STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/9643 Thema: Aufforderung Geflüchteter syrischer Staatsbürgerschaft zur Passbeschaffung durch sächsische Ausländerbehörden Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Im Bericht des MDR Sachsen Spiegels vom 20.04.2017 mit dem Titel ,Zwangsbesuch bei der Assad-Behörde' wurde ein Scheiben der Ausländerbehörde Dresden abgefilmt, in welchem der Betroffene syrischer Staatsbürgerschaft aufgefordert wird, seinen Pass bei der syrischen Botschaft zu beschaffen, um seiner Passpflicht nach § 3 AufenthG nachzukommen. Anderenfalls müsse er mit einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG rechnen. Abschiebungen von Menschen syrischer Staatsbürgerschaft finden nur im Rahmen der Dublin-III- Verordnung beziehungsweise der Drittstaatenregelung statt. Von der Verordnung/Drittstaatenregelung nicht Betroffene werden zum gegebenen Zeitpunkt nicht aus der Bundesrepublik abgeschoben. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung gehen unter anderem das Verwaltungsgericht Dresden (Urteil vom 12. März 2015, 3 K687/13) und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 24. März 2014, 2 LB 337/12) davon aus, dass es „aufgrund der allgemein bekannten politischen Lage in Syrien" den Betroffenen nicht zumutbar ist, bei der syrischen Botschaft vorzusprechen. Weiterhin ist bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß den Voraussetzungen nach § 5 Abs. 3 Sitz 1 AufenthG von der Erfüllung der Passpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§24, 25, 26 Abs. 3 AufenthG abzusehen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Für die Erteilung eines Aufenthaltstitels müssen grundsätzlich die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen. Dazu zählt nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG auch die Erfüllung der Passpflicht. Bei Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 24 oder 25 Abs. 1 bis 3, 4a und 4b AufenthG ist von der Passpflicht abzusehen. Vor allem aus Syrien Geflüchtete, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Schutzstatus Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24a-1053/28/16 4 Dresden, 0 . Juni 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6,7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat ''Pemi S A C H S E N zuerkannt hat, erhalten eine Aufenthaltserlaubnis (AE) nach § 25 Abs. 1, 2 oder 3 Aufenth G ungeachtet eer Erfüllung der Passpflicht. Andere (syrische) Antragsteller müssen in der Regel die Passpflicht erfüllen. Die von ihnen begehrte AE ist nicht von § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfasst, z. B. im Falle des Familiennachzugs nach § 30 Aufenth G, der Erwerbstätigkeit nach § 18 ff. AufenthG oder der Ausbildung nach § 16 ff. AufenthG. Frage 1: Welche Ausländerbehörden in Sachsen fordern Menschen syrischer Staatsbürgerschaft dazu auf, zum Zwecke der Passbeschaffung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels bei der syrischen Botschaft vorzusprechen und in wievielen Fällen ist dies seit Beginn des Krieges in Syrien im Jahr 2011 geschehen? (bitte aufschlüsseln nach unteren Ausländerbehörden, gegebenenfalls bitte den Zeitraum auf eine für die Verwaltung zu bewältigende Periode verkürzen)? Der Staatsregierung liegen zur Beantwortung der Frage folgende Erkenntnisse der Landkreise und Kreisfreien Städte vor: Der Auswertungszeitraum wurde auf das Jahr 2016 und Januar bis April 2017 eingegrenzt , um einen für die Verwaltung zu bewältigenden Zeitraum abzubilden. Folgende Ausländerbehörden haben syrische Staatsangehörige, die nicht von der Passpflicht befreit sind, zur Passbeschaffung aufgefordert. Ausländerbehörde Jahr Aufforderung zur Passbeschaffung Landkreis Görlitz 2016 6 2017 3 Landkreis Mittelsachsen 2016 5 2017 9 Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge 2016 6 2017 0 Vogtlandkreis 2016 1 2017 0 Landkreis Zwickau 2016 6 2017 3 Seite 2 von 4 STAATSMIN1STER1UM DES INNERN g=p-. Freistaat SACHSEN Die Ausländerbehörden der Kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig gehen von einem unzumutbaren Arbeitsaufwand aus, da mangels statistischer Erfassung eine händische Auswertung der einzelnen Ausländerakten erforderlich wäre. Die Stadt Leipzig berichtete z. B., dass zur Beantwortung der Frage über 1.200 Ausländerakten auszuwerten wären, was über 40 Arbeitstage beanspruchen würde. Frage 2: Warum droht die Ausländerbehörde Dresden mit Ausweisung eines Menschen syrischer Staatsbürgerschaft obwohl Abschiebungen nach Syrien als unzulässig erachtet werden und welche weiteren Ausländerbehörden in Sachsen verfolgen eine solche Praxis? Vorbemerkung: Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Abschiebung als zwangsweise Aufenthaltsbeendigung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers nach § 58 Aufenth G von einer Ausweisung nach § 53 AufenthG zu unterscheiden ist. Im Übrigen besteht derzeit ein bundesweiter Abschiebestopp nach Syrien. Nach Auskunft der Ausländerbehörde Dresden handelt es sich bei dem Schreiben, mit dem zur Vorsprache bei der zuständigen Auslandsvertretung zwecks Passbeschaffung aufgefordert wird, um ein standardisiertes Schreiben, welches allen Drittstaatsangehörigen zugestellt wird, die die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs.1 Nr. 4 Aufenth G für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu erfüllen haben. Das Schreiben fordert zur Mitwirkung im Verfahren auf und verweist auf die Rechtsfolgen im Falle der Unterlassung . Die Praxis wurde auch für subsidiär Schutzberechtigte angewendet und wird nicht weiter verfolgt. In den anderen sächsischen Ausländerbehörden erfolgte keine vergleichbare Vorgehensweise. Subsidiär Schutzberechtigte werden von den sächsischen Ausländerbehörden zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung durch Vorsprache bei der Vertretung des Herkunftsstaates nur dann aufgefordert, wenn diese ausdrücklich die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer begehren. Wird in diesem Zusammenhang vorgetragen, warum eine Mitwirkung unzumutbar und die Passbeschaffung nicht möglich ist, prüft die Ausländerbehörde in jedem Einzelfall, ob die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer in Betracht kommt. Eine explizite Androhung der Ausweisung im Falle der Nichtvorsprache bei der syrischen Botschaft hat noch keine Ausländerbehörde vorgenommen. Frage 3: Aus welchen Gründen sieht die Ausländerbehörde Dresden und gegebenenfalls weitere Ausländerbehörden in Sachsen nicht davon ab, auf die Erfüllung der Passpflicht mit der Rechtsgrundlage § 5 Abs. 3 AufenthG zu verzichten? In den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist die Erfüllung der Passpflicht nicht Voraussetzung für Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die unteren Ausländerbehörden verfahren entsprechend. Seite 3 von 4 STAATSM1NISTER1UM DES INNERN Frage 4: Hält es das Staatsministerium des Innern für zumutbar, dass Menschen syrischer Staatsbürgerschaft bei der syrischen Botschaft zum Zwecke der Passbeschaffung vorsprechen und wenn ja, wie begründet sich das vor dem Hintergrund der allgemein bekannten politischen Lage in Syrien und wenn nein, wird eine entsprechende Dienstanweisung an die unteren Ausländerbehörden ergehen, von dieser Verwaltungspraxis abzusehen? Die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage vom MDR-Fernsehen zitierte Entscheidung des VG Dresden vom 12. März 2015 zur Zumutbarkeit der Passbeschaffung findet aufgrund neuerer, obergerichtlicher Rechtsprechung keine Anwendung mehr (OVG NRW vom 17. Mai 2016— 18 A 951/15). Aufgrund dieser neueren Rechtsprechung wird von der Zumutbarkeit einer Passbeschaffung auch bei Menschen mit subsidiärem Schutzstatus grundsätzlich ausgegangen. Eine Unzumutbarkeit, sich um die Ausstellung eines Passes des Herkunftsstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Durch die Ausländerbehörden erfolgt grundsätzlich eine Einzelfallprüfung. Von syrischen Staatsangehörigen, die als politisch Verfolgte anerkannt worden sind, werden von Gesetzes wegen keine Bemühungen zur Erlangung eines Passes des Herkunftsstaates verlangt. Frage 5: Wird eine Dienstanweisung ergehen, dass sächsische Ausländerbehörden anerkannte Flüchtlinge und Asylsuchende zu informieren haben, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen ist beziehungsweise gemäß §72 Abs. 1 AsylG erlischt, wenn die Genannten sich durch Annahme oder Erneuerung eines Passdokuments oder durch sonstige Handlungen erneut der Hoheit des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, unterstellen? Personen mit bestätigter Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 AsylG erhalten einen Reiseausweis für Flüchtlinge nach § 1 Abs. 3 AufenthV — unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit der Passbeschaffung. Diese Personen verlieren nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft , wenn sie sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses o• er durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsange r frrieeit sie besitzen, unterstellen. Insoweit ist ihnen die Passbeschaffung unzumutie . / Der grI4ss einer Dienstanweisung ist nicht beabsichtigt. Mit freuhdlictien Grüßen V ( Markus Ulbig Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2017-06-12T08:31:10+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes