STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEIN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAÄTSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-0141.50/8605 Dresden, . März 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Albrecht Pallas, SPD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/947 Thema: Verbot einer Versammlung am 9. Februar 2015 durch die Stadt Leipzig Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: Im Vorfeld des Versammlungsgeschehens in Leipzig am 9. Februar 2015 teilte die Polizeidirektion Leipzig dem Ordnungsamt der Stadt Leipzig am 6. Februar 2015 schriftlich mit: 'Die letztlich zugesagten acht Hundertschaften reichen nach Einschätzung der Polizeidirektion Leipzig weder für die Absicherung aller Maßnahmen einer Kundgebung von LEGIDA geschweige denn eines Aufzugs. Dies ergibt sich auch mit Blick auf die vorangegangene Kundgebung von LEGIDA am 30. Januar 2015 und dem dortigen Kräfteeinsatz von 20 Hundertschaften. Es ist einzuschätzen, dass dieser nicht ausreicht, um in der Anreisephase Auseinandersetzungen zwischen LEGIDA-Gegnern und anreisenden Teilnehmern von LEGIDA zu unterbinden. (...) ist die Vermutung naheliegend, dass sich Teilnehmer von LEGIDA bei einer tatsächlichen Beauflagung diesen [Gegen-Demonstranten] tatsächlich anschließen. (...) das sich damit ergebende Gefährdungspotenzial aufgrund der Vermischung von LEGIDA-Anhängern und LEGIDA-Gegnern innerhalb dieser (...) Versammlung ist mit den der Polizeidirektion Leipzig am 9. Februar 2015 zur Verfügung stehenden Kräften nicht zu beherrschen.' Oberbürgermeister Jung bat daraufhin am 6. Februar 2015 schriftlich den Staatsminister des Innern, Herrn Markus Ulbig, um weitere Unterstützung bzw. Bestätigung, dass der Freistaat Sachsen nicht in der Lage ist, die nach Einschätzung der Polizeidirektion Leipzig notwendigen Kräfte zur Sicherstellung der Versammlungsfreiheit bereitzustellen. Am 7. Februar 2015 antwortete der Landespolizeipräsident im Auftrag des Staatsministers u. a.: Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN '(...) Ihr Schreiben setzt auf die bisherige Entscheidung der Versammlungsbehörde auf. Diese Entscheidung führte zu dem von der Polizeidirektion Leipzig angemeldeten Kräftebedarf, der nicht zu decken ist. Dadurch notwendig werdende andere Auflagen oder Beschränkungen der angezeigten Versammlungen durch die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig waren in dem Schreiben nicht umfänglich ersichtlich. (...) Der Stadt Leipzig als zuständige Polizei- und Versammlungsbehörde liegt die Gefahrenprognose der Polizeidirektion Leipzig vor. Die Stadt Leipzig ist damit angehalten, eine eigene Bewertung unter Berücksichtigung der ihr vorliegenden Erkenntnisse vorzunehmen und alle notwendigen Maßnahmen im Sinne des § 15 Sächsisches Versammlungsgesetz zu treffen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Leipzig am 9. Februar 2015 zu gewährleisten. Alle in Frage kommenden versammlungsrechtlichen Möglichkeiten sind durch die zuständige Versammlungsbehörde zu prüfen und zu dokumentieren.' In der Presseberichterstattung vom 9., 10. und 11. Februar 2015 wurden Herr StM Ulbig und andere Vertreter des SMI verschiedentlich mit der Einschätzung zitiert, dass die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte ausreichend waren, um die Versammlungsfreiheit ohne Verbot zu gewährleisten. Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Versammlungsbehörde darf als Garant der Versammlungsfreiheit ein Verbot nur als ultima ratio in Betracht ziehen. Zuvor ist sie verpflichtet, unparteiisch alle alternativen versammlungsrechtlichen Modalitäten auf ihre Durchführbarkeit hin zu untersuchen. Dies gilt etwa für die Verlegung einer bedrohten Versammlung als Kundgebung an einen anderen, dem Zugriff von Störern besser entzogenen Ort. Mit Schreiben vom 7. Februar 2015 weist das Staatsministerium des Innern (SMI) darauf hin, dass zum damaligen Zeitpunkt eine solche umfassende Prüfung, wie die Versammlungsfreiheit mit den zur Verfügung stehenden Kräften gewährleistet werden kann, nicht erkennbar war. Frage 1: Warum und aufgrund welcher Tatsachen weichen die Einschätzungen der PD Leipzig und des SMI voneinander ab? Frage 5: Welche Lageeinschätzung ist für die Versammlungsbehörde entscheidend, wenn das Staatsministerium zu einer anderen Bewertung kommt als die örtlich und sachlich zuständige Polizeidirektion? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 5: Es gibt keine abweichende Einschätzung des SMI, sondern einen Hinweis auf den Umstand, dass die umfassende Prüfung aller in Frage kommenden versammlungsrechtlichen Möglichkeiten nicht erkennbar ist. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERUJM DES IMMERIM Freistaat SACHSEIN Frage 2: Warum führten, wie im Brief des SMI an die Stadt Leipzig geschrieben, Entscheidungen der Stadt Leipzig erst zu dem hohen Kräftebedarf der Polizei und welche Entscheidungen der Stadt Leipzig waren das konkret? Die in Bezug genommenen Entscheidungen der Stadt Leipzig sind die früheren versammlungsrechtlichen Bescheide. Sie führten zu konkreten Versammlungslagen und zu einem jeweils gegebenen Kräftebedarf für die Vollzugspolizei. Durch welche konkreten weiteren versammlungsrechtlichen Möglichkeiten, außer dem Verbot einer Versammlung, hätte das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit am 9. Februar 2015 in Leipzig mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften gewährleistet werden können, wenn die PD Leipzig selbst einschätzt, dass auch Kundgebungen nicht hätten abgesichert werden können? Auf die Vorbemerkung wird hingewiesen. Welche Bedeutung hat die Lageeinschätzung einer zuständigen Polizeidirektion im Zusammenhang mit zu erwartendem Versammlungsgeschehen für die jeweilige Versammlungsbehörde und auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt diese? Rechtsgrundlage für ein Versammlungsverbot und für Versammlungsbeschränkungen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel bildet § 15 Abs. 1 Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz - SächsVersG). Voraussetzung dafür ist, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Annahme, dass bei Durchführung einer anstehenden Versammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet sein wird, erfordert eine Gefahrenprognose, die durch tatsächliche Anhaltspunkte gerechtfertigt sein muss. Diese Gefahrenprognose hat die Versammlungsbehörde vorzunehmen und darauf fußend die entsprechenden Maßnahmen festzulegen. Die dafür maßgeblichen Umstände hat sie, neben anderen Informationen, selbst zu ermitteln. Dabei fließt die Lageeinschätzung der zuständigen Polizeidirektion ein. Frage 3: Frage 4: Mi nen Grüßen Mi j Seite 3 von 3