STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Postfach 10 03 29 | 01073 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon: 0351 564-8001 Telefax: 0351 564-8024 Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/9015 Thema: Nachqualifizierungsmaßnahmen für Geflüchtete und andere Zuwanderer*innen Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 22-1053/68/8 Dresden, 2 7. Apfll ZÖ17 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: Laut den „Praxishinweisen zur Anwendung des Mindestlohngesetzes im Kontext der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen" der Bundesministerien für Arbeit, Finanzen und Bildung sollen Geflüchtete und Zuwanderer*innen, die zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses eine nachträgliche Qualifikation im Betrieb benötigen, in dieser Zeit kein Anrecht auf eine Bezahlung nach dem Mindestlohngesetz haben. „Rechtsänderungen oder Änderungen der Verwaltungs- beziehungs¬ weise Kontrollpraxis sind hiermit nicht verbunden", heißt es in dem Papier, das ein „Bestandteil des Informationsangebots der Bundesre¬ gierung" sei. Zertifikat seit 2006 audlt bcrufundfamlllc Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Sowohl das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufs¬ qualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - BQFG) für die bun¬ desrechtlich geregelten Berufe als auch das Sächsische Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Sächsisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - SächsBQFG) für die landesrecht¬ lich geregelten Berufe sowie weitere diesbezügliche berufsspezifische Ge¬ setze und Rechtsverordnungen sehen im Rahmen des förmlichen Verfahrens zur Feststellung der Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbe¬ nen beruflichen Qualifikation mit einem inländischen reglementierten Beruf Möglichkeiten vor, bei festgestellter teilweiser Gleichwertigkeit noch beste¬ hende wesentliche Unterschiede zwischen den nachgewiesenen Berufsqua¬ lifikationen und der entsprechenden inländischen Referenzqualifikation durch Anpassungslehrgänge oder Eignungsprüfungen auszugleichen. Seite 1 von 5 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Wilhelm-Buck-Straße 2 01097 Dresden Außenstellen: Hoyerswerdaer Straße 1 01099 Dresden Glacisstraße 4 01099 Dresden www.smwa.saohsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 7, 8 Hallestelle Carolaplatz Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente. STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Personen ohne anerkannten Berufsabschluss im nicht reglementierten Bereich kann durch Anpassungsqualifizierung ermöglicht werden, die volle Gleichwertigkeit ihrer Berufsqualifikation zu erlangen. Dies erfolgt aber außerhalb des förmlichen Verfahrens zur Feststellung der Gleichwertigkeit, es muss dann ein erneuter Antrag gestellt wer¬ den. Die Anpassungsqualifizierungen enthalten häufig - wenngleich nicht immer - prakti¬ sche Tätigkeiten im Betrieb, die dem Erwerb bestimmter beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen dienen. Entsprechend der Vorbemerkung in der Kleinen Anfrage wird davon ausgegangen, dass sich die Fragen nur auf solche Maßnahmen zur Anpassungsqualifizierung bezie¬ hen, in denen auch praktische Tätigkeiten im Betrieb ausgeübt werden. Auch wird da¬ von ausgegangen, dass die Fragen nur auf jene Maßnahmen abzielen, die im Kontext der Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Qualifikationen erforderlich sind. Nicht erfasst sind demnach Maßnahmen zur beruflichen Nachqualifizierung, bei denen Angelernte bzw. Personen ohne anerkannten Berufsabschluss an einen staatlich aner¬ kannten Berufsabschluss herangeführt werden, um damit in die Lage versetzt zu wer¬ den, einen Ausbildungsabschluss zu erwerben. Für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme und einer sich daran anschließenden Prüfung zum Zweck der Berufsanerkennung existiert mit § 17a AufenthG ein eigen¬ ständiger Aufenthaltstitel. Ungeachtet dessen besteht der gesetzliche Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren unabhängig vom Aufenthaltsstatus (siehe zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage Drs. 6/8879). Frage 1: Wie viele Geflüchtete oder Zuwanderer*innen befinden sich in Sachsen in Nachqualifizierungsmaßnahmen zum Zweck der Be¬ scheinigung der Gleichwertigkeit ihres Abschlusses mit dem ent¬ sprechenden hiesigen? (bitte ggf. nach Wohnorten aufschlüsseln) Frage 2: In welchen Tätigkeits-Bereichen werden die unter 1. erfragten Per¬ sonen nachqualifiziert? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Belastbare statistische Daten zur Zahl der Geflüchteten und Zugewanderten, die sich in Sachsen in Anpassungsqualifizierungen im Sinne der oben genannten Gesetze befin¬ den, liegen nicht vor. Die nachfolgende Tabelle beschränkt sich auf diejenigen Personen, die eine Aufent¬ haltserlaubnis nach § 17a AufenthG besitzen, die sich also für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme und einer sich daran anschließenden Prüfung zum Zweck der An¬ erkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation in Sachsen aufhalten. In¬ wiefern diese Maßnahmen praktische Bestandteile in Betrieben beinhalten, kann nicht gesagt werden. Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat S ACH SEIN Personen mit Aufenthaltserlaubnissen nach § 17a AufenthG Ausländerbehörde Anzahl Personen Wohnorte Tätigkeitsbereiche Stadt Dresden 5 Dresden Ärztin Dresden Apothekerin Dresden Apotheker Dresden Apotheker Dresden Pflegedienst Stadt Leipzig 7 Leipzig Medizin Leipzig Pharmazie Leipzig Zahnarzt Leipzig Medizin Leipzig Medizin Leipzig Pharmazie Leipzig Medizin Landkreis Bautzen 1 Kamenz Ärztlicher Praktikant, Chirurgie Landkreis Leipzig 2 Neukieritzsch Zahnarzt Neukieritzsch Zahnarzt Für die Personengruppe der Geflüchteten bilden die Ausländerakten der Ausländerbe¬ hörden keine belastbare Datengrundlage, da einerseits die Erteilung einer Genehmi¬ gung zur Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme durch die Ausländerbehörden statistisch nicht erfasst wird, andererseits aber anerkannte Flüchtlinge und Asylbewer¬ ber/innen keiner Erlaubnis der Ausländerbehörde zur Durchführung einer Qualifizie¬ rungsmaßnahme bedürfen. Es wird auch auf die Antwort zu Frage 2 Abs. 2 der Kleinen Anfrage Drs. 6/8842 verwiesen. Auch seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfolgt keine statistische Erfassung zu Anpassungsqualifizierungen zum Zweck der Feststellung der Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikation. Die Feststellung der Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikation erfolgt durch die in den oben aufgeführten Gesetzen benannten zuständigen Stellen. Diese prüfen die Gleichwertig¬ keit der Qualifikationen und legen gegebenenfalls im Rahmen eines Zwischenbe¬ scheids Inhalt und erforderliche Dauer der Anpassungsqualifizierung fest. Wenn alle Fördervoraussetzungen vorliegen, kann die BA mittels eines Bildungsgutscheines eine solche Qualifizierung fördern. Statistisch wird dies aber lediglich als Förderung einer Weiterbildung erfasst. Frage 3: Welche Kenntnis hat die Staatsregierung über die Bezahlung der betroffenen Personen im Sinne des Mindestlohngesetzes? Es kann Zugewanderte geben, die während der Berufsanerkennung bereits in Beschäf¬ tigung sind. Stellt die zuständige Stelle einen Qualifizierungsbedarf fest und der derzei¬ tige Arbeitgeber ist ebenfalls an der Qualifizierung und der damit einhergehenden Berufsanerkennung interessiert, kann die BA die Qualifizierung während der Beschäfti¬ Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR gung anteilsmäßig fördern. Im Vorfeld einer Förderzusage wird der Arbeitsvertrag auf Rechtmäßigkeit überprüft. Arbeitslose bzw. arbeitsuchende Zugewanderte, die im Rahmen der Berufsanerken¬ nung einen Qualifizierungsbedarf nachweisen, können durch die BA in eine Weiterbil¬ dungsmaßnahme zugewiesen werden. Diese Maßnahme kann auch ein Praktikum bei einem Arbeitgeber beinhalten. Betroffene Arbeitslose sind entweder weiterhin im Leis¬ tungsbezug (Alg I oder Alg II) oder unter Umständen auch Nichtleistungsempfänger. In allen Fällen werden die betroffenen Arbeitslosen aber nicht durch den Arbeitgeber ent¬ lohnt, da es sich um eine Förderung seitens der BA handelt. Eine Überprüfung im Hin¬ blick auf die Zahlung von Mindestlohn entfällt damit. Arbeitslose bzw. arbeitsuchende Zugewanderte, die sich selbst ein Praktikum oder eine Beschäftigung suchen und sich bei Arbeitsagentur oder Jobcenter abmelden, werden im Rahmen der Beratungspflicht auf das Mindestlohngesetz hingewiesen. Eine Über¬ prüfung kann durch die BA jedoch grundsätzlich nicht stattfinden. Sollte die BA jedoch von rechtswidrigen Arbeitsverträgen Kenntnis erlangen, wird als überprüfende Stelle der Zoll informiert. Anders verhält es sich bei arbeitslosen bzw. arbeitsuchenden Zugewanderten mit nach¬ rangigem Arbeitsmarktzugang. Hier wird die BA am Beschäftigungserlaubnisverfahren der Ausländerbehörden beteiligt. In diesen Fällen erfolgt eine Prüfung der Beschäfti¬ gungsbedingungen. Darüber hinaus gehende konkrete Erkenntnisse zur Bezahlung der betroffenen Perso¬ nen liegen der Staatsregierung nicht vor. Frage 4: Welche Auffassung vertritt die Staatsregierung zur eingangs er¬ wähnten, von den entsprechenden Bundesministerien vertretenen Sonderausiegung des Mindestlohngesetzes für Zuwanderer*innen und Geflüchtete? Die Sächsische Staatsregierung vertritt die in dem Sachstandspapier zur Mindestlohnfreiheit von Anpassungspraktika nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (WD 6 - 002/17) geschilderte Auffassung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Aus Sicht der Sächsischen Staatsregierung können betriebliche Phasen der Anpas¬ sungsqualifikationen im Kontext der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse grundsätzlich von ihrer Zweckbestimmung her als Praktika im Sinne der Definition des § 22 Abs. 1 Satz 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) angesehen werden. Eine ausdrückliche Ausnahme vom allgemeinen Mindestlohn für die Anpassungspraktika enthält das Mi¬ LoG jedoch nicht. In diesem Zusammenhang wird auf das Sachstandspapier zur Mindestlohnfreiheit von Anpassungspraktika nach dem BQFG der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 6 - 002/17) verwiesen. Demnach ergibt sich die analoge Anwend¬ barkeit zwar nicht aus dem Wortlaut, der Systematik oder dem gesetzgeberischen Wil¬ len, jedoch nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens ergibt sich keine ausdrückliche Erwähnung der Anpas¬ Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR sungspraktika, so dass Raum für eine analoge Anwendung nach Sinn und Zweck der Regelung besteht. Diese wird von den Wissenschaftlichen Diensten ausführlich herge¬ leitet und begründet: • Anpassungspraktika und vom Privileg erfasste Praktika haben gemeinsam, dass sie durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und ein angestrebter Bildungsabschluss ohne das Praktikum nicht erreicht werden kann. • Missbrauch wird durch die anderweitige abstrakt-generelle Anordnung und Ausgestaltung des Praktikums vorgebeugt. • Sinn der Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht für bestimmte Pflichtpraktika war es, dass das Angebot derartiger Praktika in ausreichendem Maße sicher¬ gestellt werden sollte (keine künstliche Verknappung). Dieses Argument greift auch für die Anpassungspraktika. Die in den Auslegungshinweisen vertretene Auffassung der Exekutive entfalte, laut Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages, keine Bindungswirkung gegenüber der unabhängigen Arbeitsgerichtsbarkeit. Es könne daher nicht mit Sicher¬ heit davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehende Auslegung von der Rechtsprechung geteilt wird. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre daher eine ausdrück¬ liche Aufnahme der Anpassungspraktika in das MiLoG durch eine entsprechende Ge¬ setzesänderung einer Erstreckung der Ausnahmenregelung im Wege der Analogie vorzuziehen. Mit freundlichen Grüßen Seite 5 von 5 2017-04-27T14:04:32+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes