STAATSMINISTERIUM DES INNERN SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/8910 Thema: Erlass des Innenministeriums an die Waffenbehörden wegen der Zuverlässigkeit von NPD-Mitgliedern Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: dpa berichtete am 17. März 2017, dass die Waffenbehörden in einem entsprechenden Erlass des Innenministeriums aufgefordert wurden, „unverzüglich" die Zuverlässigkeit der Waffenscheininhaber zu überprüfen und die waffenrechtlichen Erlaubnisse aufzuheben . Man gehe bei NPD-Mitgliedern von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit aus." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie lautet der gesamte Erlass? (Bitte beifügen) Frage 2: Wann wurde der Erlass welchen Behörden zugestellt? Frage 3: Inwieweit wurde der Erlass mit bisher welchem Ergebnis umgesetzt? Frage 4: Aus welchen Gründen wurde der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf ihren Antrag „Gefahr rechtsextremistischer Gewalttaten verringern — Entwaffnung extremer Rechter in Sachsen endlich konsequent vorantreiben " (Drs 6/8294) am 16. Februar 2017 noch mitgeteilt, dass eine Versagung waffenrechtlicher Erlaubnisse bei extremen Rechten nicht möglich sei, obwohl in der Begründung des Antrags u.a. explizit auf die Mitgliedschaft in der NPD abgestellt wurde? -3791" Freisaar IK .V3MMI SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-1053/24/ 0 Dresden, (2. April 2017 -3 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3.6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang VVilhelm- Buck-Str 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN ..,cr'I Freistaat c'Im SACHSEN Frage 5: Wie begründet sich die geänderte Auffassung des Ministeriums zur Zuverlässigkeit von NPD-Mitgliedern seit der Stellungnahme vom 16. Februar 2017 zu o.g. Antrag? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 5: Das Staatsministerium des Innern schöpft den durch das Waffengesetz (WaffiG) gegebenen Handlungsrahmen aus, um in der praktischen Umsetzung den Waffenbesitz auf jene zu beschränken, die die persönlichen Voraussetzungen besitzen, um mit einem solchen Vertrauensvorschuss bedacht zu werden. Waffen gehören nicht in die Hände von Rechts- oder Linksextremisten und nicht in die Hände jener, die Recht und Gesetz nicht als für sich bindend betrachten. In Sachsen wurden mehrfach waffenrechtliche Widerrufe, die sich auf NPD-Kader bezogen , gerichtlich aufgehoben. Dies erfolgte teils unter Hinweis auf das Parteienprivileg , welches die Betrachtung des parteibezogenen Verhaltens überhaupt untersage, teils mit der Begründung, es fehle an dem Nachweis der eigenen, konkreten Aktivitäten des Betroffenen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, soweit man beispielsweise „nur" feststelle, es handele sich um einen Kreisvorsitzenden und stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD mit verschiedenen Veranstaltungsteilnahmen und Veröffentlichungen in NPD-Publikationen. Mit der Entscheidung vom 17. Januar 2017, Az.: 2 ByR 1/13, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun die NPD auch in ihrem Parteistatus als Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt. Dies führte zum Beispiel zur Erwägung, die Parteienfinanzierung neu zu regeln. Im Rahmen der oben genannten Zielstellung wurde am 13. März 2017 ein Erlass des Staatsministeriums des Innern an die Landesdirektion Sachsen (LDS) unter Bezugnahme auf eine Dienstbesprechung mit der LDS, Dienststelle Leipzig, und den unteren Waffenbehörden im Freistaat Sachsen vom 27. Januar 2017 gerichtet. Dieser weist auf das Urteil des BVerfG zum Verbotsantrag gegen die NPD und ihre Teilorganisationen und die dort gesetzten verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Auslegung des Artikels 21 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) hin. Die Anwendung dieser Maßstäbe führte zwar nicht zur gerichtlichen Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD, die die Auflösung dieser Partei zur Folge gehabt hätte, aber zur Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit der von ihr verfolgten Ziele. So strebe die NPD nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Sie ziele auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der „ethnischen Volksgemeinschaft '' ausgerichteten autoritären Nationalstaat. Dieses politische Konzept missachte die Menschenwürde aller, die der „ethnischen Volksgemeinschaft" nicht angehören , und sei mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeite nach den Feststellungen des BVerfG auch planvoll und qualifiziert auf die Erreichung ihrer Ziele hin. Es fehle jedoch nach Auffassung des höchsten deutschen Gerichts an konkreten gewichtigen Anhaltspunkten, die es zumindest möglich erscheinen Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN lassen, dass dieses Handeln der NPD als Partei zum Erfolg führt. Deshalb ergebe sich kein Verbot der NPD. Das Bundesverfassungsgericht weise jedoch klar darauf hin, dass etwa auf Einschüchterung, Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden müsse. Waffenrecht sei präventives Sicherheitsrecht und die Feststellungen des BVerfG über die Verfassungsfeindlichkeit der von der NPD verfolgten Ziele führten — so der Erlass — auch angesichts des Hinweises des Gerichts auf das Verhältnis des Artikels 21 Abs. 2 zu Artikel 9 GG als lex specialis dazu, dass Inhaber waffenrechtlicher Erlaub-nisse, die als Anhänger oder Mitglieder der NPD deren Bestreben unterstützt haben, regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 VVaffG zu gelten haben, da es sich bei der unterstützten Bestrebung um eine gegen die verfassungsmäßige Ordnung gehandelt habe. Die LDS wurde daher gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass die Waffenbehörden in Bezug auf die vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gemeldeten Mitglieder der NPD unverzüglich in aktuelle waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfungen eintreten und die waffenrechtlichen Erlaubnisse aufheben, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen . Um eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Waffenbehörden sicherzustellen , sei das LfV in einer Besprechung am 28. Februar 2017 gebeten worden, Hinweise auf NPD-Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen für die NPD im Wege der Spontanübermittlung und im Rahmen des § 12 Abs. 1 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz an die LDS zu geben. Soweit in der Fragestellung auf die Vorlage des Erlasses hingewirkt wird, so wird auf die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 19. Juli 2012, AZ.: Vf. 102-/-11, verwiesen, wonach das parlamentarische Fragerecht keinen Anspruch auf Aktenvorlage umfasst. Der Inhalt ist hier in der Antwort beschrieben. Die am 17. März 2017 eingereichte Kleine Anfrage wünscht Auskunft, mit welchem Ergebnis der Erlass bisher umgesetzt worden sei. Wie bereits oben erwähnt wurde der Erlass am 13. März 2017 an die LDS gerichtet. Durch die LDS wurde dieser Erlass an die sächsischen Waffenbehörden in den Landkreisen und Kreisfreien Städten mit Anschreiben vom 21. März 2017 am 22. März 2017 übermittelt und damit umgesetzt. Da der Zeitpunkt der Fragestellung durch den Abgeordneten zeitlich vor der Bekanntgabe des Erlasses an die unteren Waffenbehörden liegt, lassen sich Ergebnisse nicht aufzeigen . Der Fragesteller geht zugleich auf einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein, mit dem gefordert wurde, pauschal Anträge auf waffenrechtliche Erlaubnisse von Personen abzulehnen, zu denen „hinreichende Anhaltspunkte" vorliegen, dass sie — so wörtlich - der „extremen Rechten" zuzurechnen sind. Der Begriff der „extremen Rechten" ist eine Gesinnungszuweisung, die von politischen Akteuren in bewusster Abgrenzung zum auch als gesetzlichem Tatbestandsmerkmal verwendeten Begriff „Extremismus" genutzt wird. Freistaat SAC]-! SEN Seite 3 von 4 STAATSM1NISTERIUM DES INNERN Die Stellungnahme der Staatsregierung zu diesem Antrag beschränkte sich darauf, auf die Untauglichkeit und Rechtswidrigkeit der konkret aufgestellten Forderung hinzuweisen : Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 des WaffG begründet der Nachweis, dass Personen einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnu oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, verfolgen oder unterstützen oder in den letztpn fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die Regelvermutung der Unzuverl •ssioikeit. Mit freundllichen Grüßen i I'L••• • MAus Ulbig Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2017-04-13T14:19:42+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes