STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/9336 Thema: Tod eines Geflüchteten in Dorfhain (SOE) Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am 17. April 2017 wurde in Dorfhain die Leiche eines Mannes gefunden , der später als der 21 -jährige Geflüchtete aus dem Irak identifiziert werden konnte, der im Mai 2016 in Arnsdorf von einer Bürgerwehr gewaltsam aus einem Supermarkt gezerrt und gefesselt worden war." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Umstände des Todes des Betroffenen? Gibt es Anzeichen für einen Suizid? Der Betroffene wurde durch eine Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes am 2. Januar 2017 letztmals lebend gesehen. In der Folgezeit erfolgten mehrere Kontaktversuche seines Betreuers, die fehlschlugen. Am 24. Januar 2017 stellte sein Betreuer bei der Polizei eine Vermisstenanzeige . Anschließende umfangreiche polizeiliche Ermittlungen ergaben keine Anhaltspunkte zum Aufenthalt des Betroffenen. Am 17. April 2017 gegen 19:15 Uhr wurde der Leichnam des Betroffenen in einem Waldstück nahe der Ortschaft Dorfhain, ca. einen Kilometer Luftlinie von seiner Unterkunft entfernt, durch einen Jäger gefunden. Die Information über den Leichenfund ging am 17. April 2017 um 20:05 Uhr im Lagezentrum der Polizeidirektion Dresden ein. Am 18. April 2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Dresden, Zweigstelle Pirna, beim Amtsgericht Pirna die molekulargenetische Untersuchung der entnommenen Körperzellen zur Feststellung der Identität und die Sektion der gefundenen Leiche. Der entsprechende Beschluss wurde am 19. April 2017 erlassen und die Sektion noch am selben Tag durchgeführt. Als Todesursache wurde Unterkühlung festge- Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24b-1053/22/60 Dresden/e. Mai 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN stellt. Als Sterbedatum wurde seitens der Rechtsmediziner Januar 2017 angenommen. Es fanden sich keine Anzeichen für eine Gewaltanwendung bzw. Fremdeinwirkung. Anzeichen für einen Suizid liegen ebenfalls nicht vor. Das Ausländeramt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wurde am 19. April 2017 durch das Polizeirevier Dippoldiswalde über das Auffinden des Betroffenen informiert. Frage 2: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Lebenslagen des Betroffenen ? (Dauer des Aufenthalts in Sachsen, Stand des Asylverfahrens, Aufenthaltsstatus , Form der Unterbringung) Der Betroffene reiste im September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland nach Sachsen ein und stellte im Oktober 2015 einen Asylantrag. Am 19. Oktober 2015 wurde er dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zugewiesen. Bis zum Bekanntwerden seines Todes war über seinen Asylantrag noch nicht entschieden worden. Er war im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Der Betroffene lebte seit Juni 2016 in der Asylbewerberunterkunft in Tharandt, einer teilzentralen Unterbringung. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über etwaige Krankheitsbilder, gewesene und laufende ärztliche Behandlungen und vorherige Suizidversuche? Von einer Beantwortung bezüglich etwaiger Krankheitsbilder und ärztlicher Behandlungen wird abgesehen. Die Sächsische Staatsregierung kann gemäß Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) die Beantwortung von Fragen insbesondere ablehnen, wenn Rechte Dritter entgegenstehen. Daher sind das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 33 SächsVerf des Betroffenen und der Informationsanspruch des Abgeordneten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abzuwägen. Verweigert die Staatsregierung die Beantwortung von Fragen , muss sie die Verweigerung begründen und die von ihr als maßgeblich erachteten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte darlegen (Sächs VerfGH, LKV 1998, 316). Im vorliegenden Fall stehen einer Beantwortung überwiegende Belange des Datenschutzes im Sinne des § 4 Abs. 2 des Sächsischen Datenschutzgesetzes (SächsDSG) entgegen. Mit den Fragen werden Auskünfte zu personenbezogenen Daten begehrt. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Die Preisgabe konkreter Krankheitsbilder bzw. gewesener und laufender ärztlicher Behandlungen könnten zu Rückschlüssen auf die den besonders schutzwürdigen Bereich des § 4 Abs. 2 SächsDSG betreffenden personenbezogenen Daten führen. Unter dem besonderen Schutz des § 4 Abs. 2 SächsDSG stehen personenbezogene Daten, aus denen die ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen sowie Daten über Gesundheit oder Sexualleben. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Das hierdurch auftretende Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Daten und dem Informationsrecht des Parlaments, das ebenfalls Verfassungsrang genießt, wird durch die Rechtsprechung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz gelöst: Beide Rechte müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (BVerfGE 67, 143 f.). Das bedeutet, dass das Kontroll- bzw. Informationsrecht des Parlaments wegen seiner Bedeutung für die parlamentarische Demokratie und für das Ansehen des Staates nur dann hinter dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen zurücktritt, wenn Informationen in Rede stehen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für den Betroffenen unzumutbar ist. Die hier verlangten Informationen sind dem Kernbereich der Privatsphäre zuzuordnen und können daher auch nach dem Tod des Betroffenen im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht übermittelt werden. Erkenntnisse über vorherige Suizidversuche liegen nicht vor. Frage 4: Welche Formen der Unterstützung/ Betreuung/ Behandlung wurden dem Betroffenen nach den Vorfällen vom 21. Mai 2016 zuteil, als er in Arnsdorf von einer Bürgerwehr aus einem Supermarkt gezerrt, geschlagen und an einen Baum gefesselt wurde? Der Betroffene stand unter rechtlicher Betreuung. Die Betreuungsanordnung erfolgte in einem gerichtlichen Verfahren vor dem Betreuungsgericht. Durch den Betreuer wurde im Dezember 2016 ein entsprechender Antrag auf Umverteilung in einen anderen Landkreis gestellt. Ein Zusammenhang mit dem Vorfall in Arnsdorf lässt sich aus dem Begründungschreiben nicht erkennen. Die erforderliche medizinische Behandlung/Betreuung für den Betroffenen wurde zu jeder Zeit gewährleistet . Frage 5: Welche Konsequenzen hat der Tod des Geflüchteten auf den Prozess gegen die Personen, die ihn in Arnsdorf gewaltsam festhielten? Der Geschädigte ist stets ein wichtiger Zeuge in einem Strafprozess und nimmt im Rahmen der Beweisführung in der Hauptverhandlung regelmäßig eine zentrale Rolle ein. Da eine vorhergehende Vernehmung des Geschädigten aufgrund seiner mangelnden Aussagebereitschaft vor der Polizei gescheitert war, hielt das Gericht die Gewinnung j nes persönlichen Eindrucks von dem Geschädigten für unverzichtbar. Durch den d s Geschädigten konnten sich die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhan ng keinen persönlichen Eindruck vom Geschädigten und seiner Aussage versch en Mit f eutchen Grüßen Markus Ulbig Seite 3 von 3 2017-05-18T16:36:14+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes