STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/9809 Thema: Körperverletzung eines Tunesiers durch Polizeibeamte in Chemnitz — Nachfrage zu Drs 6/4995 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: SPIEGEL ONLINE berichtet am 25. April 2016 über die schwere körperliche Misshandlung eines Tunesiers durch sächsische Polizeibedienstete in Chemnitz am 5. April 2016. Diese habe einem anderen Ausländer helfen wollen, der durch Nazis angegriffen worden sei. Als die Polizei dazu kam, sei er zu Boden geworfen und ihm das Bein gebrochen worden. Es sei von den Polizeibeamten beschimpft (,Er sei kein Mensch und solle sich verpissen.') und getreten worden. Ein Krankenwagen sei erst nach Stunden gerufen worden, nachdem der Geschädigte auf das Revier verbracht wurde. Die Freie Presse berichtete am 23. Februar 2017, dass momentan ein Gutachten zu den Verletzungen des Mannes erstellt werde, die Anklage gegen den Mann aber bereits erhoben wurde." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie stellt sich der Sachverhalt aus Sicht der Staatsregierung derzeit dar? Nach dem Ergebnis der Ermittlungen stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der Betroffene zusammen mit einer weiteren bekannten sowie einer unbekannt gebliebenen ausländischen Person in eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Deutschen verwickelt war, wobei es auch zu Körperverletzungen kam. Dabei verletzte sich der Betroffene an der Hand, als er eine Bierflasche bzw. Scherben aufhob. Dieser Sachverhalt folgt aus den Angaben mehrerer Zeugen. Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-1053/29/32 Dresden, G . Juli 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Als die Polizei eintraf, wollte der Betroffene weiter auf andere Personen einwirken. Auch dies folgt aus den Angaben mehrerer Zeugen. Die weitere bekannte Person wollte den Betroffenen unterstützen, wobei diese zusammen mit einem weiteren Zeugen zu Fall kamen. Beide, der Betroffene und die weitere Person, wurden, um weitere Auseinandersetzungen zu unterbinden, durch Polizeibeamte zu Boden gebracht und u. a. auch an den Beinen fixiert. Schläge und Beleidigungen gegenüber dem Betroffenen wurden von keinem der anderen Zeugen wahrgenommen. Anschließend wurden der Betroffene und die weitere Person zum Einsatzfahrzeug verbracht , wobei der Betroffene sich noch zur Wehr setzte. Ein Tritt auf das Bein des Betroffenen im Einsatzfahrzeug ist im Ergebnis der Ermittlungen nicht mit einer für eine Anklageerhebung notwendigen Sicherheit nachweisbar. Ebenso konnten die angeblich schlechte Behandlung im Polizeirevier, die angebliche Beleidigung und die Angabe des Betroffenen, er habe sofort nach einem Arzt verlangt, im Ergebnis der Ermittlungen nicht bestätigt werden. Für die Beamten, die für den Gewahrsam verantwortlich waren, war die Verletzung des Betroffenen zunächst nicht erkennbar. Es handelte sich um keinen offenen Bruch. Erst als das Bein geschwollen war, war dies erkennbar, sodass sogleich ein Krankerjwagen gerufen wurde. Anhand der Zeugenaussagen und aufgrund eines eingeholten Gutachtens muss davon ausgegangen werden, dass sich der Betroffene die Knochenbrüche während des Polizeieinsatzes zugezogen hat. Es lässt sich jedoch nicht nachweisen, wie und bei welcher konkreten Handlung die Brüche entstanden sind. Das Sachverständigengutachten hat hierzu keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Frage 2: Inwieweit wurden Ermittlungs- und/oder Disziplinarverfahren wegen welchen konkreten Sachverhaltes und welchen Straftatbestandes gegen wie viele und welche Personen (Geschädigter, Opfer des Angriffes, Deutsche/Nichtdeutsche, Angreifer und Polizeibedienstete) eingeleitet, ggf. wie abgeschlossen bzw. in welchem Stand befinden sie sich? Frage 4: Welche Maßnahmen wurden konkret getroffen, um solch polizeiliches Handeln künftig zu verhindern? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 4: Gegen die drei vor Ort konkret gegenüber dem Betroffenen handelnden Polizeibeamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt geführt. Das Ermittlungsverfahren gegen sämtliche Beschuldigte wurde gemäß § 170 Absatz 2 StPO mit Verfügung vom 8. März 2017 eingestellt, da ein Tatnachweis nicht möglich war bzw. die Handlungen gerechtfertigt waren. Der hiergegen erhobenen Beschwerde wurde durch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden mit Bescheid vom 17. Mai 2017 keine Folge gegeben. Aufgrund der dargelegten Einstellungsgründe lagen weder ein Dienstvergehen noch ein Fehlverhalten der eingesetzten Polizeibeamten vor. Insofern wurden weder ein Disziplinarverfahren eingeleitet noch gesonderte Maßnahmen getroffen. Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Gegen den Betroffenen und die weitere Person wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geführt. Am 1. Dezember 2016 wurde Anklage zum Amtsgericht Chemnitz erhoben. Frage 3: Welche neueren Erkenntnisse hat die Staatsregierung über eine rassistische oder fremdenfeindliche Einstellung der handelnden Polizeibediensteten und der sächsischen Polizei? Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Staatsregierung nicht vor. Mit freundlichen Grüßen In Vertretung 4/mif Prof deorg Unland Seite 3 von 3 2017-07-07T12:14:32+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes