STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freista t SACHSEN Freista t SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/8915 Thema: Kontrollbereich in Leipzig ab 17. März 2017 Sehr geehrter Herr Präsident , den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Ab 17. März 2017 war für das Stadtgebiet von Leipzig ein Kontrollbereich ausgewiesen. Dies bekamen zahlreiche Menschen, die sich insbesondere im Leipziger Süden im öffentlichen Raum bewegten, mittels Kontrollen und Durchsuchungen am eigenen Leib zu spüren. Die räumliche und zeitliche Ausdehnung des Kontrollbereichs wurde der Öffentlichkeit nicht klar kommuniziert." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche tatsächlichen Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten lagen der Einrichtung des Kontrollbereichs zugrunde? Die Gefahrenprognose beinhaltete, dass zum fraglichen Termin im Zusammenhang mit einer Versammlung der Partei „Die Rechte" und angekündigten Protesten in und außerhalb der angezeigten Veranstaltungsorte in der Stadt Leipzig Straftaten erwartet wurden. Grundlage waren Erfahrungen mit den gewalttätigen Ausschreitungen am 12. Dezember 2015 sowie die 2017 veröffentlichten Aufrufe im Internet seitens verschiedener Personen und Vereinigungen/Bündnisse aus den sich gegenüberstehenden Lagern der linksautonomen sowie rechtsextremistischen Szene in Leipzig und dem übrigen Bundesgebiet sowie des Weiteren Aufrufe mittels Plakaten und Flyern im Stadtgebiet. Am 12. Dezember 2015 kam es am Rande der Versammlung des gleichen Veranstalters (Partei „Die Rechte") in der gleichen räumlichen Region des Leipziger Stadtgebietes zu massiven Angriffen auf Polizisten und deren Einsatzmittel sowie zu Gewaltanwendungen gegen Sachen und Objekte durch Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-1053/24756 Dresden, . April 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMIN1STERIUM DES INNERN L7= Freistaat SACHSEN ca. 1.500 linksmotivierte Gewalttäter. Es wurden 79 Polizeibeamte verletzt und 50 Dienstfahrzeuge beschädigt bzw. zerstört. Darüber hinaus gab es eine Vielzahl von weiteren Beschädigungen an öffentlichen Einrichtungen und bei Dritten. Die Gesamtsachschadenshöhe bewegt sich im mittleren sechsstelligen Bereich. Neben Körperverletzungsdelikten, Sachbeschädigungen und Landfriedensbruch wurden auch gemeingefährliche Straftaten i. S. d. § 100a Abs. 2 Buchstabe s) Strafprozessordnung (StPO) begangen, wie Brandstiftung an Kraftfahrzeugen gemäß § 306 StGB, besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB), indem das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert wurde sowie gefährliche Eingriffe in den Bahn,- Schiffs- und Luftverkehr gemäß § 315 Abs. 3 StGB, indem durch Brandanschläge auf Signalanlagen und/oder durch Bereiten von Hindernissen auf Bahnanlagen des Schienenbahnverkehrs ein Unglücksfall herbeigeführt werden sollte. Für den Veranstaltungstag riefen verschiedene Gruppen ihren Anhang zur Konfrontation auf. Auf der Internetplattform www.linksunten.indymedia.org wurde unter anderem unter mit dem Motto: „Leipzig — 18. März FIGHT NAZIS & COPS Naziaufmarsch verhindern !" und „18.03.2017 LEIPZIG NAZIAUFMARSCH VERHINDERN, SIE WERDEN NICHT DURCHKOMMEN, LEIPZIG BLEIBT ROT" mobilisiert. Die Antifa Leipzig richtete einen Appell an die Bevölkerung im Leipziger Süden und bat darum, Sperrmüll für den Barrikadenbau zur Verfügung zu stellen und Rückzugsmöglichkeiten in Hinterhöfe zu schaffen, wenn „Menschen ... von Neonazis oder Polizisten angegriffen werden." Andererseits kündigten etwa Personen aus der „Brigade Halle" ihr Kommen über den Nachrichtendienst Twitter mit den Emoticons „Faust" und „Bombe" an. Unter Zugrundelegung dessen und weiterer Erkenntnisse lagen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass Straftaten nach § 100a StPO bzw. § 28 Sächsisches Versammlungsgesetz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und mit der Einrichtung des Kontrollbereichs verhindert werden können. Dabei wurde eingeschätzt , dass sich diese Straftaten nicht nur auf die eigentlichen Veranstaltungen am 18. März 2017 begrenzen lassen, sondern ebenso wie am 12. Dezember 2015 die gewalttätigen Ausschreitungen bereits zuvor stattfinden oder sich in den Morgenstunden des 19. März 2017 fortsetzen würden. Frage 2: Welche räumliche und zeitliche Dimension hatte der Kontrollbereich? Der Kontrollbereich wurde vom 17. März 2017, 21:00 Uhr bis zum 19. März 2017, 09:00 Uhr für das Gebiet der Kreisfreien Stadt Leipzig eingerichtet. Seite 2 von 5 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Freistaat - SACHSEN Frage 3: Wie viele Personen wurden innerhalb des Kontrollbereichs kontrolliert, deren mitgeführte Gegenstände in Augenschein genommen, durchsucht, des Platzes verwiesen bzw. vorläufig festgenommen? (bitte nach Datum und Uhrzeit, Ortsangabe und Angabe des vorgeworfenen Delikts auflisten) Die Frage kann nicht beantwortet werden, da weder von der Polizeidirektion Leipzig eine gesonderte Statistik zu Kontrollen und deren Ergebnissen geführt, noch dies anderweitig zentral dokumentiert wird. Frage 4: Wie viele Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wurden nachweislich aufgrund der erweiterten polizeilichen Befugnisse festgestellt, geahndet oder verhindert? (bitte nach Datum und Uhrzeit, Ortsangabe, Personenzahl und Deliktsbenennung auflisten) Eine gesonderte Statistik zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, die im Zusammenhang mit polizeilichen Befugnissen aufgrund der Einrichtung von Kontrollbereichen festgestellt und geahndet werden, wird durch die Polizeidirektion Leipzig nicht geführt. Inwieweit die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekannten polizeilichen Feststellungen auf Grundlage des angeordneten Kontrollbereiches ermöglicht oder mit dieser Rechtsgrundlage im Zusammenhang stehen, kann daher nicht valide mitgeteilt werden. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Sächsische Verfassung ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das der Staatsregierung präsent ist, sowie jene Informationen, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand zumindest in ihren Geschäftsbereichen eingeholt werden können, mitgeteilt wird (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 19-1-97). Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden (SächsVerfGH, a.a.0). Zur Vorbereitung der Beantwortung ist eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen . Die Sachverhaltsermittlung ist jedoch im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags beschränkt. Bei der Sachverhaltsermittlung kann daher nicht in jedem Fall das Ausschöpfen jeder denkbaren Erkenntnisquelle verlangt werden (SächsVerfGH, a.a.0). Elektronisch mit erheblichem Aufwand recherchierbar ist allein, welche dieser Straftaten dem Kontrollbereich der Stadt Leipzig in zeitlicher Hinsicht zugeordnet werden können . Für den angefragten Zeitraum wurden für das Gebiet der kreisfreien Stadt Leipzig 231 Straftaten im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen und 59 Ordnungswidrigkeiten in der Datei Integriertes Vorgangsbearbeitungssystem (IVO) registriert, deren Feststellungen im Rahmen der erweiterten Befugnisse als möglich anzusehen sind bzw. als Grund des Einschreitens zulässig wären, wobei vor Ort geahndete Ordnungswidrigkeiten in IVO nicht erfasst und somit auch nicht recherchierbar sind. Seite 3 von 5 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Freistaat1'11 1 SACHSEN Zu sämtlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten müssten die Verfahrensakten daraufhin gesichtet werden, ob die betreffenden Straftaten tatsächlich aufgrund der polizeilichen Befugnisse aufgrund der Einrichtung der betreffenden Kontrollbereiche festgestellt oder geahndet wurden oder ob die Feststellung der Straftat z. B. aufgrund einer Anzeige erfolgte. Da der Kontrollbereich anlässlich der vielzähligen Versammlungslagen am 18. März 2017 angeordnet und durchgeführt wurde, dieser Bereich aber räumlich das gesamte Stadtgebiet umfasste, wäre die händische Durchsicht und Auswertung aller Verfahrensakten erforderlich um festzustellen, ob eine erfasste Straftat im Sachzusammenhang mit den Versammlungslagen verübt wurde oder zur Alltagskriminalität oder zu sonstigen Anlässen zu zählen ist. Hierfür ist pro Verfahrensakte ein Zeitaufwand von mindestens 30 Minuten erforderlich, d. h. ein Arbeitsaufwand von 145 Stunden bzw. über 18 Arbeitstagen zu je acht Stunden. Erst die so recherchierten Strafverfahrensakten könnten dann nach den Vorgaben der Fragestellung ausgewertet werden. Vorstehende Ausführungen gelten im Wesentlichen auch für Ordnungswidrigkeitenverfahren , wobei vor Ort geahndete Ordnungswidrigkeiten in IVO nicht erfasst und somit auch nicht auswertbar sind. Soweit im Rahmen der Fragestellung auch nach der Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten aufgrund der polizeilichen Befugnisse infolge der Einrichtung eines Kontrollbereichs gefragt wird, wird darauf verwiesen, dass spezielle Angaben im Sinne der Fragestellung nicht erhoben werden, weil die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen nicht bezifferbar ist. Die Beantwortung der Frage 4 ist im Ergebnis nicht vollständig möglich. Selbst eine Teilantworterweist sich nach der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung andererseits als unverhältnismäßig und ist in der zur Verfügung stehenden Zeit ohne erhebliche Einschränkungen der sächsischen Polizei nicht zu leisten. Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUNI DES INNERN kT="9 Freistaat7, SACHSEN Frage 5: Warum hat die Polizei die Öffentlichkeit erst am Morgen des 18. März 2017 mit einer Twitter-Information über die Einrichtung des Kontrollbereichs informiert und warum wurden dabei nicht die räumliche und zeitliche Ausdehnung sowie die Konsequenzen für die Bürgerinnen dargestellt? Bei der Einrichtung eines Kontrollbereiches handelt es sich um eine taktische Maßnahme der Polizei zur Gefahrenabwehr, deren vorzeitige detaillierte öffentliche Bekanntgabe dem eigentlichen Zweck zuwiderlaufen und einen möglichen Meidungs- und Verdrängungseffekt erzeugen könnte. Sie beruht auf einer jeweils zu konkretisierenden Gefahrenprognose und es liegt in der Natur der Sache, dass diese bei dynamischen Lagen erst kurz vor dem Ereignis finalisiert werden und dem Staatsministerium des Innern zur Zustimmung vorgelegt werden kann. Gleichwohl ist vorliegend durch das Social-Media-Team der Polizei bereits in den Abendstunden des 17. März 2017 nach einer eh`tsprechenden Thematisierung auf der Internet -Plattform „Twitter" die Einrichtung eines Kontrollbereiches bestätigt worden. Insofern ist die Information vom 18. März 2017 lediglich als Konkretisierung im aus gefahrenabwehrendem Interesse vertretbaren Umfang zu betrachten. Mit freundlichen Grüßen Markus Ulbig, Seite 5 von 5 2017-04-13T14:17:54+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes