STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 1 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/8871 Thema: Suizide von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Hintergründe sind der Sächsischen Staatsregierung zum Suizid einer 17-jährigen Eritreerin am 24. März 2017 in einer umA-Einrichtung in Borsdorf im Landkreis Leipzig bekannt? Von einem Suizid einer 17-jährigen Eritreerin am 24. März 2017 in einer umA-Einrichtung in Borsdorf im Landkreis Leipzig hat die Staatsregierung keine Kenntnis. Für die nachfolgende Beantwortung zur Fragestellung wird deshalb davon ausgegangen, dass sich diese auf einen Suizid am 24. Februar 2017 bezieht. An diesem Tag wurde eine aus Eritrea stammende unbegleitete 17-jährige Jugendliche in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe in Borsdorf im Landkreis Leipzig tot aufgefunden. Die Ermittlungen in dem Fall sind noch nicht abgeschlossen. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen hat sich die Jugendliche durch Erhängen das Leben genommen. Nach Informationen des Einrichtungsträgers, der die Betreuung einem Team aus sozialpädagogisch ausgebildeten Fachkräften übertragen hat, seien im Vorfeld keine Anzeichen für Eigen- oder Fremdgefährdung oder Risikofaktoren , die auf einen Suizid hindeuten können, erkennbar gewesen. Jedoch sei der Verstorbenen am Tag ihres Todes mitgeteilt worden, dass ihr Antrag auf Asylanerkennung ebenso wie die Anerkennung als Flüchtling abgelehnt worden sei; auch der subsidiäre Schutzstatus sei nicht zuerkannt worden. Der Bescheid sei der Betroffenen von ihrem Vormund bekannt gegeben und nach deren Aussage ausführlich erläutert worden. Auf mögliche Rechtsbehelfe sei hingewiesen worden, ebenso wie darauf, dass die Verstorbene im Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 45-0141 .51-17/305 Dresden, 18 April 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 0 01097 Dresden www sms sachsen de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ Falle der Klageerhebung bis zum Abschluss des Verfahrens nicht ausreisen müsse. Frage 2: Welche weiteren Suizid-Fälle von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in Sachsen sind der Staatsregierung bekannt? (bitte für die Jahre 2015, 2016 und 2017 und nach Alter, Herkunftsland, Geschlecht, Ort der Unterbringung und wenn möglich Befunden über Ursache/Hintergründe des Suizids aufschlüsseln) Recherchiert wurde im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS) für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 23. März 2017 im Freistaat Sachsen nach Suiziden von nichtdeutschen Personen, welche zur Tatzeit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Das Ergebnis wurde einer Einzelfallprüfung unterzogen. Vorgänge aus den Monaten Januar bis März 2015 können aufgrund von Aussonderungs- und Löschfristen bereits gelöscht sein. Der Sächsischen Staatsregierung ist ein weiterer Fall bekannt, bei dem ein in Dresden untergebrachter 16-jähriger männlicher unbegleiteter Flüchtling aus Eritrea vom Balkon einer Wohnung in der 6. Etage gestürzt war. Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden ergaben sich weder bei der kriminaltechnischen Untersuchung der Wohnung noch aus den Aussagen der Freunde, Bekannten und Betreuer des Verstorbenen. Auch die Obduktion erbrachte keine Hinweise auf Verletzungen, die nicht mit dem Sturz zu erklären gewesen wären. Insbesondere konnten keine Abwehrverletzungen festgestellt werden. Allerdings ergaben die toxikologisch-chemischen Zusatzuntersuchungen eine deutliche Alkoholisierung zur Zeit des Ablebens. Von Zeugen wurde berichtet, dass sich der Jugendliche große Sorgen um Angehörige gemacht hatte und deshalb zuletzt sehr bedrückt und zurückgezogen war. Nach alledem ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der Jugendliche in suizidaler Absicht vom Balkon gestürzt hat. Zweifel, ob er sich lediglich leichtsinnig verhalten hat und dabei verunglückt ist, können indessen nicht ausgeräumt werden. Frage 3: Erhalten unbegleitete minderjährige Geflüchtete im Fall von offensichtlichen Traumatisierungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen oder einer anderen psychischen Belastung/Erkrankung eine altersgerechte psychologische Behandlung /Betreuung? Wenn ja, in welcher Form? (bitte ggf. nach Landkreisen und Kreisfreien Städten aufschlüsseln) Unbegleiteten ausländischen Minderjährigen können als Hilfe bei Krankheit nach § 48 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe) in Verbindung mit § 40, § 42 Absatz 2 Satz 3 oder§ 42a Absatz 1 Satz 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII- Kinder- und Jugendhilfe) Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünfter Abschnitt Erster Titel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V- Gesetzliche Krankenversicherung) gewährt werden, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Gemäߧ 52 Absatz 1 SGB XII in Verbindung mit§ 40, § 42 Absatz 2 Satz 3 oder§ 42a Absatz 1 Satz 2 SGB VIII entspricht die Hilfe grundsätzlich den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Unbegleiteten ausländischen Minderjährigen, die unter einer krankheitswertigen psychischen Störung leiden, stehen damit die ambulanten und stationären Angebote der Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Versorgung zur Verfügung , namentlich die Leistungen niedergelassener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten , niedergelassener Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrischer Institutsambulanzen sowie anderer Ambulanzen (z.B. Traumaambulanzen) und der Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Versorgung unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher einschließlich der Gewährung von Krankenhilfe entsprechend dem SGB XII in den im SGB VIII geregelten Fällen fällt in die Aufgabenverantwortung der Landkreise und Kreisfreien Städte als örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, die diese Aufgaben als Pflichtaufgabe in kommunaler Selbstverwaltung erfüllen. Sie unterliegen dabei keiner Fachaufsicht durch die Staatsregierung. Der Vollzug der Aufgaben liegt damit außerhalb des Zuständigkeits - und Verantwortungsbereichs der Staatsregierung. Die Staatsregierung erfasst deshalb auch nicht fortlaufend, welche konkreten Leistungen des Gesundheitswesens die unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in den Landkreisen und Kreisfreien Städten in Anspruch nehmen. Mit freundlichen Grüßen J. t/lt{ Barbara Klepsch Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN 2017-04-19T08:09:53+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes