SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1015 18. Wahlperiode 2013-08-08 Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Erhöhte Strahlenbelastung bei Castortransporten im Kernkraftwerk Brokdorf Vorbemerkung Am 9. Juli 2013 haben sowohl der Bundesumweltminister Altmaier als auch der Landesminister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Robert Habeck zum Thema Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen am Standort Brunsbüttel auf Fragen von Bürgern Rede und Antwort gestanden. Durch eine Frage und Anmerkung eines Bürgers wurde in den Raum gestellt, dass mit externen Dosimetern von Bürgern bei Castortransporten im Kernkraftwerk Brokdorf in ca. 100 Meter Entfernung erhebliche Strahlenbelastungen festgestellt wurden. 1. Ist der Landesregierung dieser Sachverhalt bekannt und kann sie dies durch vorliegende Messergebnisse bei ihrer eigenen Atomaufsichtsbehörde bestätigen ? Wenn ja, wann wurden diese Messwerte festgestellt? Wenn nein, wie beurteilt die Landesregierung die Behauptung des Bürgers? Nein. Eine Behauptung mit dem geschilderten Inhalt ist nach Kenntnis der Landesregierung auf der Veranstaltung am 9. Juli 2013 auch nicht aufgestellt worden. Die Atomaufsicht überwacht die Einhaltung der Vorschriften der Strahlenschutzverordnung . Es ist festzustellen, dass es nach den Maßstäben der Strahlenschutzverordnung „erhebliche Strahlenbelastungen“ bisher bei Castortransporten im Kernkraftwerk Brokdorf nicht gegeben hat. 2. Wenn Frage 1 mit ja beantwortet wurde, wurde die Bevölkerung darüber informiert ? Drucksache 18/1015 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Wenn ja, wann und wie wurde informiert? Wenn nein, warum wurde nicht informiert? Die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde unterhält eigene Dosisleistungsmessstationen der Kernkraftwerksfernüberwachung (KFÜ) auf dem Betriebsgelände und in der Umgebung der Kernkraftwerke. Diese Messstellen sind betreiberunabhängig und zeigen die Ortsdosisleistung am jeweiligen Standort an. Die Messergebnisse sind über das Internet für jedermann einsehbar. Gesonderte Informationen gibt die Landesregierung darüber hinaus bei besonderen Auffälligkeiten heraus. 3. Wenn Frage 2 mit nein beantwortet wurde, wurden ggfs. die Landräte oder andere öffentliche Institutionen informiert? Nein, siehe Antwort auf Frage 2. 4. Welche Messverfahren werden durch die Betreiber und/oder die Atomaufsicht bei Castortransporten angewandt? Über die KFÜ hinaus sehen die atomrechtlichen Verfahren für die Beladung von Castorbehältern im Kontrollbereich eines Kernkraftwerks, für den Transport ins Zwischenlager sowie für die dortige Einlagerung jeweils ein strenges Reglement vor („Schrittfolgeplan“). Dieser Schrittfolgeplan wird in allen Schritten atomaufsichtlich begleitet. Die Strahlung sowie die Kontaminationsfreiheit am Behälter werden unter Aufsicht der Behörde gemessen und dokumentiert. Dabei wurden bisher bei keinem Castortransport in Schleswig-Holstein unzulässige Werte festgestellt. Es werden Messverfahren eingesetzt mit denen die Gammadosisleistung, die Neutronendosisleistung sowie die Oberflächenkontamination erfasst werden. Die Messverfahren basieren auf Ionisationszählrohren. 5. Handelt es sich um durch die Atomaufsicht zugelassene Messgeräte und Messverfahren? Alle zur Anwendung kommenden Messgeräte sind im atomrechtlichen Aufsichtsverfahren bewährt und fachlich anerkannt. Für die KFÜ werden qualifizierte GammaTracer des Herstellers Saphymo eingesetzt. Bei innerbetrieblichen Transportvorgängen werden darüber hinaus zur Messung der Ortsdosisleistung mobile Handgeräte eingesetzt. Es muss zwischen Messgeräten zur Messung der Gamma- und Neutronendosisleistung unterschieden werden: Messung der Gammadosisleistung:  Automess Teletector 6112M/H Messung der Neutronendosisleistung:  Berthold LB6411 Drucksache 18/1015 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 3 Für die Messung der Kontaminationsfreiheit wird ein Wischtestmessplatz verwendet:  Berthold LB 770 – 10-fach Wischtestmessplatz Die Ortsdosisleistung des Behälters wird an der Oberfläche sowie in festen Abständen mit mobilen Handgeräten gemessen und dokumentiert. Die Kontaminationsfreiheit des Castorbehälters wird durch die Auswertung von umfangreichen Probeentnahmen nachgewiesen. Dazu wird an festgelegten Punkten die Oberfläche des Behälters abgewischt und diese Proben (Wischtests) werden dann in einem speziell für solche Zwecke bereitgehaltenen empfindlichen Wischtestmessplatz ausgewertet. Alle Ergebnisse werden dokumentiert. 6. Liegen der Atomaufsicht Eichgutachten und -zertifikate der eingesetzten Messtechnik vor? 7. In welchem zeitlichen Rhythmus werden die Geräte überprüft und wer führt diese Überprüfungen durch? Antwort auf die Fragen 6 und 7: Für die im Rahmen der KFÜ verwendeten Gamma-Tracer in der Basisversion wurde durch den Hersteller eine Bauartzulassung bei der PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) durchgeführt. Für die KFÜ-Messstationen werden im Rahmen der Betriebsführung Lebenslaufakten und Prüfprotokolle geführt. Für die Dosisleistungsmessstationen der KFÜ wird bei der täglichen Betriebsführung die ordnungsgemäße Funktion anhand der Geräteparameter überprüft. Jährlich werden Sicht- und Funktionsprüfungen am Einbauort durchgeführt. Im Abstand von ca. 30 Monaten erfolgt die Wartung mit Batteriewechsel und Kalibrierung beim Gerätehersteller Saphymo GmbH. Für die darüber hinausgehende aufsichtliche Begleitung der Transporte werden vor jeder Beladungskampagne alle Geräte zur Messung der Ortsdosisleistung durch einen unabhängigen Sachverständigen auf Eignung und Funktionsfähigkeit geprüft. Das Ergebnis der Prüfungen wird dokumentiert. Alle zur Anwendung kommenden Messverfahren sind im atomrechtlichen Aufsichtsverfahren bewährt und fachlich anerkannt . Die zur Bestimmung von Strahlendosen eingesetzten mobilen Messgeräte unterliegen der Eichpflicht. Die Fristen, in denen die Geräte zu eichen sind, bestimmt die Eichordnung (in der Regel alle zwei Jahre). 8. Sieht die Landesregierung / Atomaufsicht Handlungsbedarf in der Optimierung der Messtechnik, der Messverfahren und der Anwendung? Nein.