STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Muster, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/8977 Thema: Cyber-Grooming Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zum Phänomen „Cyber-Grooming" vor? Cyber-Grooming meint in Deutschland das gezielte Ansprechen Minderjähriger über das Internet mittels elektronischer Informations- oder Kommunikationstechnologie , z. B. via Chat- oder Videoprogrammen. Dabei wird zunächst ein Vertrauensverhältnis zu dem Minderjährigen aufgebaut, um anschließend gegebenenfalls Straftaten, wie zum Beispiel das Anfertigen von kinderpornographischen Aufnahmen oder sexuellen Missbrauch an dem Minderjährigen, zu verüben. Gemäß einer aktuellen Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein- Westfalen (LfM) zur Nutzung von Smartphones und (mobilem) Internet' hat von den befragten Kindern und Jugendlichen annähernd jeder Dritte bereits persönliche Erfahrungen mit der Zusendung fremder bzw. unerwünschter Nachrichten im Internet gemacht. Durch die zunehmende Digitalisierung und Nutzung neuer Medien in der Altersgruppe Kinder und Jugendliche steigt das Risiko, durch einen Cyber-Groomer sexuell kontaktiert zu werden. Frage 2: Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Personen gab es in Sachsen seit 2012 wegen Straftaten, die mit dem „Cyber-Grooming" in Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-1053/24/82 Dresden,b.April 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3,6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. 1 Mediatisierung mobil. Handy- und mobile Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen. http://www.lfm-nrw.de/foerderung/forschung/abgeschlossene-projekte/schriftenreihemedienforschung /mediatisierung-mobil.html STAATS111N1STER1UM DES INNERN Zusammenhang stehen und mit welchem Ergebnis wurden die Ermittlungsverfahren abgeschlossen? Sofern „Cyber-Grooming" statistisch nicht gesondert erfasst werden sollte: Wie werden diese neuen Phänomene der Internetkriminalität dann statistisch erfasst? Die Beantwortung der Frage erfolgt auf der Grundlage von Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Das Phänomen Cyber-Grooming wird in der PKS nicht separat erfasst. Bei Cyber- Grooming handelt es sich in der Regel um Straftaten gern. § 176 Abs. 4, Nr. 3 und 4 Strafgesetzbuch (StGB) (Schlüsselzahl 131400 — Einwirken auf Kinder), bei denen das sexuell motivierte Einwirken auf Kinder über das Internet erfolgt. Seit dem Jahr 2012 wurden insgesamt 129 Fälle mit insgesamt 104 Tatverdächtigen zur Straftatengruppe Einwirken auf Kinder gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB mit dem Tatmittel Internet erfasst. Im angefragten Zeitraum wurden entsprechende Ermittlungsverfahren2 wie folgt abgeschlossen : — sieben Einstellungen nach § 45 II Jugendgerichtsgesetz (JGG), erzieherische Maßnahme — zwei Einstellungen nach § 45 JGG, Voraussetzungen § 153 Strafprozessordnung — fünf Einstellungen nach § 152 Abs. 2 StPO, angezeigtes Verhalten erfüllt keinen Straftatbestand — drei Einstellungen nach § 17011 StPO wegen erwiesener Unschuld — eine Einstellung nach § 153a I StPO, Geldbetrag — eine Einstellung nach § 153a I StPO, gemeinnützige Leistung — drei Einstellungen nach § 154 I StPO — eine Einstellung nach § 154 II StPO durch den Jugendrichter — sechs Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO, weil Kind gern. § 19 StGB — 19 Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO, weil Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld nicht nachweisbar — eine Einstellung nach § 170 II StPO, Tat erfüllt keinen Straftatbestand — zehn Einstellungen nach § 170 II StPO, weil Täter nicht ermittelt — eine Einstellung nach § 170 II StPO, weil Verfahrenshindernis — eine Einstellung nach § 45 III JGG, Maßnahmen nach dem Jugendrecht — zwei Einstellungen wegen Geringfügigkeit gern. § 153 I StPO — zwei Freiheitsstrafen — eine Freiheitsstrafe zur Bewährung — eine Freiheitsstrafe zur Bewährung, Strafbefehl — zehn Freiheitsstrafen zur Bewährung, Urteil — zwei Freisprüche — 12 Geldstrafen, Strafbefehle 2 Die PKS ist nicht mit der Strafverfolgungsstatistik der Justiz (Verurteilungsstatistik) vergleichbar , da sich der Erfassungszeitpunkt um die Zeitspanne zwischen polizeilichem Abschluss und rechtskräftiger Entscheidung verschiebt, die Erfassungsgrundsätze unterschiedlich sind und der einzelne Fall im Justizbereich eine andere strafrechtliche Bewertung erfahren kann. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN — drei Geldstrafen, Urteile — eine Geldstrafe, Beschluss gern. § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO — eine gerichtliche Einstellung nach §§ 47 JGG i. V. m. 45 Abs. 2 JGG - Maßnahme bis Hauptverhandlungstermin durchgeführt — eine Maßnahmen/Zuchtmittel In vier Verfahren wurde Anklage vor dem Jugendrichter erhoben, in einem Fall vor dem Strafrichter. Drei Verfahren sind bei der Staatsanwaltschaft anhängig, in zwei Verfahren sind die Angeklagten in Berufung gegangen. Vier Verfahren wurden an Staatsanwaltschaften außerhalb Sachsen abgegeben. Frage 3: Sind nach Auffassung der Staatsregierung die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Entdeckung, Aufklärung und Verfolgung des Cyber-Groomings ausreichend? Wenn nein, welchen Bedarf hat die Staatsregierung dabei festgestellt? Von einer Beantwortung seitens der Staatsregierung wird abgesehen. Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Gemäß Art. 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser Informationspflicht der Staatsregierung nach Art. 50 SächsVerf entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Staatsregierung nach Art. 51 SächsVerf. Das Fragerecht kann jedoch nicht dazu dienen, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten Informationen zu verschaffen (SächsVerfGH, Urteil vom 22. April 2004, Vf. 44-1-03). Frage 4: Inwiefern werden Kinder und Jugendliche in den sächsischen Schulen auf die neuen Gefahren des Cyber-Groomings hingewiesen / aufgeklärt? Cyber-Grooming als Methode, mit der Täter ihre zukünftigen Opfer erkunden und zielgerichtet für einen möglichen sexuellen Missbrauch manipulieren, hat im schulischen Kontext primär im Bereich der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch Relevanz. Neben lehrplanbezogenen Schnittstellen zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs sind Schulleitungen angehalten, das Thema sexueller Kindesmissbrauch auf der Grundlage des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG - Bundeskinderschutzgesetz — Kindeswohlgefährdung) mit ihrem Kollegium zu thematisieren . Zudem benennt der Orientierungsrahmen zur Familien- und Sexualerziehung an sächsischen Schulen als Zielstellung, Schüler über die Gefahren sexuellen Missbrauchs, sexueller Ausbeutung sowie sexuell übertragbarer Krankheiten aufzuklären und zu deren Abwehr beizutragen sowie auf schulische, gesellschaftliche und staatliche Hilfsangebote und auch auf rechtliche Zusammenhänge hinzuweisen, insbesondere unter Beachtung von Lehrplanbezügen (sexueller Missbrauch). Freistaat SACHSEN Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Freistaat e+. SACHSEN Ein zentrales Element ist dabei die Kooperation mit Eltern. Eltern sind in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung bei der Erziehung ihrer Kinder zu stärken. Insbesondere sollen sie die Gefahren des Internets erkennen und mit ihren Kindern Strategien zum Selbstschutz entwickeln. Neben der Vermittlung von lehrplanbezogenen und ergänzenden Inhalten kann die Schule Eltern auf regionale Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie die zumeist onlinebasierten Informationsplattformen verweisen. Zudem leistet schulische Lebenskompetenzförderung einen wesentlichen Beitrag, Schüler in ihren selbstbestimmten Entscheidungen zu stärken und sie zu befähigen, die Konsequenzen ihres Handelns folgenkritisch einzuschätzen. Vielfältige Unterstützungsangebote für Schulen zum Cyber-Grooming sind im Onlineportal zur Förderung von Lebenskompetenz (www.lernportal-sachsen-lebenskompetenz.de) eingestellt und stehen damit für die konkrete schulische Arbeit vor Ort zur Verfügung. Diese sind in den Themenfeldern „Medienbildung", „Gewaltprävention", „Sexuelle Gesundheit" und „Physisches und Psychisches Wohlbefinden" zu finden. Exemplarisch kann auf das Workshop- Programm „Respekt - dein Körper gehört dir!" (http://www.awoshukura .de/anciebote.php) verwiesen werden. Die sächsische Polizei führt landesweit Schülerveranstaltungen in den Klassenstufen 5 und 6 mit den Schwerpunktthemen Cyber-Mobbing und Urheberrechtsverletzungen durch. Die Veranstaltungsziele werden gegebenenfalls mit denen in den Schulen realisierten Präventionsprogrammen und den relevanten Lehrplaninhalten abgestimmt. Unmittelbare Ziele der Veranstaltungen zum Thema Cyber-Mobbing sind, die grundlegende Problematik kennenzulernen, mögliche Motive der handelnden Personen zu erkennen, über den Strafzusammenhang zu informieren und Vorbeugungsmaßnahmen zu diskutieren. Dabei wird, sofern entsprechender Bedarf besteht, auch das Thema Cyber-Grooming behandelt. Auch wenn dieses Thema nicht expliziter Schwerpunkt der Schülerveranstaltungen ist, lassen die eingesetzten Bediensteten dieses Thema in den Unterricht kompetent einfließen. Im Fall von Cyber-Grooming werden keine selektiven Präventionsangebote forciert, vielmehr greifen die generalpräventiven Mechanismen. Der Landespräventionsrat Sachsen beschäftigt sich u. a. in der Arbeitsgruppe „Digitale Medien" sowie im Arbeitsansatz „Prävention im Team" (PiT) mit Präventionsherausforderungen im Bereich der digitalen Welt. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/5956 sowie auf die zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/6353 wird verwiesen. Frage 5: Welche Beratungsstellen gibt es für betroffene Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Eltern und wie viele Betroffene wandten sich seit 2012 jährlich an die Beratungsstellen? Opfer von Cyber-Grooming können im Freistaat Sachsen die Beratungsangebote und Unterstützung von Opferschutzverbänden wie beispielsweise des WEISSEN RINGES e. V. und der Opferhilfe Sachsen e. V. in Anspruch nehmen. Betroffenen steht es zudem grundsätzlich frei, bei jeder Polizeidienststelle Cyber-Grooming zur Anzeige zu bringen. Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN In den regionalen Kooperationen der Regionalstellen der Sächsischen Bildungsagentur mit den jeweiligen Polizeidirektionen und Landratsämtern/Kreisfreien Städten werden iSchul Unterstützungsangebote zur Gesundheitsförderung und Prävention unterbreitet , di u..». Themen wie Gefahren im Internet und sexueller Missbrauch aufgreifen. Als Beis el iht die Kooperation PiT-Ostsachsen zu nennen (www.pit-ostsachsen.de). Einet staitistische Erfassung von Beratungsfällen erfolgt nicht. Mitlfreu,pdli9hen Grüßen V Markus Ulbi Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2017-04-21T10:34:25+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes