STAATSM1NISTER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/9715 Thema: Chipkarten -Systeme in Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die taz berichtet am 29. Mai 2017 über den Einsatz von Chipkarten in Asylunterkünften in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein (https://www.taz.de/Ueberwachungssoftware-fuer-Gefluechteten 5409816/). Mit einer speziellen Software werden damit umfassende Daten von Geflüchteten erfasst. Neben dem Einsatz für Ein- und Ausgangskontrollen sowie die Protokollierung der Essenausgabe würden auch ,medizinische Checks, Verwandtschaftsverhältnisse, Religionsoder ,Volks` -Zugehörigkeit gespeichert. Die genutzte Software stammt von der in Sachsen ansässigen Firma Cevisio GmbH.. Die Software sei ,in enger Zusammenarbeit' mit dem sächsischen Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes entwickelt worden. Datenschützer und Flüchtlingsinitiativen in den genannten drei Nord- Ländern kritisieren die Grundrechtseingriffe, die mit dem Einsatz der Überwachungssoftware einhergehen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wird die genannte Software auch in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt? (bitte aufschlüsseln nach Standort, Betreiber und Beginn des Einsatzes der Software) Frage 1.1: Welche Daten werden mittels der Software erfasst? Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24b-1053/28/24 Dresden, 2 . Juni 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 1.2: Wie lange und wo werden diese Daten gespeichert? (bitte aufschlüsseln, ob direkt auf der Karte oder zentral oder dezentral auf Servern, und wenn ja, wo sich diese Server befinden) Frage 1.3: Wer hat Zugriff auf die Daten? Frage 2: Welche alternativen Chipkartensysteme mit welcher Software werden in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt? (bitte nach Standort aufschlüsseln ) Frage 2.1: Welche Daten werden mittels der Software erfasst? Frage 2.2: Wie lange und wo werden diese Daten gespeichert? (bitte aufschlüsseln, ob direkt auf der Karte oder zentral oder dezentral auf Servern, und wenn ja, wo sich diese Server befinden) Frage 2.3: Wer hat Zugriff auf die Daten? Frage 3: Inwiefern genügen die Datenerfassungen und -speicherungen aus Sicht der Staatsregierung datenschutzrechtlichen Standards, besonders im Hinblick besonders schützengwerter Personendaten? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 3 einschließlich der Fragen 1.1 bis 1.3 und 2.1 bis 2.3: Die Staatsregierung lehnt die Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage ab. Sie ist unzulässig, weil sie unter Verstoß gegen § 56 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des 6. Sächsischen Landtages (GO 6. SLT) mehr als fünf Einzelfragestellungen umfasst . 1. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 GO 6. SLT darf eine Kleine Anfrage nicht mehr als fünf Einzelfragestellungen enthalten. Diese Beschränkung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (SächsVerfGH, Urteil vom 20. April 2010 — Vf. 54-1-09; Beschluss vom 19. Juli 2012 — Vf. 21-1-12). Aufgrund der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts als Instrument der Kontrolle der Regierung und Verwaltung ist bei Zweifeln darüber, ob eine parlamentarische Anfrage die genannte Beschränkung wahrt, allerdings zugunsten des Fragestellers von einer zulässigen Kleinen Anfrage auszugehen (SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Juli 2012— Vf. 21-1-12 m.w.N.; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 28. Januar 2016 — Vf. 68-1-15 juris Rn. 57). Insbesondere darf die Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 2 GO 6. SLT nicht dazu führen, dass dem Abgeordneten die Möglichkeit genommen wird, auch komplexe Sachverhalte zu hinterfragen (SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 — Vf. 21-1-12 m.w.N.). Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN 2. Diesem Maßstab genügt die vorliegende Kleine Anfrage nicht. Sie enthält insgesamt 13 Einzelfragestellungen und ist daher unzulässig. a) Ihrer äußeren Form nach enthält die Kleine Anfrage neun Einzelfragestellungen. aa) Bereits die Nummerierung der Fragen durch die Fragestellerin zeigt, dass sie die Fragen 1.1 bis 1.3 sowie 2.1 bis 2.3 als Einzelfragestellungen versteht. Die Vergabe jeweils eigener Nummern zeigt an, dass die Fragestellerin diese Fragen als selbständig ansieht und sie davon ausgeht, dass die Staatsregierung diese Fragen auch jeweils selbständig zu beantworten hat. Der Umstand, dass die Fragen nicht fortlaufend nummeriert und überdies eingerückt wurden, führt nicht 2u einer anderen Bewertung. Er nimmt den Fragen nicht ihren eigenständigen Charakter. Diese Gliederungs- und Formatierungsinstrumente zeigen lediglich an, dass sich die Fragen 1.1 bis 1.3 jeweils auf die in Frage 1 behandelte Software beziehen. Sie machen die sonst erforderliche wörtliche Bezugnahme auf „die in Frage 1 genannte Software" entbehrlich. Ebenso verhält es sich mit den Fragen 2.1 bis 2.3 im Verhältnis zu Frage 2. bb) Die Fragen 1.1 bis 1.3 sowie 2.1 bis 2.3 können auch inhaltlich nicht als Unterfragen der Fragen 1 und 2 verstanden werden. Dass Abgeordnete des Sächsischen Landtages in Kleinen Anfragen nach Artikel 51 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu den .Einzelfragestellungen Unterfragen formulieren, ist in der sächsischen Verfassungspraxis bisher nicht unüblich und wurde regelmäßig auch nicht beanstandet. Eine Unterfrage liegt aber nur dann vor, wenn die Unterfrage nach § 56 Abs. 2 Satz 1 GO 6. SLT dazu dient, die Tatsachen anzuführen, über die Auskunft gewünscht wird. Die Unterfrage präzisiert die Einzelfragestellung und konkretisiert die erbetene Auskunft. Es handelt sich aber nicht mehr um eine Unterfrage, wenn mit ihr über eine Tatsache Auskunft begehrt wird, die sich nicht durch Auslegung bereits aus der zugehörigen Einzelfragestellung ergeben würde. In einem solchen Fall ist auch die Unterfrage als eigene Einzelfragestellung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 GO 6. SLT anzusehen. So liegen die Dinge aber hier. Die Frage 1 ist eine mit „ja" oder „nein" zu beantwortende Entscheidungsfrage. Sie bezieht sich auf die bloße Tatsache des Einsatzes einer bestimmten Software in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Fragen 1.1 bis 1.3 betreffen aber nicht die Tatsache dieses Einsatzes. Mit ihnen begehrt die Fragestellerin Auskunft über bestimmte Eigenschaften der Software (Frage 1.1), über Verbindungen und Funktionsverteilungen zwischen Soft- und Hardware (Frage 1.2) sowie über Umstände von datenschutzrechtlicher Bedeutung (Fragen 1.2 und 1.3). Hierüber würde auch bei abgeordnetenfreundlicher Auslegung der Frage 1 keine Auskunft erteilt werden, wenn lediglich Frage 1 gestellt worden wäre. Entsprechend handelt es sich bei Fragen 1.1 bis 1.3 nicht um Unterfragen der Frage 1. Seite 3 von 5 5TAATSMIN1STERIUM DES INNERN Entsprechendes gilt für die Fragen 2.1 bis 2.3 im Verhältnis zu Frage 2. cc) Auch die Auslegung der Kleinen Anfrage ermöglicht keine Zusammenfassung von Fragen zu Einzelfragestellungen nach § 56 Abs. 2 Satz 2 GO 6. SLT. Es obliegt der Fragestellerin, die Fragen zu formulieren. Durch Auslegung nach dem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Organtreue ist der Sinn der Fragestellung zu ermitteln, damit Auskunft über die Tatsache erteilt wird, zu der die Fragestellerin erkennbar Auskunft begehrt. Es würde die Kompetenzen der Auslegung jedoch überschreiten, würde die mittels Auslegung eine alternative Kleine Anfrage formuliert. Der Fragestellerin erwächst daraus auch kein Nachteil, denn es ist ihr unbenommen, neue Kleine Anfragen unter Beachtung von § 56 Abs. 2 Satz 2 GO 6. SLT zu stellen. b) Darüber hinaus umfasst die Kleine Anfrage weitere Einzelfragestellungen, so dass die Kleine Anfrage letztlich 13 Einzelfragestellungen enthält. aa) Bereits Frage 1 umfasst nach den oben genannten Kriterien nicht weniger als drei Einzelfragestellungen. Im Hinblick auf seinen Klammerzusatz kann der Fragesatz entgegen seinem Wortlaut zugunsten der Fragestellerin als nicht nur mit "ja" oder "nein" zu beantwortende Entscheidungsfrage verstanden werden, sondern so, dass sie Auskunft begehrt, in welchen sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen die genannte Software eingesetzt wird. Damit wird nach der Bezeichnung der Erstaufnahmeeinrichtung gefragt . Davon ausgehend, dass diese Erstaufnahmeeinrichtungen keine eigene Bezeichnung führen, sondern von einander nur nach ihrem Ort unterschieden werden, begehrt die Fragestellerin damit Auskunft nach den Standorten der betroffenen Erstaufnahmeeinrichtungen . Angaben zum Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtung und zum Zeitpunkt des Beginns des Einsatzes der Software sind durch die Fragestellung auch bei äußerst weiter Auslegung nicht veranlasst. Insoweit handelt es sich um zwei weitere Einzelfragestellungen. Diese Betrachtung kann nicht auf Frage 2 übertragen werden, weil unter Zugrundelegung des dortigen Klammerzusatzes nur nach dem Standort der betroffenen Erstaufnahmeeinrichtungen gefragt wird, nicht aber nach deren jeweiligem Betreiber und dem jeweiligen Beginn des Einsatzes des Systems. bb) Frage 1.2 umfasst zwei Einzelfragestellungen. Dies ergibt sich bereits durch den Wortlaut der Frage „wie lange und wo". Mit dieser Formulierung verbindet die Fragestellerin zwei Ergänzungsfragen durch die Konjunktion „und". Diese grammatikalische Verknüpfung in Form einer Aufzählung ändert nichts daran, dass es sich nach den obigen Kriterien um Eirzelfragestellungen handelt, denn keines der verwandten Fragewörter hätte die Staatsregierung dazu veranlassen müssen, auch die Auskünfte mit zu erteilen , die bei Verwendung des jeweils anderen Fragewortes erteilt würden. Hingegen ergibt sich aus dem Klammerzusatz keine weitere Einzelfragestellung. Hier präzisiert die Fragestellerin, welche Auskunft sie mit der Frage nach dem Wo der Datenspeicherung begehrt. Freistaat SACHSEN Seite 4 von 5 STAATSM1N1STEMUM DES INNERN Diese Ausführungen gelten auch für die Frage 2.2, so dass sich in der Addition 13 Einzelfragestellungen ergeben. Mit freundlichen Grüßen In Vertretung Pry 9(7 Georg Unland Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2017-06-28T15:16:22+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes