STAATSMINISTERIUM ÐER JUSTìZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hosp¡talstraße 7 | 01097 Dresdsn Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Bartl und Enrico Stange, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/8886 Thema: Zunahme von Ermittlungs- und Strafverfahren im Freistaat Sachsen mit elektronischen Massendaten Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Vorbemerkung: ln Ermittlungs- und Strafverfahren, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK), werden zunehmend elektronische Massendaten aus Datenspeichern von lllobiltelefonen, Computern und anderer lKT-Technik sowie im Ergebnis von Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung (Verbindungsdaten, Daten aus sozialen NeÞurerken etc.) als Beweismittel erfasst und in die Beweisaufnahme eingeführt." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-845/1 7 Dresden. ./f .epriizotz Hausanschr¡ft: Sächs¡sches Staatsmlnlsterium der Justlz Hospitalstraße 7 01 097 Dresden Br¡efpost über Deutsche Post 01 095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverblndung: Zu erreichen mit Shaßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 .zugang fúr €l€klronisch signierle sowie für verschltisselte alêktronische Dokumenle nur über das ElêKron¡sche Gor¡chts- und VeMallungspostfach; nåhere lnformationen unter w.6gvp.de Seite 1 von 7 STAATSMINISTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lilNS:rJ&w Frage l: ln wie vielen Strafverfahren der Organisierten Kr¡minal¡tät wurden 2015 und 2016 elektronische Daten bei der Aufklärung von Straftaten aus Datenträgern (2. B. Mobiltelefone oder Gomputer) oder ¡m Ergebnis von Maßnahmen zur Telekommunikationsübenrachung (TKÜ) erfesst und ¡n die Beweisaufnahme eingeführt? lm Jahr 2015 wurden durch die sächsische Polizei in 16 Verfahrenskomplexen der Organisierten Kriminalität (OK-Komplexe) Daten im Sinne der Fragestellung erfasst. Für das Jahr 2016 liegen noch keine Angaben vor, da die statistische Auswertung der OK-Komplexe noch nicht abgeschlossen ist. Mit dem Ergebnis der Auswertung ist im August 2017 zu rechnen. Von einer weitergehenden Beantwortung der Frage wird abgesehen. Eine gesonderte Statistik über die angefragten lnformationen wird bei den sächsischen Staatsanwaltschaften nicht geführt. Mangels Erfassung in den web.sta-Datenbanken würde eine vollständige Beantwortung der Frage die manuelle Durchsicht und individuelle Auswertung aller Papierakten zu den relevanten OK-Komplexen erfordern, was aufgrund der hohen Anzahl der auszuwertenden Vorgänge im Hinblick auf die zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit unverhältnismäßig wäre. lm Bereich der Organisierten Kriminalität sind von den Staatsanwaltschaften des Freistaates Sachsen im Berichtszeitraum insgesamt gegen 367 bekannte Beschuldigte Ermittlungsverfahren gefuhrt worden. Hinzu kommen neun Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter. Zur Auswertung im Hinblick auf die Fragestellung wären umfangreiche und zeitaufwändige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichte erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und den staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Rechtsanwälten, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten durch einen Staatsanwalt, die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses und die Rückgabe der Akten an die zuletzt aktenführende Stelle zu berücksichtigen. Der durchschnittliche Auswertungsaufwand ist mit mindestens dreißig Minuten je Verfahren anzusetzen; insgesamt wäre ein Mitarbeiter somit 23,5 Tage mit der entsprechenden Recherche befasst. Seite 2 von 7 STAATSMINìSTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN il\HÑJ| \ÞJw Die Staatsregierung kommt daher bei der vorzunehmenden Abwägung zw¡schen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der sächsischen Staatsanwaltschaften nicht zu leisten ist. Frage 2: Welche Software/lT-Lösungen werden zur Erfassung und Speicherung der elektronischen (Massen-)Daten genutzt? (Bekannt sind z. B. Systeme von SYBORG oder XRY.) Durch die sächsische Polizei werden die Software/lT-Lösungen XRY, UFED, X-Ways Forensics, Encase, lntegrierte Vorgangsbearbeitung (lVO), Ermittlungsunterstützendes Fallanalysesystem Sachsen (eFAS), TKÜ-Anlage der Firma DigiTask, Betriebssoftware DigiBase und MS-Sharepoint genutzt. Soweit die Staatsanwaltschaften lT-Ermittler einsetzen, wird zur Erfassung und Speicherung von Daten mobiler Geräte ,,UFED 4PC" veruvendet. Frage 3: Welche Software/lT-Lösungen werden zur Recherche und zuverlässigen Analyse der elektronischen (Massen-)Daten genutzt? (2. B. 12, computergestüEte lnhaltsund Netnrverkanalyse) Die sächsische Polizei nutzt die Software/lT-Lösungen Reader-Versionen von XRY und UFED, X-Ways lnvestigator, NUIX eDiscovery, Digibase, Nevius und lnternet Evidence Finder. Soweit die Staatsanwaltschaften lT-Ermittler einsetzen, nutzen diese für Rechercheund Analysezwecke ,,X-Ways-Forensic" und ,,NU|X", partiell auch ,,dt.Search with Spider ". Zur Netzwerkanalyse halten die Staatsanwaltschaften keine Software vor. Seite 3 von 7 STÀATSMINìSTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Ð\Hñriw Die Recherche und die Analyse elektronischer Massendaten nehmen neben den Polizeibehörden des Bundes und der Länder gegebenenfalls auch von den Staatsanwaltschaften beauftragte Sachverständige vor. Frage 4: Wie oft wurde 2015 und 2016 innerhalb von Sachsen zum e¡nen, in Verfahrenssachen außerhalb von Sachsen zu anderen der lMSl-Gatcher eingesetzt? (Bitte getrennt unter Angabe der EinsaEorte angeben.) Der lMSl-Catcher wurde in sächsischen Ermittlungsverfahren sowie im Rahmen der Amtshilfe in Ermittlungsverfahren von Behörden des Bundes und der Länder wie folgt eingesetzt: EinsaEbereich 2015 2016 Sachsen 52 71 Baden-Württemberg 0 2 Bayern 0 3 Berlin I 17 Brandenburg 1 1 Hamburg 7 2 Hessen 1 0 Niedersachsen 2 1 Nordrhein-Westfalen 1 0 Rheinland-Pfalz 1 0 Sachsen-Anhalt 12 12 Schleswig-Holstein 1 0 Thüringen 5 5 Bundespolizei/BKA 1 0 5Zoll 15 Seite 4 von 7 STAATSMINISTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lilNStrJ w Frage 5: Wie werden Ermittler, Staatsanwälte, Richter und Strafverteidiger darauf vorbere ¡tet, die in den elektronischen Beweismitteln enthaltenen lnformationen analytisch zuverlässig auszuwerten? Ermittler im Bereich der sächsischen Polizei werden insbesondere im Rahmen der zentralen lnformations- und Kommunikationstechnik-Fortbildung am Schulungs- und Referenzzentrum des Polizeiverwaltungsamtes aufgabenbezogen darauf vorbereitet, die in elektronischen Beweismitteln enthaltenen lnformationen analytisch auszuwerten. Für sächsische Richter und Staatsanwälte werden keine gesonderten Fortbildungen zur Auswertung von elektronischen Massendaten angeboten. Die Thematik wird regelmäßig in Fortbildungen zu Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der lnternetkriminalität und/oder der Telekommunikation behandelt, z. B. in den diesjährigen Tagungen der Deutschen Richterakademie Nr. 8b ,,Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation " und Nr. 36a ,,Erscheinungsformen der lnternetkriminalität und ihre Bekämpfung". Darüber hinaus bietet das Sächsische Staatsministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der Hochschule Mittweida - Fakultät Allgemeine und Digitale Forensik - seit 2015 regelmäßig landeseigene Fortbildungsveranstaltungen zur Kriminalität in sozialen Netzwerken und sozialen Medien sowie zur digitalen Forensik an. Daneben besteht flir sächsische Staatsanwälte die Möglichkeit, sich für Fortbildungen der Agentur der Europäischen Union für Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL) zu bewerben, die eine Vielzahl von Veranstaltungen zu Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit digitalen Beweismitteln anbietet. Um unter anderem die Zusammenarbeit in der Aus- und Fortbildung zur effektiveren Verfolgung von Straftaten im lnternet oder unter Nutzung informationstechnischer Systeme (Cybercrime) zu stärken sowie lT-gestützte Ermittlungsmethoden zu entwickeln und anzuwenden, soll in Kürze eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Sächsischen Staatsministerium des lnnern und dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz sowie der Hochschule Mittweida abgeschlossen werden. Daneben hat die bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden im März 2Q16 neu errichtete Sächsische Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime speziell für diesen Bereich ein modulares Fortbildungskonzept entwickelt. Das Konzept beinhaltet Fortbildungsmodule zu Seite 5 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUST'IZ Freistaat SACHSEN lilINHlw Eingriffsmaßnahmen, Ermittlungsmethoden und technischen Hilfsmitteln und soll voraussichtlich noch im Jahr 2017 umgesetzt werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Staatsanwälte die Auswertung der in elektronischen Beweismitteln enthaltenden Massendaten in der Regel nicht selbst vornehmen , sondern hiermit die Polizeibehörden des Bundes und der Länder oder Sachverständige beauftragen. Die Polizeibehörden und die Sachverständigen dokumentieren ihre Vorgehensweise und das Auswertungsergebnis in Berichten und Gutachten, die Bestandteil der Ermittlungsakten werden. Für das Fertigen der Beweisanordnung und das Auswerten des schriftlichen Berichts oder des Sachverständigengutachtens sind keine besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet der lnformationstechnik erforderlich. Die Beteiligung der Staatsanwälte an Massendatenauswertungen konzentriert sich auf die Fachlichkeit, die in der juristischen Ausbildung enruorben wird. lm Hinblick auf Strafverteidiger ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich eigenverantwortlich entscheidet, inwieweit er seiner Fortbildungspflicht nachkommt ; ein Mindeststandard ist lediglich für Fachanwälte vorgegeben. Die Förderung der beruflichen Fortbildung obliegt in erster Linie der Bundesrechtsanwaltskammer (S 177 Absatz 2 Nummer 6 BRAO). Diese untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Auch die Rechtsanwaltskammer Sachsen bietet ihren Mitgliedern Fortbildungsveranstaltungen an. lnwieweit diese sich auch auf die analytische Auswertung von Daten im Sinne der Fragestellung beziehen, ist hier nicht bekannt. Die Rechtsanwaltskammer Sachsen informiert in ihrem Jahresbericht, der auch in der Mitgliederzeitschrift KAMMERaktuell veröffentlicht wird, allgemein über angebotene Fortbildungsveranstaltungen. Über konkrete Fortbildungsinhalte, die sich mit elektronischen Beweismitteln beschäftigen, wurde dabei nicht berichtet. Von einer weitergehenden Beantwortung wird abgesehen, da die Staatsregierung dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich und daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet ist, die in ihre Zuständigkeit fallen. Seite 6 von 7 STAATSMìNìSTERIUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN ilNfurlLlúù¡.tIJÞJ\ds Mit Blick auf die Rechtsanwaltskammer Sachsen betrifft die vorliegende Frage Sachverhalte, die diese als Selbstverwaltungsaufgabe wahrnimmt. lnsoweit unterliegt sie lediglich der Rechtsaufsicht des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz, nicht aber der Fachaufsicht. lm Rahmen der Rechtsaufsicht können die Staatsregierung bzw. die hierfür zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden von ihrem lnformationsrecht nur Gebrauch machen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits erfolgte Rechtsverletzung vorliegen. Dies ist nicht der Fall. Mit freundlichen Grüßen "ä Ø7 Dr. Eva-Maria Stange Seite 7 von 7 2017-04-19T08:07:24+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes