STAATSMINISTERIUM DER JUSTìZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dr€sd6n Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Lindena u-Platz 1 01067 Dresden Zusammenfassende Antwort zu den Fragen 1 und 2 Hinsichtlich der Fälle, in denen eine Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) innerhalb des Freistaates Sachsen vollzogen wurde, wird auf die als Anlage 1 beigefügte tabellarische Aufstellung verwiesen. Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) I 040E-KLR-693/1 7 Dresden, eDMe¡, 2017 Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE. Drs.-Nr.: 618724 Thema:,,ElektronischeFußfessel" Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: ln wie vielen Fällen kam in den Jahren 2010 bis einschließlich 2016 in Sachsen die ,,elektronische Fußfessel" zum EinsaE und für welche Dauer im Einzelfall (Bitte getrennt nach Jahresscheiben)? Hausanschrlft: Sächslsches Staatsmi nister¡um Frage 2: derJustlz Hosp¡talstraße 7 Was waren der Deliktsvoruvurf bzw. die Verfahrensgegenstände, auf 010s7 Dresden Grund bzw. im Rahmen derer der EinsaE der,,elektronischen Fußfessel" 3ffiå?ïi::flnDeutschePost angeordnet wurdg? www.jusriz.sachsen.de/smj Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de" Verkehrsverb¡ndung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 .zugång für €lêktron¡sch sign¡erte sow¡e für verschlùsselte eleklron¡sche Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Vêrwaltungspostfach; nåh€rê lnformalionên unter w.sgvp.d€ Seite 1 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN IÐI Ng'àrJtrutg Der Vollständigkeit halber wird zu Frage 1 ergänzend angemerkt, dass in zwei we¡teren Fällen eine EAÜ außerhalb des Freistaates Sachsen vollzogen worden ist, denen ein Vollstreckungsverfahren sächsischer Staatsanwaltschaften zugrunde lag. Anlassstraftat im ersten Fall - Proband J. - war eine Vergewaltigung; die EAÜ wurde vom 9. April 2013 bis zum 17. Januar 2014 vollzogen. Dem zweiten Fall - Proband N. - lag ein versuchter Mord zugrunde; die EAÜ wird seit dem 18. November2014 vollzogen. Mit Blick auf Frage 2 wird ergänzend auf folgende vier Fälle hingewiesen, in denen zwar eine EAÜ durch sächsische Gerichte angeordnet, die Maßnahme jedoch nicht vollzogen worden ist: Proband Anlassstraftat Anmerkung zur EAÜ P Vergewaltigung Der Proband befindet sich in anderer Sache in Haft. Die der EAÜ-Weisung zugrundeliegende Führungsaufsicht ist wegen der neuen Verurteilung erledigt. Go gefäh rl iche Körperverletzu ng und Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Der Proband befindet sich in anderer Sache in Haft. Die EAÜ-Weisung wurde deshalb noch nicht vollzogen. H versuchter Totschlag Die EAU-Weisung wurde durch das Gericht wieder aufgehoben, bevor der Proband in die Freiheit entlassen wurde. K sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung Die EAÜ-Weisung, gegen die der Proband Beschwerde eingelegt hat, wurde noch nicht vollzogen. Seite 2 von 6 STAATSMINIS]'ËRIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN iltschJt*tu|w Frage 3: Welche personellen und finanziellen Aufuiendungen entstanden dem Freistaat im Zeitraum von 2010 bis einschließlich 2016 jährlich aus der Durchführung von Maßnah men betr. d ie,,elektron ische F ußfessel" sowie fal ld urchsch n ittl ich? Das Gesetz eröffnet in $ 68b Abs. 1 Satz 1 Nummer 12 Strafgesetzbuch (SIGB) die rechtliche Möglichkeit, die elektronische Aufenthaltslrberwachung (EAÜ) eines Führungsaufsichtsprobanden als Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht anzuordnen. Die Länder haben sich fur die Umsetzung und den Betrieb der elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Länderverbund entschieden und hierzu eine Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Übenruachungsstelle der Länder sowie eine Veruvaltungsvereinbarung über den Betrieb und die Nutzung eines Systems der elektronischen Aufenthaltsübenruach u n g geschlossen. Die finanziellen Aufwendungen für die EAÜ setzen sich einerseits aus fixen Grundkosten und andererseits aus variablen Kosten zusammen, die sowohl von der Gesamtanzahl der übenrvachten Probanden als auch vom konkret anfallenden Ortungsaufwand abhängen. Die Grundkosten decken im Wesentlichen die Unterhaltung der Gemeinsamen Übenruachungsstelle der Länder (GÜL) sowie den technischen Betrieb bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) ab. Der auf das jeweilige Land entfallende Anteil dieser Kosten wird nach dem relativen Königsteiner Schlüssel berechnet und fällt unabhängig davon an, ob und wie viele Fußfesseln im Freistaat Sachsen aktiv sind. Hinzu kommen monatliche Fixkosten für sogenannte Backup- und Reserve-Tracker zu je 155,85 € bzw. 132,68 €, die von der HZD zentral veruvaltet und in einem bestimmten Mindestumfang vorgehalten werden (Gerätepool). Auch wenn keine Fußfessel in Sachsen aktiv wäre, fielen hierfür aktuell ca. 7.800 € pro Jahr an. Ebenso fällt stets eine Mindestpauschale für den Vor-Ort-Service, also die mit dem Anlegen und der Wartung der Geräte beauftragte Firma, an. Diese beträgt für Sachsen derzeit ca. 6.200 € im Jahr. Die variablen Kosten setzen sich zunächst aus einem monatlichen Pauschalbetrag von 160,85 € für jede aktive Fußfessel und weiteren Kosten zusammen. Es sind dies zum einen Ortungsgebühren in Höhe von ca. 350 € pro Monat (Bundesdurchschnitt), die anfallen , wenn und soweit die Fußfessel nicht mittels GPS 1= Global Positioning System), Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lilNårÈRIJWg sondern über das Mobilfunknetz (Location-Based Services - LBS) geortet werden muss. Zum anderen fallen variable Kosten für den Vor-Ort-Service an, sobald sich ein konkreter Wartungs- oder Reparaturbedarf ergibt. Ergänzend ist zu bemerken, dass sich auch die Anzahl der vorzuhaltenden Backup-Tracker (s. o.) und die damit verbundenen Kosten nach einem festgelegten Schema erhöhen, je mehr Probanden in dem jeweiligen Bundesland aktiv überwacht werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die variablen Kosten stets von demjenigen Bundesland zu tragen sind, in dem die für den zu übenruachenden Probanden zuständige Führungsaufsichtsstelle ihren Sitz hat. Die im Berichtszeitraum angefallenen Gesamtkosten für den Vollzug der EAÜ, derentwegen auf die als Anlage 2 beigefügte tabellarische Übersicht verwiesen wird, sind daher auf die in Anlage 1 aufgeführten Probanden zu beziehen, nicht hingegen (auch) auf die beiden weiteren o. g. Fälle, in denen die EAÜ außerhalb des Freistaates Sachsen vollzogen wurde. Für das Haushaltsjahr 2010 sind keine Ausgaben im Zusammenhang mit der EAÜ angefallen; das betreffende Gesetz, mit dem die Erteilung entsprechender Weisungen ermöglicht worden ist, trat erst zum 1. Januar 201 1 in Kraft. Von einer weitergehenden Antwort in Bezug auf die falldurchschnittlich angefallenen finanziellen Aufwendungen wird abgesehen. Eine solche Berechnung könnte nur dergestalt erfolgen, dass die im betretfenden Kalenderjahr angefallenen Gesamtkosten durch die Anzahl der in diesem Jahr überwachten Probanden - bei nur zeitweisem Vollzug unter Berücksichtigung des jeweiligen Anteils - dividiert würde. Die entsprechende Berechnung kann der Abgeordnete anhand der mitgeteilten Daten gegebenenfalls selbst vornehmen. Die Staatsregierung ist auf Kleine Anfragen hin lediglich verpflichtet, Auskünfte und lnformationen zu erteilen, nicht aber Bewertungen und Schlussfolgerungen vorzunehmen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Berechnung der falldurchschnittlich angefallenen finanziellen Aufwendungen nach dem o. g. Modus nur eine geringe Aussagekraft hätte, weil der Kostenanteil je Proband - wegen des sehr hohen Fixkostenanteils - mit zunehmender Probandenzahl stark sinkt. Ausgehend von der aktuellen Gesamtzahl aller EAÜ-Probanden (bundesweit) liegen die Kosten je Proband und Tag nach Berechnungen des Hessischen Ministeriums der Justiz dezeit bei ca. 112€,. Seite 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN mRtrJ FñErlw lm Hinblick auf den personellen Aufwand ist auszuführen, dass mit dem Vollzug der EAÜ nach deren Anordnung durch das Gericht die Führungsaufsichtsstellen, der soziale Dienst der Justiz und regelmäßig die jeweiligen Polizeidirektionen im Freistaat Sachsen befasst sind. Der personelle Aufrruand bei der GÜL und der HZD wird über die o. g. Grundkosten abgedeckt. Für den Leiter der Führungsaufsichtsstelle ergibt sich Aufwand insbesondere aus der Durchführung von Fallkonferenzen sowie der notwendigen Kommunikation mit der GÜL und der HZD vor der Anlegung der elektronischen Fußfessel, aus notwendigen Tätigkeiten zur Umsetzung eingehender Meldungen der GÜL (2. B.Gespräche mit den Probanden oder Stellung von Strafanträgen), der Erstellung von Sachstandsberichten sowie der regelmäßig erforderlichen Kommunikation mit der Polizei und der Bewährungshilfe. Der Aufwand des zuständigen Rechtspflegers im Rahmen der Führungsaufsicht ergibt sich insbesondere aus der Vorbereitung etwaiger Strafanträge sowie der regelmäßigen Kommunikation mit dem Leiter der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe. Für den sozialen Dienst der Justiz (Bewährungshilfe), der in den technischen Übenryachungsprozess nicht eingebunden ist, ergibt sich Aufiryand insbesondere aus der Teilnahme an Fallbesprechungen, der Auswertung, Thematisierung und Berichterstattung bei Ergebnismeldungen sowie der Thematisierung der EAÜ-Weisung im Beratungsgespräch. lnsoweit entsteht ein Mehrauñryand im Vergleich zu Probanden, für die keine elektronische Aufenthaltsüberwachung angeordnet wurde. Bei der Polizei entsteht personeller Aufwand insbesondere für - Vorbereitungsmaßnahmen bei einer Haftentlassung durch die Zentralstelle des Landeskriminalamts (LKA) und des zuständigen Sachbearbeiters der örtlich zuständigen Polizeidirektion, - die Bereitstellung der Technik im Führungs- und Lagezentrum einschließlich Gewährleistung der Betriebsbereitschaft der Hard- und Software, - Tätigkeiten im Führungs- und Lagezentrum bei Meldung möglicher Weisungsverstöße, - konkrete Prüfungsmaßnahmen vor Ort bei Hinweisen auf Weisungsverstöße und - unmittelbaren Kontakt mit dem Probanden. Seite 5 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ilN:Jlñprlw Eine konkrete Bezifferung des bei den o. g. Stellen entstehenden Aufwands ist nicht möglich , weil dieser nicht gesondert statistisch erfasst oder dokumentiert wird. Die Aufgaben werden im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeiten wahrgenommen. Frage 4: Beabsichtigt Sachsen künftig den EinsaE der,,elektronischen Fußfessel" gegen so genannte,,Gefährder"? Das Thema wird dezeit in den polizeilichen Fachgremien erörtert; die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen. Mit freundlichen Grilßen Sebastian Gemkow Anlagen Tabellarische Übersichtzu den Fragen 1 und 2 (Anlage 1) Tabellarische Übersicht zu Frage 3 (Anlage 2) Seite 6 von 6 Anlage 1 zu Drs. 6/8724 - Fragen 1 und 2 Jahr Anzahl Name Deliktsvorwurf bzw. Verfahrensgegenstand Zeitraum der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) 2013 1 M. schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen 10. Juli 2013 bis 18. Juli 2013 2014 1 L. sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger und Freiheitsberaubung sowie schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung, Entziehung Minderjähriger und Freiheitsberaubung 25. November 2014 bis 31. Dezember 2014 2015 2 L. s. o. 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 W. schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei tateinheitlichen Fällen 21. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 2016 7 L. s. o. 1. Januar 2016 bis 9. Mai 2016 W. s. o. 1. Januar 2016 bis 29. April 2016 und 29. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 R. Vergewaltigung in zwei Fällen 19. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 V. besonders schwere Vergewaltigung, besonders schwere sexuelle Nötigung und versuchte besonders schwere Vergewaltigung 14. September 2016 bis 31. Dezember 2016 M.* schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in zwei Fällen 21. September 2016 bis 31. Dezember 2016 G. Vergewaltigung, schwere räuberische Erpressung u. a. 24. Oktober 2016 bis 31. Dezember 2016 P. sexueller Missbrauch von Jugendlichen in fünf Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Vergewaltigung in zwei weiteren Fällen tateinheitlich mit sexueller Nötigung 3. November 2016 bis 1. Dezember 2016 * ) Es handelt sich um denselben Probanden wie im Jahr 2013; der EAÜ liegen jedoch zwei verschiedene Anlassstraftaten zugrunde. Anlage 2 zu Drs. 6/8724 - Frage 3 Jahr GÜL* und HZD** Verbrauchskosten, Backup- und Reserve-Tracker Gesamtkosten 2011 107.986,80 Euro 7.096,05 Euro 115.082,85 Euro 2012 107.986,80 Euro 7.096,05 Euro 115.082,85 Euro 2013 120.651,39 Euro 9.468,91 Euro 130.120,30 Euro 2014 122.093,18 Euro 7.943,30 Euro 130.036,48 Euro 2015 122.222,00 Euro 26.642,81 Euro 148.864,81 Euro 2016 132.749,54 Euro 34.468,59 Euro 167.218,13 Euro * Kosten für den Betrieb der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder ** Kosten für den Betrieb bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung KA6-8724 KA6-8724_Anl.1 KA6-8724_Anl.2 2017-03-30T11:57:47+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes