicht zu verteidigen. Außerdem ginge von ihr wegen des absehbar ausbleibenden Bauunterhalts eine zunehmende Gefahr durch herausbrechende Bauteile aus. Nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 2a SächsDSchG Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN solle die Genehmigung erteilt werden, wenn es sich um eine Maßnahme des öffentlichen Hochwasserschutzes handelt, für die überwiegende Gründe des Gemeinwohles vorliegen und die Erhaltung von für das kulturelle Erbe bedeutenden Kulturdenkmalen nicht gefährdet wird. Frage 4: Welche Kosten werden für den Gesamtabriss des Ensembles kalkuliert? Von der Stadt Grimma wurden die Gesamtkosten für den Abbruch der Papierfabrik Golzern und die anschließende Renaturierung des frei werden Areals mit 1.928.990,00 EUR angegeben. Frage 5: In welcher Höhe wurden Fördermittel für den Abriss (z.B. VwV Brachflächenrevitalisierung) mit welchen Fördersätzen beantragt und bewilligt? Die Stadt Grimma beantragte mit Datum vom 15. November 2013 die Gewährung einer Zuwendung nach der VwV Brachflächenrevitalisierung für den Abbruch der Papierfabrik Golzprn und die anschließende Renaturierung des frei werden Areals. Die beantragte Förcfersumme beläuft sich auf 1.736.091,00 EUR. Dies entspricht einem Fördersatz von/90 Prozent. Eine Bewilligung erfolgte bisher nicht. Seite 4 von 4