STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 1 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/9328 Thema: Bestellte Amtsvormundschaft des Jugendamts nach § 1791 b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB} für unbegleitete minderjährige Ausländer *innen (umA} Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: ln den durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorgesehenen Fällen wird das Jugendamt Vormund (Amtsvormundschaft) . Es überträgt die Ausübung der Aufgaben des Amtsvormunds einzelnen seiner Beamten oder Beschäftigten . ln dem durch die Übertragung umschriebenen Rahmen ist der Beamte oder Beschäftigte gesetzlicher Vertreter des Kindes oder Jugendlichen. Soweit sich die Fragen auf vom Jugendamt begrifflich unterschiedene "Amtsvormünder" beziehen, wird deshalb davon ausgegangen, dass damit die Beamten oder Beschäftigten des Jugendamtes gemeint sind, denen das Jugendamt die Ausübung der Aufgaben des Amtsvormunds überträgt. Frage 1: Zählt es zu den Aufgaben der für umA bestellten Amtsvormünder des Jugendamtes ihre Mündel im Asylverfahren zu vertreten? Der Vormund hat die Pflicht, den Minderjährigen für den er bestellt wurde, zu vertreten. Dies umfasst grundsätzlich auch die Vertretung im Asylverfahren. Ob sich die Amtsvormundschaft des Jugendamtes im konkreten Einzelfall auf diesen Aufgabenkreis erstreckt, bestimmt das Familiengericht im Rahmen der Bestellung durch Beschluss. Verfügt ein Vormund nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es im Übrigen seine Sache, diesen Mangel an Eignung in eigener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 -) . Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund da- Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 45-0141 .51-17/418 Dresden, ~Mai2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 0 01097 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ ~ SACHsEN her um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliehe Vertretung für sein Mündel bemühen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vorschriften des § 1793 Absatz 1 Satz 1 und § 1794 BGB verwiesen. Frage 2: Inwiefern sind die örtlichen Jugendämter gegenüber den Amtsvormündern bezüglich der konkreten Ausübung der Vormundschaft weisungsbefugt? Frage 3: Inwiefern sind die örtlichen Jugendämter gegenüber den Amtsvormündern bezüglich der Vertretung der Mündel in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten weisungsbefugt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Den Beamten oder Beschäftigten, denen das Jugendamt die Ausübung der Aufgaben des Amtsvormunds übertragen hat, steht ein Beurteilungsspielraum zu, in dessen Grenzen sie keinen Weisungen im Einzelfall unterliegen. Dienstrechtliche Weisungen sind dagegen jedenfalls statthaft, soweit sie zur Vermeidung rechtswidriger Handlungen oder zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Schadens erforderlich sind. Dies gilt in allen Angelegenheiten, in denen der Vormund das Mündel vertritt, unabhängig davon, ob es sich um asyl- und aufenthaltsrechtliche oder um andere Gegenstände handelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Regelungen in § 55 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 2 und § 56 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sowie die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung hierzu (zum Beispiel Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 1999 - 111 ZR 248/98; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. April 1991 - 5 AZR 128/90) verwiesen. Frage 4: Müssen die örtlichen Jugendämter die Amtsvormünder bei der Führung der Vormundschaft unterstützen, z.B. durch Bereitstellung rechtlicher Beratung zur Vertretung der Mündel im Asylverfahren? Die Führung der Amtsvormundschaft obliegt dem Jugendamt selbst, das die Ausübung der Aufgaben des Amtsvormunds einzelnen seiner Beamten oder Beschäftigten überträgt . Nach § 72 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei den Jugendämtern hauptberuflich nur Personen beschäftigen, die sich für die jeweilige Aufgabe - hierzu gehört auch die vormundschaftliche Tätigkeit- nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte ) oder auf Grund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen. Soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert, sind mit ihrer Wahrnehmung nur Fachkräfte oder Fachkräfte mit entsprechender Zusatzausbildung zu betrauen . Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen sollen zusammenwirken, soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert. Darüber hinaus haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiter des Jugendamts sicherzustellen . Daneben besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, unbeschadet der Stellung als gesetzlicher Vertreter die Dienste des kommunalen Rechtsamtes oder der Amtsleitung unterstützend in Anspruch zu nehmen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. April Seite 2 von 3 STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ 1991 -5 AZR 128/90). Wie die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Umsetzung des Fachlichkeitsgebotes konkret ausgestalten, obliegt ihnen in eigener Verantwortung im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung. Verfügt ein Vormund nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es im Übrigen seine Sache, diesen Mangel an Eignung in eigener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Mai 2013 -XII ZB 530/11 - Rn. 18; Amtsgericht Dresden, Beschluss vom 17. August 2016 -308 F 2843/16). Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliehe Vertretung für sein Mündel bemühen. Stehen der Inanspruchnahme rechtlichen Beistands die finanziellen Verhältnisse des Mündels entgegen, ist dieser Mangel durch Inanspruchnahme von Beratungshilfe bzw. - im gerichtlichen Verfahren - von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu beheben. Frage 5: Was unternimmt das Familiengericht, wenn es davon Kenntnis erlangt, dass der Amtsvormund nicht im Sinne des Mündels handelt, wenn es z.B. der Amtsvormund unterlässt, den Mündel über Asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen aufzuklären oder das Asylverfahren zu betreiben oder Rechtsmittel bei abschlägigen das Asylverfahren betreffende Entscheidungen einzulegen? Vormünder haben die Sorge für die Person und das Vermögen im Interesse und zum Wohl des Mündels auszuüben und unterliegen dabei der Aufsicht durch das Familiengericht . Der Umfang und bestimmte Maßnahmen der Aufsicht, die gegenüber Amtsvormündern in Betracht kommen, sind insbesondere in § 1837 Absatz 2 und 3, § 1839 und § 1666 Absatz 1 und Absatz 3 Nummer 5 und 6 BGB geregelt. Gemäß § 1837 Abs. 2 BGB hat das Familiengericht über die gesamte Tätigkeit des Vormunds die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten , um im Interesse des Mündels diesen Pflichtwidrigkeiten entgegenzuwirken . § 1839 BGB verpflichtet den Vormund, dem Familiengericht auf Verlangen jederzeit über die Führung der Vormundschaft und über die persönlichen Verhältnisse des Mündels Auskunft zu erteilen. Mit freundlichen Grüßen (8. Barbara Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN 2017-05-16T10:55:02+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes