STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/9661 Thema: Abbruchantrag Baudenkmal Rotes Vorwerk in Oschatz (Landkreis Nordsachsen) Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die im kommunalen Eigentum der Stadt Oschatz stehende Oschatzer Wohnstätten GmbH hat den Abbruch des Roten Vorwerks beantragt. Dabei handelt es sich um unter Denkmalschutz stehendes Wohnhaus, welches das letzte noch bestehende Gebäude und zugleich das ursprüngliche Hauptgebäude auf dem Gelände des alten Roten Vorwerkes , Bahnhofstraße 1 in Oschatz ist. Das Gebäude geht in seinem Kern auf das 16. Jahrhundert zurück und zeigt sich heute weitgehend im Zustand seines Umbaus Ende des 18. Jahrhunderts. Begründet wird der aktuelle Abbruchantrag damit, dass der Erhalt des Gebäudes wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Bereits 2003 war der Abbruch der damals noch vorhandenen übrigen Gebäude des Roten Vorwerks genehmigt und anschließend durchgeführt worden. Damals wurde der Erhalt des heute noch bestehenden Hauptgebäudes ausdrücklich durch die Behörden festgelegt, da dieser Bau der älteste sowie baulich und denkmalfachlich der wertvollste Bestandteil des Gesamtensembles war, und sich auch ganz unabhängig davon in einem baulich insgesamt guten Zustand befand. Der Abbruchantrag wurde durch die untere Denkmalschutzbehörde abgelehnt, wogegen Widerspruch eingelegt wurde, über den nun die Landesdirektion als obere Denkmalschutzbehörde zu entscheiden hat. Freistaat SACH SEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 51-1053/267 Dresden, . Juni 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6,7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In welchem baulichen Zustand befindet sich der verbliebene Wohnflügel des Roten Vorwerks und worin besteht dessen denkmalpflegerischer Wert? Nach fachlicher Einschätzung der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Nordsachsen und des Landesamtes für Denkmalpflege befindet sich der einzige heute noch erhaltene Gebäudeteil des Roten Vorwerks in einem unsanierten Zustand, der in erheblichem Maß durch unterlassene Instandsetzung eingetretenen ist. Das Gebäude ist seit 2005 mit einer Noteindeckung der westlichen Dachhälfte vor Witterungseinflüssen und mit verschlossenen Öffnungen im Erdgeschoss vor Einbrüchen und Vandalismus geschützt. Einsturzgefahr besteht nicht. Der Denkmalwert des Gebäudes begründet sich aus dessen orts- und heimatgeschichtlicher , sozialgeschichtlicher und baugeschichtlicher Bedeutung, wie das Landesamt für Denkmalpflege ausführt. Die Geschichte des Roten Vorwerkes reicht bis auf das Mittelalter zurück. Bei dem konkreten Gebäude, dessen Abbruch begehrt wird, handelt es sich nach Überlieferungen zur Baugeschichte im Kern um einen Bau von 1543, der 1795 stark erneuert wurde und in diesem Zustand im Wesentlichen bis heute erhalten ist. Mit seiner Funktion als stadteigenes Gut verweist das Rote Vorwerk auf wichtige Grundlagen der Stadtökonomie in früherer Zeit. Mit den ab dem 19. Jahrhundert hinzugekommenen Funktionen als Armenhaus und Armenschule, später als städtisches Krankenhaus ist es ein anschauliches Dokument früherer kirchlicher und kommunaler Sozialarbeit und Sozialfürsorge. Unter dem Aspekt der Stadtbaugeschichte veranschaulicht das Gebäude Art und Charakter der ehemaligen Vorstadtbebauung und verfügt trotz des Verlustes der übrigen Hofgebäude über eine straßenbildprägende Wirkung. Frage 2: Welche Maßnahmen haben die Denkmalbehörden zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht im Sinne von § 8 Abs. 1 SächsDSchG aufgrund der Verfügungen aus dem Jahr 2003 bzw. auf der Grundlage von § 11 SächsDSchG verlangt und welche Erhaltungsmaßnahmen wurden durch die Eigentümerin seit 2003 tatsächlich durchgeführt? Mit der Abbruchgenehmigung für die Seitengebäude im Jahr 2003 haben die Denkmalbehörden die Eigentümerin, die Oschatzer Wohnstätten GmbH, auf die Erhaltungspflicht für das Hauptgebäude, als den geschichtsträchtigsten und baugeschichtlich wertvollsten Bauteil, hingewiesen. Denkmalschutzrechtliche Anordnungen zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht sind nicht erlassen worden. Im Rahmen einer Beratung im Jahr 2005, an der neben Vertretern der Oschatzer Wohnstätten GmbH und der Stadtverwaltung Oschatz Vertreter der unteren Denkmalschutzbehörde und des Landesamtes für Denkmalpflege teilnahmen, wurde festgelegt, dass das Dach und das Gebäude vor Schäden zu sichern ist, bis sich ein neuer Nutzer findet. Dieses Beratungsergebnis wurde in einer Aktennotiz niedergelegt. Weitere Maßnahmen außer den noch 2005 durchgeführten Sicherungsmaßnahmen erfolgten nicht. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSM1NISTER1UM DES INNERN Frage 3: Welche objektiv zwingenden Gründe der fehlenden Zumutbarkeit werden von der Eigentümerin Stadt Oschatz vorgebracht vor dem Hintergrund, dass unterlassene Erhaltungsmaßnahmen rechtlich schon ganz grundsätzlich keine Grundlage für die Herbeiführung einer Unzumutbarkeit darstellen können, überdies für die öffentliche Hand der Rechtsbegriff der denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit als Ausfluss des Eigentumsschutzes des Bürgers gegenüber dem Staat nicht direkt anwendbar ist und auch für die Wahl der Rechtsform staatlicher Organisationen der Grundsatz „Keine Flucht ins Privatrecht" gilt, sondern insbesondere Kommunen eine ganz besonders umfassende Erhaltungspflicht trifft und für die rechtliche Feststellung einer Unzumutbarkeit für Kommunen äußerst hohe Voraussetzungen vorliegen müssen (vgl. die Kommentare zum Denkmalrecht, etwa Martin / Mieth / Spennemann „Die Zumutbarkeit im Denkmalrecht"; Martin / Krautzberger „Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege") Die Eigentümerin, die Oschatzer Wohnstätten GmbH, ein Tochterunternehmen der Stadt Oschatz, beruft sich zum einen auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit des Erhalts des Kulturdenkmals. Zum Nachweis wurde eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt , die mit einem jährlichen Negativsaldo abschließt. Dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung lag die Annahme der Schaffung von sechs Wohneinheiten im Gebäude zugrunde . Weiter wurde im Abbruchantrag auf die seit mehr als zehn Jahren erfolglosen Verkaufsbemühungen verwiesen. Das Objekt sei in Prospekten der Oschatzer Wohnstätten GmbH, in Schaukästen des Unternehmens, durch Anzeigen in der Presse sowie durch Verkaufsbanner am Objekt angeboten worden. Zudem beruft sich die Oschatzer Wohnstätten GmbH auf die von der Stadt Oschatz geplante Erweiterung des Schulstandortes Bahnhofstraße, für die das Areal des Roten Vorwerks beansprucht wird. Auf dem Grundstück des Roten Vorwerks soll eine Zwei- Felder -Sporthalle entstehen. Die Grundfläche des streitgegenständlichen Gebäudes ist für die Schaffung von Parkplätzen vorgesehen. Zur Realisierung dieses Konzepts hat die Stadt Oschatz den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Ergänzung Schulstandort Bahnhofstraße" und den Abwägungsbeschluss getroffen. Mit dem Abwägungsbeschluss „räumt der Stadtrat den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung, den Belangen des Bildungswesens und des Sports (...) gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege den Vorzug ein". Die Oschatzer Wohnstätten GmbH legt daher im Ergebnis dar, dass ihr der Erhalt des Denkmals aufgrund der gemeindlichen Planungshoheit und des Rechts der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der kommunalen Schulverwaltung als Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde Oschatz nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz bzw. Art. 82 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung unzumutbar sei. Sie könne sich als kommunales Unternehmen auch auf die Selbstverwaltungsgarantie berufen, da die Wirkung und Durchsetzungskraft der seitens der Gemeinde vorgesehenen städtebaulichen Ordnung nicht von der Zuordnung des Denkmalobjektes an einen bestimmten Rechtsträger abhängen könne. Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 4: Welche Planungen für einen dauerhaften Erhalt und eine Nutzung des Gebäudes (Nachweis der Unmöglichkeit ist rechtliche Voraussetzung für eine Abbruchgenehmigung ) hat es gegeben und bestehen Förderprogramme, aus denen eine Sanierung oder künftige Nutzung grundsätzlich gefördert werden könnte und sind in der Vergangenheit bereits Fördermittel für eine Sanierung oder künftige Nutzung beantragt, wenn ja welche und mit welchem Ergebnis? Konkrete Planungen für einen dauerhaften Erhalt und eine Nutzung des Gebäudes sind den Denkmalbehörden nicht bekannt. Für die Sanierung denkmalgeschützter Objekte kommen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Denkmalförderprogramme des Freistaates Sachsen in Betracht. Nach Auskunft der für diese Förderung im Freistaat Sachsen zuständigen Bewilligungsstellen haben weder die Stadt Oschatz, noch die Oschatzer Wohnstätten GmbH für das Rote Vorwerk Zuschüsse beantragt. Frage 5: Trifft es zu, dass Mitarbeiter der oberen Denkmalschutzbehörde mit dem vom Denkmaleigentümer in dieser Sache mandatierten Rechtsanwalt auf einer Zugfahrt von Berlin nach Leipzig die Formulierung einer Stattgabe des Widerspruchs abgesprochen haben im Hinblick darauf, dass eine Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung einer solchen Entscheidung, als dem tatsächlichen Vorliegen einer Unzumutbarkeit einer solchen Entscheidung, also dem tatsächlichen Vorliegen einer Unzumutbarkeit im Rechtssinn faktisch nicht gegeben ist (fehlende Klagemöglichkeiten der unteren Denkmalschutzbehörde bzw. anderer Behörden oder Dritten)? Nein/ fde Sächsischen Staatsministerium des Innern sind solche Absprachen nicht bekannt. Mit freu dlichen Grüßen Markus Ulbi Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2017-06-15T09:20:24+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes