STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SÀCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalslraße 7 | 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindena u-Plalz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/9641 Thema: Sicherungsmaßnahmen bei Ausführung von Gefangenen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Vorbemerkung: Aus dem Bereich der Gefangenenhilfe wurde dem Fragesteller als Abgeordneten ein Fallgeschehen mitgeteilt, wonach eine weibliche Strafgefangene zu einem Ausführungstermin von der JVA ChemniE nach Leipzig zum Zwecke der Vorbereitung ihrer Haftentlassung während der gesamten Fahrt und auch beim Aufsuchen ihrer Wohnung in einem Mietshaus in Leipzig Handfesseln und Fußfesseln tragen musste. Selbige Fahrt fand ca.14 Tage vor der erwähnten Enttassung der Gefangenen statt. Weiter sollen, als das Fahzeug, in welchem die ausgeführte Gefangene im Beisein von zwei Bediensteten der JVA Chemnitz transportiert wurde, auf der Autobahn nach Leipzig eine Reifenpanne erlitt, wegen der sich hieraus ergebenden Gefährdungen alle lnsassen sofort das Fahrzeug, nachdem es zum Stehen kam, verlassen haben, während die Gefangene mit voller Fesselung im Fahrzeug verblieb, bis eine offensichtlich telefo- ;:äi1:.,'T','*. nisch angefragte Genehmigung zum Verlassen des Fahrzeuges erteilt parken und behinderren-war." :iå",ÏiÍ#ilì$,ffJ, Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.j ustiz. sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) I 040E-KLR-1 500/1 7 Dresden, ¿l . Juni 2017 Hausanschrift: Såchslsches Staatsmlnlsterium der Justlz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost tiber Deutsche Post 01095 Dresden www.just¡z.sachsen.de/smj Verkehrsverblndung: Zu ereichen mtt Zugang für elektron¡sch s¡gn¡6rte sowie für verschlüsseltê elêklronische Dokumentê nur über das Elektronisch€ Gerichts- und VeMaltungspostfach; nåhere lnformat¡onen unter w.6gvp.de Seite 1 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN il\tt#ñ¡rlli&¡J\=iv Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkuno: Zum tatsächlichen Ablauf des Geschehens wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. Frage 1: Welche Sicherheitsvorschriften bestehen für die sächsischen Justizvollzugsanstalten im Falle gewährter Ausführungen nach $ 4l Abs. I SaE 1 SächsStVollzG und wer entscheidet im Konkreten über die als erforderlich angesehenen und zur Anwendung gebrachten gesonderten Sicherungsmaßnahmen? Gefangenen kann das Verlassen der Anstalt unter Aufsicht gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist. Bei diesen Ausführungen nach g 41 Abs. 1 Satz 1 SächsStVollzG werden die ggf. erforderlichen Sicherungs- und Aufsichtsmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen individuell vom Anstaltsleiter festgelegt. Die Anordnungsbefugnis für besondere Sicherungsmaßnahmen, wie der Fesselung, kann auf den Stellvertreter des Anstaltsleiters oder einen Vollzugsabteilungsleiter übertragen werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch ein anderer Bediensteter die Maßnahme anordnen bzw. von einer angeordneten Fesselung abweichen; die Entscheidung des Anord n ungsbefugten ist u nverzüg lich einzuholen. Gemäß $ 83 Abs. 6 SächsStVollzG ist eine Fesselung bei Ausführungen zulässig, wenn eine Entweichungsgefahr besteht. ln der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. lm lnteresse der Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert , soweit dies notwendig ist. Bei der im Einzelfall zu treffenden Fesselungsanordnung sind unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Gefährlichkeit des Gefangenen, die Gefahr einer Entweichung sowie die besonderen örtlichen, zeitlichen und sonstigen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN FE:IINiä¡ltñilw Vorgaben über die Fesselungsarten sowie das Prozedere der Fesselung sind in der nicht veröffentlichten Venrualtungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über die Gewährleistung der Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten einschließlich der Jugendstrafvollzugsanstalt (VwV Justizvollzugssicherheit- VwVJVollzSich) geregelt. Frage 2: Wird namentlich bei Ausführungen, die der Enttassungsvorbereitung dienen, von der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen abgesehen, die auch angesichts des verbleibenden geringen Straf- bzw. Strafvollzugsrestes und wegen des Zecks der Ausführung weder angemessen noch sinngebend erscheinen, wie etwa bei der Vorführung der betroffenen Gefangenen im eigenen Wohnbereich wie im vorstehend geschilderten Fall? Sofern eine Entweichungsgefahr von den Anordnungsbefugten nicht festgestellt wird, erfolgt keine Fesselung eines Gefangenen bei einer Ausführung, die der Entlassungsvorbereitung dienen soll. Frage 3: Welche Vorschriften bestehen im Freistaat Sachsen respektive für die sächsischen Justizvollzugsanstalten betreffs der Verwahr- und Sicherungsmaßnahmen gegenüber Gefangenen im Falle von Verkehrsunfällen und Fahrzeugpannen im Autobahnbereich oder sonst im öffentlichen Straßenverkehr, in denen sich erkennbar Gefahren für Leib und Leben für verkehrsinsassen ergeben? Die Verualtungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Benutzung von Dienstkraftfahzeugen in der Sächsischen Landesverwaltung (VwV-DKfz) veruveist hinsichtlich des Verhaltens bei Verkehrsunfällen auf die allgemeine Regelung in der Straßenverkehrsordnung (SIVO). Gemäß der Sächsischen Verwaltungsvorschrift über den Gefangenentransport sind Unfälle während des Transports zu melden. Seite 3 von 6 5TAÀTSMìNISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN FNIr$trÈ w Für liegen gebliebene Fahzeuge, die ggf. nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden können, gibt S 15 StVO u.a. vor, sofort das Warnblinklicht einzuschalten . Danach ist mindestens ein auffällig warnendes Zeichen gut sichtbar in ausreichender Entfernung aufzustellen, und zwar bei schnellem Verkehr in etwa 100 m Entfernung ; vorgeschriebene Sicherungsmittel, wie Warndreiecke, sind zu verwenden. Bei Kfz-Pannen und Verkehrsunfällen, von denen aus- oder vozuführende Gefangene betroffen sind, sind einerseits die Fürsorge- und Obhutspflichten, die Straßenverkehrsvorschriften sowie andererseits der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten bzw. die sichere Unterbringung zur Erfüllung des Haftzwecks bei Untersuchungsgefangenen im Einzelfall abzuwägen. Spezielle Regelungen wurden für diese Fälle nicht erlassen . Frage 4: Sind der Staatsregierung und namentlich dem Staatsministerium der Justiz Beschwerden von Gefangenen bekannt, in deren Rahmen diese übermäßige und unzumutbare Anwendung von Sicherungsmaßnahmen wie etwa Hand- und Fußfesselung im Falle von Ausführungen generell und im Zusammenhang mit der Entlassungsvorbereitung im Besonderen beklagen und wenn ja, wie stellt sich die geschilderte Fallkonstellation im Kern jeweils dar? Bis auf den Fall, der Gegenstand der Kleinen Anfrage ist, sind dem sächsischen Staatsministerium der Justiz keine weiteren entsprechenden Beschwerdefälle bekannt. Auch der vorliegende Fall wurde der Leiterin der Justizvollzugsanstalt nicht unmittelbar von der Gefangenen, die dazu im Rahmen der Anstaltsleitersprechstunde am 2. Mai 2017 Gelegenheit gehabt hätte, sondern über einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zugetragen . Der Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Chemnitz wurde fur den 25. April 2017 eine Ausfuhrung in ihre ehemalige Wohnung gewährt, um dort zurück gebliebene eigene Kleidung für eine angestrebte stationäre Therapie zu holen. Seite 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN il\e'J w Zum Zeitpunkt der Ausführung hatte die Staatsanwaltschatt Leipzig noch nicht entschieden , ob die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß $ 35 Betäubungsmittelgesetz zurückgestellt wird, damit sich die Verurteilte einer stationären Drogenentwöhnungsbehandlung unterziehen kann. Die Vollzugsabteilungsleiterin hat für diese Ausführung die Fesselung der Gefangenen angeordnet, weil sie von einer Entweichungsgefahr ausgegangen ist. Sie hat die Anordnung insbesondere auf die unbehandelte Betäubungsmittelproblematik und die unter Berücksichtigung des bisherigen Lebenslaufs nicht belastbare Therapiemotivation der Gefangenen gestützt. Die Gefangene befand sich nicht erstmalig im Justizvollzug; zu Beginn der - vorangegangenen - Untersuchungshaft stand sie unter Betäubungsmitteleinfluss und war zur Entgiftung zunächst im Krankenhaus der JVA Leipzig untergebracht . Die Ausführung brachte sie in ihr altes Milieu zurück; wer oder was die beaufsichtigenden Bediensteten dort konkret erwartete, war nicht bekannt. Die Fesselungsanordnung sah vor, dass die Gefangene durch Fesselung der Hände gegenläufig vor dem Körper und unter Verwendung einer Fessel mit Zwischenglied von Handgelenk zu Handgelenk an Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt gefesselt wird. Während der Beförderung in einem Fahrzeug wurde die Gefangene nicht an Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt gefesselt. Stattdessen wurde zusätzlich zur Fesselung der Hände die Fesselung an den Fußgelenken angelegt. Während der Fahrt von Chemnitz nach Leipzig platzte auf der Autobahn 72 kurz vor der Ausfahrt Penig gegen 13:20 Uhr ein Reifen des Dienstfahrzeugs. Der Fahrer vermochte das Fahzeug unfallfrei auf dem Seitenstreifen der Fahrbahn zum Stehen zu bringen. Er schaltete die Warnblinkanlage ein, sicherte das liegen gebliebene Fahrzeug mittels Warndreieck ab, informierte den Fahrdienstleiter der Justizvollzugsanstalt und erbat ein Ersatzfahrzeug. Die weiteren lnsassen, eine Sozialarbeiterin der Justizvollzugsanstalt, eine Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes und die Gefangene, verblieben nur wenige Minuten im Fahrzeug, während die Sozialarbeiterin über den Zentralbediensteten den stellvertretenden Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt Chemnitz über das Geschehen informierte . Letzterer ordnete in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse die Fortdauer der Fesselung an. Die zwei Bediensteten verließen mit der Gefangenen das Fahrzeug. Seite 5 von 6 STAÀTSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENlw Aufgrund der besonderen Umstände, insbesondere des unbekannten und offenen Geländes wurde die angelegte Fußfessel nicht gelöst. Die an die Gefangene gefesselte Bedienstete setzte sich mit dieser auf die Autobahnböschung. Eine Leitplanke war nicht zu überuvinden. Als das angeforderte Ersatztahrzeug eingetroffen war, wurde die Fahrt fortgesetzt. Auf dem Fußweg zur Wohnung trug die Gefangene gemäß der Anordnung Handfesseln und war an einen Bediensteten gefesselt. ln der Wohnung angekommen, standen bereits einige Sachen für die Gefangene verpackt und mitnahmebereit zur Verfügung. Der Gefangenen wurde die Möglichkeit eingeräumt, unter unmittelbarer Aufsicht noch weitere eigene Sachen bzw. Unterlagen herauszusuchen. Hiezu wurde ihr die Handfessel abgenommen und die Fesselung an einen Bediensteten aufgehoben, aber eine Fußfessel angelegt. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 6 von 6 2017-06-13T08:53:27+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes