STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRUNEN, Drs.-Nr.: 6/9768 Thema: Studie zu Suiziden und Suizidprävention im sächsischen Justizvol lzu g u nd Evaluation der Prophylaxeanstren gu n gen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt ,,Vorbemerkung: Laut Drs. 5/10094 wurde im November 2011 zwischen dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa und der Technischen Universität Dresden eine Kooperationsvereinbarung zur weiteren Erforschung der Umstände von Suizidalität unter Gefangenen geschlossen. lm Rahmen einer Studie zu Suiziden und Suizidprävention im sächsischen Justizvollzug sollte durch die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden Suizide und Suizidversuche in den sächsischen Justizvollzugsanstalten untersucht werden. Ferner sollten durch die auf die Dauer von zwei Jahren angelegten Forschungsarbeiten auch die bereits unternommenen Suizidprophylaxeanstrengungen im sächsischen Justizvollzug evaluiert und Konzepte zur Weiterentwickl u ng der etablierten su izidpräventiven Maß nahmen erarbeitet werden." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister@ smj.j ustiz. sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040- KLR-1416/17 Dresden, Ç, ,tutizo'tz Hausanschrlft: Sächslsches Staatsmlnlsterlum der Justl2 Hosp¡talstraße 7 01097 Dresden Br¡efpost iiber Deutsche Post 01 095 Dresden www.justiz.sachsen. de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen m¡t Skaßenbahnlinien 3,6,7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang tiber Einfahrt Hospitalstraße 7 Zugang filr sl€ktronisch signierte sow¡o fùr v€rschlùssêlts elêktronische Dokument € nur über das Elektronische Ger¡chts- und Verwsltungspostfachi nåhere lnformat¡onen unter w.egvp.de Seite 1 von 5 STAATSMINISTERIUIM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñr|-\¡{trJÈ]#,ùil|w Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: ln welchem Zeitraum wurden die Evaluation der Prophylaxeanstrengungen sowie die Studie mit welchem konkreten Forschungsziel und Methodik durchgeführt? Die Studie gliederte sich in drei Projektteile, diese erstreckten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren. Projektteil I (November 2011 bis Februar 2012) beschäftigte sich mit der Erforschung der in den sächsischen Justizvollzugsanstalten begangenen Suizide und der Evaluierung der bereits bestehenden suizidpräventiven Maßnahmen. Projektteil ll (Februar 2Q12 bis Dezember 2012) widmete sich der Einbeziehung psychischer Störungen als wichtigem Faktor bei Suizidalität. Projektteil lll (Januar 2013 bis Oktober 2013) befasste sich mit der Erarbeitung von Verbesserungsmöglichkeiten der bestehenden suizidpräventiven Maßnahmen und deren lmplementierung in den Haftalltag sowie der Erarbeitung eines Schulungsprogramms für Mitarbeiter in den sächsischen Justizvollzugsanstalten. Die Methodik ist getrennt nach den einzelnen Projektteilen in der beigefügten Übersicht (siehe Anlage 1) dargestellt. Frage 2: Welche zentralen Ergebnisse hat die Evaluation der bereits unternommenen S u izidp rophylaxeanstren g u n gen hervorgebracht? Frage 3: Welche zentralen Forschungsergebnisse hat die Studie hervorgebracht und wo wurden diese veröffentlicht? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden stellt im Projektabschlussbericht zusammenfassend dar, dass das sächsische Suizidpräventionskonzept ein hochstandardisiertes und differenziertes Programm und Prozedere enthalte; den Mitarbeitern des sächsischen Justizvollzugs stehe ein anwendungsfreundliches und praktikables Konzept zur Verfügung. Mit diesem Kon- Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Ð\Yt#ÊHrlffiw zept sei es gelungen, Suizide zu verhindern und insbesondere die Zeit zu Beginn der Haft, welche eine hochvulnerable Zeit für Suizidalität darstelle, durch das eingesetzte S u izidscreen i ngverfahren sig nifi kant siche rer zu gestalten. Der Projektabschlussbericht enthielt Empfehlungen, um den erreichten hohen Standard weiter zu gewährleisten. Um den Kommunikationsfluss noch weiter zu beschleunigen, wurde im Bericht insbesondere eine bessere Nutzung alternativer lnformationswege und die Digitalisierung des Suizidscreeningbogens vorgeschlagen. Für den Bereich der Diagnostik wurde der Einsatz weiterer Fragebögen, unter anderem des BDI (Beck- Depressions-lnventar) als Selbstratingverfahren zur Erkennung depressiver Symptome oder des Fragebogens zur Erfassung von Suizidalität (FBS), empfohlen. Neben einem schnellen und regelmäßigen Zugang für psychisch autfällige sowie psychisch kranke lnhaftierte zu einem Psychiater wurde der Ausbau der geplanten Suizidpräventionsräume vorgeschlagen. Für den Bereich der Fortbildung wurde die Erarbeitung eines standardisierten Fortbildungsmanuals angeregt. Weiterhin wurde die Empfehlung ausgesprochen, erhebliche Suizidversuche im Rahmen einerAnschlussuntersuchung auszuwerten. Eine Liste der Veröffentlichungen findet sich in der beigefügten Anlage 2 Frage 4: Welche Rückschlüsse hat die Staatsregierung aus der Evaluation und den Forschungsergebnissen gezogen und inwieweit sind die Ergebnisse der Evaluation sowie der Studie in die Weiterentwicklung der suizidpräventiven Maßnahmen im Justizvollzug eingegangen, insbesondere inwieweit sind die Schaffung von Suizidpräventionsräumen , die Festlegung verbindlicher Standards sowie die Einführung eines Screeningverfahrens usw. auf die Ergebnisse von Studie und Evaluation zurückzuführen ? lm Jahr 2010 wurde die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention, an der Vertreter des psychologischen Dienstes, des medizinischen Dienstes, des Sozialdienstes und des allgemeinen Vollzugsdienstes beteiligt sind, eingerichtet. Die Arbeitsgruppe ist mit der Prüfung und fortlaufenden Optimierung der Suizidprävention betraut und hat sich in diesem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studie befasst. Auf Grundlage der Auswertungen der Landesarbeitsgruppe Suizidprävention wurden insbesondere folgende suizidpräven- Seite 3 von 5 STAATSMìNISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñr-St¡llq¡lw tive Maßnahmen umgesetzt: Es wurde ein lnformationsportal Suizidprävention eingerichtet , welches fortlaufend durch die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention aktualisiert wird. Die Leitstelle für lnformationstechnologie hat eine digitalisierte Fassung des Suizidscreeningbogens erstellt, welche dezeit in der Justizvollzugsanstalt Leipzig mit Krankenhaus als Pilotanstalt getestet wird. lm Bereich der Diagnostik wurde für alle Justizvollzugsanstalten der BDI-Fragebogen (Beck-Depressions-lnventar) beschafft und den Fachdiensten zur Verfügung gestellt. Der verbesserte Zugang von Gefangenen zu einer psychiatrischen Versorgung wurde durch eine Ausweitung der Tätigkeit der vertraglich gebundenen Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie umgesetzt. Dieses Jahr wurde der erste Suizidpräventionsraum in der Justizvollzugsanstalt Leipzig mit Krankenhaus in Betrieb genommen . Durch die Technische Universität Dresden wurde ein standardisiertes Fortbildungsmanual zur Suizidprävention erstellt, welches nach einer Evaluierung, die im Rahmen einer Dissertation erfolgen wird, angewendet werden soll. Eine fortlaufende Auswertung der erheblichen Suizidversuche erfolgt durch die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention. Die Konzeption zur Schaffung von Suizidpräventionsräumen, die Festlegung verbindlicher Standards der Suizidprävention und die Weiterentwicklung eines bereits im Jahr 2006 eingeführten Screeningverfahrens zur Suizidprävention erfolgten unabhängig von den Empfehlungen der Studie. Frage 5: Welche weiteren Forschungsvorhaben und Evaluationen sind geplant, um die Wirkung von Suizidprävention und Prophylaxeanstrengungen zu untersuchen? Wann werden diese durch wen vorgenommen und veröffentlicht? Wenn dies nicht geplant ist, warum nicht? Die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention ist beauftragt, fortlaufend alle Fälle von Suizidversuchen und Suiziden im sächsischen Justizvollzug auszuwerten und Empfehlungen zur Suizidprävention zu erarbeiten. Die wissenschaftliche Begleitung der Landesarbeitsgruppe Suizidprävention erfolgt durch die Leiterin der Landesarbeitsgruppe Suizidprävention , Frau Dr. Meischner-Al-Mousawi. Frau Dr. Meischner-Al-Mousawi ist Mitarbeiterin des Kriminologischen Dienstes des Freistaates Sachsen und Leiterin der Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention im Justizvollzug. Die Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention ist eine Arbeitsgruppe des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NASPRO), sie dient dem Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw bundesweiten Erfahrungsaustausch, die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien werden vorgestellt und Komponenten der Suizidprävention entwickelt. Die zusätzliche erneute Beauftragung einer externen Forschungseinrichtung mit der Evaluation der Suizidprävention im sächsischen Justizvollzug ist daher aktuell nicht beabsichtigt . Mit freundlichen Grüßen ln Vertretung Anlagen 2 Übersichten Seite 5 von 5 Anlage 1 (zu Frage 1, Drs.-Nr. 6/9768) Projektteil Methodik o Überprüfung bisheriger Haftsuizide und statistische Auswertung von a Besonderheiten Einordnung bisheriger Suizide in die Felber-Klassifikation zur Überprüfung der Motivationslage und zukünftig möglicher Präventionsstrateg ien inhaltliche und statistische Auswertung bereits durchgeführter psychologischer Autopsien Suizidmethode: Überprüfung bisher benutzter Suizidmethoden; Überlegungen zur Verringerung des Zugangs der Gefangenen zu diesen Methoden Gefangene: o Freies lnterview o Suicide Status Form ll (SSF-Il, German Version) o FB-Befragung: Viennese lnstrument for Suicidality in Correctional I nstitutions (VlSCl) o Beck Depression-lnventory (BDl), Montgomery-Asberg Depression o Rating Scale (MADRS) o ,,Fragebogen 1 für lnhaftierte" des Kriminologischen Dienstes des Landes Niedersachsen Mitarbeiter: o Freies lnterview o angepasster Fragebogen über Kenntnis und Haltung zum Suizid und zur Suizidalität (FKHS) o Nurses GlobalAssessment of Suicidal Risk (NGASR) o angepasster FB,,Umgang mit Suizidalität" o Erarbeitung eines Fragebogens o ,,Fragebogen 1 für Bedienstete" des Kriminologischen Dienstes des Landes Niedersachsen o a a a Anlage 1 (zu Frage 1, Drs.-Nr. 6/9768) Projektteil Methodik . Überprüfung des Zusammenhangs psychischer Erkrankungen und Suizide in Haft durch Untersuchung der bisherigen Suizide ¡ Literaturrecherche . Diagnostik psychischer Störungen bei Gefangenen nach einem festgelegten Prozedere durch den Projektmitarbeiter; Überprüfung des Einsatzes von Fragebögen und lnterviews zu diesem Zweck . Schulung der Diagnostikfähigkeiten derAnstaltsmitarbeiter o Einbeziehung des Themas ,,Psychische Erkrankung" in zukünftige Präventionsstrateg ien il . Überprüfung des bisherigen Umgangs mit Suizidalität durch, o Überprüfung bestehender Screening-lnstrumente und Überarbeitung o Überprüfung bisheriger Präventionsstrategien ¡ Erarbeitung von Schulungsmaterialien für Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten o Erarbeitung eines Leitfadens, Schulung von Multiplikatoren . Validierung der Maßnahme Anlage 2 (zu Frage 3, Drs.-Nr. 6/9768) Veröffentlichunsen: Pesch, M. etal. (2015) Projekt: ,,Suizid und Suizidprävention im Sächsischen Justizvollzug" Poster auf dem DGPPN Berlin Ritter, D. et al. (2013) Psychologische-Autopsie-Studie: Beweggründe für den Suizid sächsischer lnhaftierter. Poster auf dem DGPPN Berlin Ritter, D. et al. (2016) Einfluss von Haftdauer, Persönlichkeitsautfälligkeiten und Persönlichkeitsstörungen auf die Suizidalität von lnhaftierten am Beispiel des sächsischen Justizvollzugs. Nervenazt 87 / 5 S. 496 Scheier et al. (2015) Erarbeitung und lmplementierung einer suizidpräventiven Weiterbildung für Bedienstete des Sächsischen Justizvollzugs. Poster auf dem DGPPN Berlin Schönfeld, J. et al. (2015) Wissen und Einstellung zum Suizid bzw. Suizidalität von Bediensteten, Fachdiensten und Auszubildenden des sächsischen Justizvollzugs. Poster auf dem DGPPN Berlin KA6-9768 Anlage 1 Anlage 2 2017-07-05T15:01:49+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes