STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Gunter Wild, AfD-Fraktion Drs.-Nr. 6/9347 Thema: Rechtmäßigkeit der geplanten Abfallgebührenordnung im Vogtlandkreis Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Im Vogtlandkreis wird aktuell über eine Änderung der Gebührenordnung für die Sammlung und Entsorgung der Siedlungsabfälle diskutiert . Das geplante und diskutierte Gebührenmodell sieht dabei folgende Punkte vor: • eine Abrechnung der Entsorgungskosten direkt beim Eigentümer und Vermieter • Bemessungsgrundlage soll nicht mehr die Anzahl der Bewohner sondern die Anzahl der Wohnungen im Objekt sein (auch Leerstand) • eine Vorfinanzierung der Abfallgebühren durch den Vermieter (dementsprechend Übernahme der Mindestgebühren bei Leerstand ). Dementsprechend soll jeder Haushalt eigene Tonnen zur Verfügung gestellt bekommen, was sowohl für den Entsorger als auch für viele Hausverwalter einen hohen Mehraufwand darstellt. Die Gebühren müssen auch für Leerstand durch den Vermieter mit finanziert werden. Darüber hinaus ist eine Ungleichbehandlung bei der Gebührenerhebung zwischen Single -Haushalten und Familien zu befürchten." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Zu welchem Zeitpunkt müssen Änderungen von Gebührenordnungen der Landesdirektion angezeigt bzw. von dieser auf Rechtmäßigkeit überprüft werden? Abfallgebührensatzungen einschließlich Änderungssatzungen, die die kommunalen Aufgabenträger auf der Grundlage von § 3a Abs. 1 Satz 2 des Sächsischen Abfallwirtschafts- und Bodenschutzgesetzes (SächsABG) in 737re L' Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 23a-1053/22/69 Dresden,/( . Mai 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMIN1STERIUM DES INNERN L Verbindung mit § 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes (SächsKAG) erlassen , sind der Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 4 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGem0), bei Zweckverbänden in Verbindung mit § 47 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 4 des Sächsischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit beziehungsweise gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 der Sächsischen Landkreisordnung unverzüglich nach ihrem Erlass in vollem Wortlaut anzuzeigen. Der Satzungsanzeige ist gemäß § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsABG auch die der Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation beizufügen. Die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde prüft die vorgelegte Satzung auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit. Frage 2: Sind der Staatsregierung bzw. der Landesdirektion der aktuelle Stand der geplanten Änderungen der Abfallgebührensatzung des Vogtlandkreises sowie die zugrunde gelegten Kalkulationen bekannt? Der Vogtlandkreis hat am 8. Dezember 2016 getrennte Abfallgebührensatzungen für die Stadt Plauen und den bis Ende Juli 2008 bestehenden Vogtlandkreis beschlossen. Diese Satzungen sind längstens bis zum 31. Dezember 2018 gültig. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SächsKAG muss mit Ablauf der zehnjährigen Übergangsfrist nach Eingliederung der Stadt Plauen in den Vogtlandkreis und damit spätestens zum 1. Januar 2019 eine für den heutigen Vogtlandkreis gültige Abfallgebührensatzung beschlossen werden. Eine neue, harmonisierte Abfallwirtschaftssatzung wird derzeit vom Vogtlandkreis erarbeitet und soll noch in diesem Jahr beschlossen werden. Hieran anschließend ist der Erlass der Abfallgebührensatzung mit dazugehöriger Gebührenkalkulation geplant. Der Staatsregierung liegen derzeit keine Informationen vor, wie die Abfallgebühren künftig gestaltet werden sollen; dies gilt insbesondere auch für die in der Vorbemerkung vom Fragesteller erwähnten Überlegungen. Vielmehr hat, soweit bekannt, der Landkreis selbst noch keine konkrete Variante zur Ausgestaltung der zukünftigen Satzung festgelegt . Frage 3: Ist eine Abrechnung von Abfallgebühren pro Wohneinheit, auch für Leerstand und unabhängig von der in der Wohnung lebenden Personen, mit sächsischem Landesrecht sowie der Bundesgesetzgebung vereinbar? Im Hinblick auf die Vorbemerkung des Fragestellers geht die Staatsregierung davon aus, dass mit „Abrechnung ... pro Wohneinheit" hier die Wohneinheit als Maßstab (oder „Bemessungsgrundlage") für die Berechnung der Gebühr gemeint ist. Bei der Ausgestaltung von Gebührensatzungen steht den Kommunen aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), Artikel 82 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung (SächsVerf) grundsätzlich ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Dieser wird unter anderem durch den aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) abgeleiteten Grundsatz der Abgabengerechtigkeit begrenzt, der im Gebührenrecht als einem „Massengeschäft" aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität wiederum Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSM1N1STERIUM DES INNERN '37- 1Freistaat SACHSEN durch den sogenannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab modifiziert wird. Danach sind bei Abfallgebühren die Anzahl der Wohneinheiten, der Haushalte oder der Personen übliche und von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Gebührenmaßstäbe. Allerdings sind bei der Gestaltung der Abfallgebühren gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 SächsABG effektive Anreize zur Vermeidung, Verwertung und umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen zu schaffen. Ein solcher Anreiz wird nicht erzeugt, wenn die Gebühr ausschließlich an das Vorhandensein einer Wohnung, eines Haushaltes oder einer bestimmten Personenanzahl (pro Haushalt oder pro Grundstück) anknüpft. Deshalb sind diese Maßstäbe nicht zur Gestaltung der Mengengebühr im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG zugelassen, deren Höhe vom Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung abhängt. Haushalts- und Wohneinheitenmaßstab, auch in Kombination mit der Personenzahl, können dagegen bei der leistungsunabhängigen Grundgebühr gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 SächsKAG angewendet werden. Das sogenannte Anreizgebot gilt hier gemäß § 3a Abs. 3 Satz 2 SächsABG ausdrücklich nicht. In diesem Rahmen ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, Grundgebühren auch bei Leerstand einer Wohneinheit zu erheben. Denn mit dem Wesen der Grundgebühr ist das Verständnis verbunden, dass sie allein für die Inanspruchnahme der Lieferungsbzw . Betriebsbereitschaft der öffentlichen Einrichtung (z. B. für das Bereithalten von Abfallbehältern) und nicht für solche Kosten erhoben wird, die erst durch den Leistungsbezug als solchen entstehen, vgl. Sächs0VG, Urteil vom 4. Juli 2012, Az. 5 C 34/09, Rn. 179, zitiert nach juris. Frage 4: In welchen anderen sächsischen Landkreisen bzw. Entsorgungsgebieten werden für die Ermittlung der Abfallgebühren ebenfalls nicht die Personenzahlen berücksichtigt , sondern diese ausschließlich pro Wohneinheit erhoben? Nach Kenntnis der Staatsregierung werden im Freistaat Sachsen derzeit in zwei Entsorgungsgebieten Grundgebühren für die Abfallentsorgung allein nach dem Haushaltsmaßstab erhoben. In der Stadt Chemnitz bestimmt sich die Grundgebühr nach der Anzahl der Haushalte pro Grundstück. Die Höhe der veranlagten Grundgebühr ergibt sich aus der Anzahl der auf dem Grundstück bewohnten Haushalte. Im Landkreis Bautzen wird für Wohngrundstücke eine Pauschalgebühr pro bewohnte Wohnung erhoben, ohne dass es auf die Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen ankommt. In beiden Entsorgungsgebieten fallen daneben kosten- und leistungsbezogene Gebühren gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SächsKAG (beispielsweise Regelentleerungsgebühr , Mengengebühr oder Behälterbereitstellungsgebühr) an. Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 1\473IMM '>4MI Freistaat SACHSEN Frage 5: Ist die landkreisweite, flächendeckende Bereitstellung aller Mülltonnen pro Wohneinheit mit dem gebührenrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit sowie der sparsamen Haushaltsführung vereinbar? Wenn ja, gibt es derartige Handhabungen auch in anderen sächsischen Entsorgungsgebieten? Ob eine flächendeckende Bereitstellung aller Mülltonnen pro Wohneinheit mit den in Satz 1 der Frage 5 genannten Grundsätzen vereinbar wäre, hängt von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Gebührensatzung ab. Der Grundsatz der Erforderlichkeit gemäß § 73 Abs. 2 und 3 SächsGem0 gebietet es, dass die Abgabenpflichtigen nicht mit Kosten überflüssiger Maßnahmen oder mit überhöhten Aufwendungen belastet werden. Den Kommunen steht bei der Beurteilung der Angemessenheit von Maßnahmen und der diesbezüglichen Aufwendungen gemäß Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 82 Abs. 2 SächsVerf ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, vgl. die Beantwortung der Frage 3. Die Angemessenheit der Kosten wäre etwa dann zu verneinen, wenn die Kosten in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichten, also sachlich schlechthin unvertretbar wären (VG Leipzig, Urteil vom 8. Juli 2013, 6K 583/11, Rn. 20, zitiert nach juris). Wie in der Beantwortung der Frage 2 ausgeführt, liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse zum Inhalt der geplanten Abfallgebührensatzung für den Vogtlandkreis vor. Desgleichen hat die Staatsregierung keine Kenntnis von den in Satz 2 der Frage 5 angesprochenen „derartigen Handhabungen" in anderen sächsischen Entsorgungsgebieten . Eine vollständige Beantwortung der Frage ist der Staatsregierung daher nicht möglich. Sie ist nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Dies ist hier der Fall, denn die Frage betrifft die Einnahmenbeschaffung und damit einen Sachverhalt, der von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen wird. Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen nur der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht. Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht kann die Staatsregierung vom Informationsrecht nach § 113 SächsGem0 nur Gebrauch machen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits eingetretene Rechtsverletzung vorliegen. Eine solche liegt jedoch nicht vor, so dass von Anfragen bei den Aufgabenträgern abgesehen wurde. Rein präventive, allgemeine oder pauschale Auskunftsverlangen der Aufsichtsbehörde sindgind vor Institut des Informationsrechts nicht gedeckt (Brenner, Reichweite und Gr zerides parlamentarischen Fragerechts, 2009, Seite 60). Mit'freuifidlichen Grüßen Markus Ulbig Seite 4 von 4 2017-05-17T08:47:42+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes