SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1011 18. Wahlperiode 2013-08-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Schutz vor geheimdienstlicher Tätigkeit in Deutschland In den vergangenen zwei Monaten sind mehrere Systeme bekannt geworden, mittels derer die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien in erheblichem Maße auf elektronische Kommunikation zugreift. Zu diesen Programmen sollen auch per- manente, direkte Zugriffe auf wichtige Netzwerkknoten und Rechenzentren gehören. 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass der Zugriff auf in Deutschland befindliche Netzwerkknoten und Rechenzentren zur Ausleitung von Daten durch andere Stellen als hierzu gesetzlich ermächtigte deutsche Behörden rechtswidrig ist und als geheimdienstliche Tätigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Landesverfassungsschutzgesetz einzuordnen ist? Es wird um eine ent- sprechende Begründung gebeten. Antwort: Die Erkenntnislage zu den Aktivitäten der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens ist nicht hinreichend valide, um darauf eine sichere recht- liche Bewertung stützen zu können. Drucksache 18/1011 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein solches Verhalten als Tätigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Landesverfassungsschutzgesetz bewertet werden könnte. 2. Stellt es nach Auffassung der Landesregierung eine geheimdienstliche Tätig- keit im o.g. Sinne dar, wenn nur eine Auswertung, nicht jedoch die Ausleitung der Daten in Deutschland erfolgt? Verändert sich diese Würdigung, wenn die Auswertung auch solche Daten erfasst, deren Erhebung durch deutsche Be- hörden unzulässig gewesen wäre, z.B. weil es sich um rein innerdeutsche Kommunikationsvorgänge handelt und eine anlassbezogene Erhebung zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung nicht angezeigt gewesen wäre? Antwort: Diese Unterschiede in der Fallkonstellation machen in der rechtlichen Bewer- tung keinen Unterschied, da es ausreichend wäre, dass eine Handlung im In- land begangen wurde. Auch die Unzulässigkeit der entsprechenden Datenerhebung für deutsche Behörden verändert diese Bewertung nicht. 3. Welche Bedeutung misst die Landesregierung den Zugriffen ausländischer Geheimdienste auf die elektronische Kommunikation und damit auch der sog. VoIP-Telefonie unter dem Gesichtspunkt zu, dass auch die Landesregierung selbst, Behörden des Landes Schleswig-Holstein und Unternehmen aus dem Rüstungsbereich diese Kommunikationswege in Anspruch nehmen? Antwort: Die Landesregierung misst diesen Zugriffen (insoweit sie tatsächlich erfolgt sind) auf die IT-Infrastruktur eine herausragende Bedeutung bei – dies gilt so- wohl im Hinblick auf die Nutzung dieser Infrastruktur durch die Landesregie- rung, die Landesbehörden aber auch sensible wirtschaftliche Bereiche und Privatpersonen, deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert sein könnte. 4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass derartige Zugriffe von Nachrich- tendiensten auf vertrauliche Kommunikation von öffentlichen Stellen und Bür- gern geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung zu beeinträchtigen? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1011 Antwort: Für den Fall, dass etwaige Zugriffe auf Kommunikationseinrichtungen und -wege gegen geltendes Recht verstoßen würden, wäre bereits hierdurch eine Beeinträchtigung von Sicherheit und Ordnung gegeben. 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass insbesondere auf solche Informa- tionen, deren Preisgabe durch die Landesregierung einzelnen oder allen Ab- geordneten verwehrt wird, auch durch fremde Nachrichtendienste nicht zuge- griffen werden kann? Antwort: Grundsätzlich sind für den Schutz aller Verschlusssachen im Bereich der ge- samten Landesverwaltung die Regelungen des personellen (Landessicher- heitsüberprüfungsgesetz) und materiellen (Verschlusssachenanweisung) Geheimschutzes maßgeblich. 6. Verwenden die Landesregierung und die Ministerien Möglichkeiten zur Ver- schlüsselung ihrer elektronischen Kommunikation? Wenn ja, warum sind sie auf diesem Wege nicht für die Bevölkerung erreichbar? Antwort: Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 der Kleinen Anfrage des Abgeordne- ten Sven Krumbeck, Drucksache 18/998, wird wiederholend Bezug genom- men. Die Landesverwaltung betreibt unter Berücksichtigung der funktionalen Si- cherheit- und Datenschutzanforderungen der Landesbehörden und des kom- munalen Bereichs ein eigenes, geschlossenes Landessprach-und Datennetz sowie eigene Kommunikationssysteme. Die Verschlüsselung der Datenübertragung erfolgt im Auftrag der Daten ver- arbeitenden Stellen vor dem Hintergrund des Schutzbedarfes der verarbeite- ten Daten. Hierzu stehen im Rahmen des Landesnetzes eine grundverschlüs- selte Infrastruktur sowie verschiedene technische Lösungen des Dienstleisters Dataport auf Netz-und Anwendungsebene zur Verfügung. Online-Angebote, die eine Registrierung erfordern und das Schleswig- Holstein-Gateway nutzen (zu finden zum Beispiel unter „Verwaltung-online“ im Landesportal www.schleswig-holstein.de) sowie das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) - bei dem die Ende-zu-Ende- Drucksache 18/1011 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Verschlüsselung realisiert ist - ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern eine sichere Kommunikation mit Landes- und Kommunalbehörden. 7. Wäre die Landesregierung tatsächlich in der Lage gewesen, auf einen ent- sprechenden Beschluss des Landtages im Juni hin, mit der Einrichtung ver- schlüsselter Kommunikationswege bei öffentlichen Stellen zu beginnen? Antwort: Öffentliche Stellen können bereits über das Landesnetz Schleswig-Holstein verschlüsselt kommunizieren. Für die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger mit öffentlichen Stellen stehen die bereits in der Antwort zu Frage 6 dargestellten Wege zur Verfügung. Die bestehende Infrastruktur kann be- darfsgerecht und unter wirtschaftlichen Aspekten um weitere, sichere Kom- munikationswege erweitert werden. 8. Durch den Informationsaustausch der Nachrichtendienste können deutsche Nachrichtendienste und damit, z.B. durch die Anti-Terror-Datenbank, auch andere deutsche Behörden auf Informationen zugreifen, deren Erhebung ihnen selbst rechtlich verwehrt ist. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass in diesem Wege die verfassungsrechtlich bedingten Beschränkungen der deutschen Nachrichtendienste umgangen und ausgehebelt werden können? Antwort: Der Informationsaustausch der Nachrichtendienste ist z.B. zur Aufklärung oder Bekämpfung des Terrorismus von wesentlicher Bedeutung und erfolgt in engen gesetzlichen Grenzen. Auch das die Antiterrordatei (ATD) regelnde Antiterrordateigesetz (ATDG) trägt diesem Gedanken Rechnung. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 24. April 2013 zum ATDG festgestellt, dass die ATD in ihren Grundzügen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Jedoch genügt sie hinsichtlich ihrer Ausgestaltung im Einzelnen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig, so dass eine teilweise Neuregelung erforderlich wird. Aufgrund dieses Urteils hat die Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder beschlossen, entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zu prüfen, inwieweit – insbesondere im Hinblick auf gemeinsam geführte Dateien – Regelungsbedarf besteht. Die Auswirkun- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1011 gen des Urteils auf den künftigen Informationsaustausch und die Frage der verfassungsrechtlich bedingten Beschränkungen aufgrund der jeweiligen Auf- gabenwahrnehmung der beteiligten Behörden werden deshalb derzeit einge- hend geprüft und einer Neuregelung unterzogen. Nach verfassungskonformer Modifikation der gesetzlichen Regelungen ist da- von auszugehen, dass die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Beschrän- kungen der Nachrichtendienste ohne Abstriche gewährleistet wird. 9. Kann die Landesregierung sicherstellen, dass keine Stelle Schleswig- Holsteins mit Daten gearbeitet hat oder noch arbeitet, die durch fremde Nach- richtendienste in den o.g. Programmen erhoben wurden und deren Erhebung in Deutschland rechtswidrig wäre? Antwort: Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste gelangen nicht unmittelbar an schleswig-holsteinische Sicherheitsbehörden. Polizei und Verfassungsschutz erhalten entsprechende Hinweise in der Regel über das Bundesamt für Ver- fassungsschutz bzw. das Bundeskriminalamt. Diese Erkenntnisübermittlungen durch die Zentralstellen enthalten nicht immer einen Hinweis auf den ur- sprünglichen Informationsgeber (z.B. CIA, FBI, MI5 etc.) und die Erkenntnis- quelle (z.B. technische Aufklärung, menschliche Quellen etc.).