SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1112 18. Wahlperiode 2013-09-18 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Schleswig-Holstein Vorbemerkung: Innenminister Andreas Breitner hat mehrfach betont, dass Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf Bundes- und Landesebene aufgenommen werden sollen. Im März 2013 beschloss die Bundesregierung, 5.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Minister Breitner begrüßte diesen Schritt als „längst überfällige [...] humanitäre Tat“ und sprach sich dafür aus, den Flüchtlingen nicht nur subsidiären Schutz für die Dauer des Konflikts in Syrien, sondern auch ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren. [1] 1. Auf die Aufnahmeanordnung der Bundesregierung [2] mit Begleitschreiben [3] vom 30.05.13 hin sollten die ersten syrischen Flüchtlinge im Juni nach Schleswig- Holstein kommen. Wie viele von ihnen kamen in welchem Monat nach Schleswig- Holstein und wie viele insgesamt nach Deutschland? Mit der Ankunft wie vieler weiterer Flüchtlinge rechnet die Landesregierung bis wann? Werden die genannten Zahlen (5.000 im Bund, 160 in SH) eingehalten werden oder werden sie darunter oder darüber liegen? Welche Gründe nimmt die Landesregierung für eine etwaige Über- oder Unterschreitung zurzeit an? Drucksache 18/1112 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Antwort: Bislang sind keine syrischen Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein gekommen, die auf der Grundlage der Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 30.05.2013 zur vorübergehenden Aufnahme von Schutzbedürftigen aus Syrien und Anrainerstaaten Syriens Aufnahme in Deutschland gefunden haben. Am 11.09.2013 sind im Rahmen eines Charterfluges 107 Personen aus diesem Aufnahmekontingent ins Bundesgebiet eingereist. Hiervon sind drei Personen dem Land Schleswig-Holstein zugewiesen worden. Diese befinden sich zurzeit im Grenzdurchgangslager Friedland und werden voraussichtlich am 24.09.2013 in Schleswig-Holstein aufgenommen und untergebracht. Darüber hinaus hat der Bund die Landesregierung über fünf weitere für Schleswig-Holstein vorgesehene Personen aus dem Aufnahmekontingent informiert, denen Aufnahmezusagen erteilt wurden und die eigenständig ins Bundesgebiet einreisen wollen. Eine Einreise dieser Personen ist nach Kenntnis der Landesregierung noch nicht erfolgt. Die Aufnahmezusage und ggf. die Ausnahme von der Passpflicht sind bei eigenständig einreisenden syrischen Flüchtlingen ab Bekanntgabe drei Monate gültig. Die Gesamtzahl der syrischen Flüchtlinge, die auf der Grundlage der Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 30.05.2013 bisher nach Deutschland eingereist sind, ist der Landesregierung nicht bekannt. Dem Land Schleswig- Holstein werden im Rahmen des Aufnahmekontingents nach dem Königsteiner Schlüssel voraussichtlich insgesamt 168 Personen zugewiesen. Nach jetzigem Stand ist demnach mit 160 weiteren Personen zu rechnen, welche dem Land Schleswig-Holstein zugewiesen werden. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Einreise und der Verteilung dieser Personen liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgesehenen Aufnahmezahlen nicht eingehalten oder überschritten werden, sind nicht vorhanden. 2. Welche Einrichtungen bzw. Organisationen führen die persönliche Auswahl der in Schleswig-Holstein aufzunehmenden Kontingentflüchtlinge durch, wo finden die Auswahlverfahren statt und welche Einrichtungen bzw. Organisationen organisieren und finanzieren den Transport vom jeweiligen Aufenthaltsort bis schließlich an den Ort der Unterbringung in Schleswig-Holstein (bitte jeweils aufschlüsseln)? Antwort: Die Aufnahme der syrischen Flüchtlinge erfolgt gemäß der Aufnahmeanordnung des Bundesministeriums des Innern vom 30.05.2013 grundsätzlich aus dem Libanon. Im Libanon müssen sich die aufzunehmenden Personen beim Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) oder beim Caritas Libanon registrieren und um einen Platz in dem Aufnahmeprogramm bewerben. Die Entscheidung über die Aufnahme trifft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Bei Aufnahmen aus anderen Ländern der Region erhält das Bundesamt Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1112 3 die benötigten Informationen regelmäßig über die zuständige deutsche Auslandsvertretung. Die Charterflüge nach Deutschland organisiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Einbindung der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Der Bund trägt die Kosten für die Durchführung des Aufnahmeverfahrens und für den Transport der Flüchtlinge nach Deutschland, soweit diese nicht von den Betroffenen selbst getragen werden. Dies gilt ebenso für die Kosten notwendiger medizinischer Versorgung der Flüchtlinge bis zur Ankunft in den Zielkommunen und die Kosten für eine zweiwöchige Erstaufnahme im Grenzdurchgangslager Friedland oder im Standort Bramsche der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Die Beförderung der dem Land Schleswig-Holstein zugewiesenen Flüchtlinge in die Kreise und kreisfreien Städte erfolgt durch das Landesamt für Ausländerangelegenheiten auf Kosten des Landes. Die Möglichkeit einer Erstattung aus EU-Mitteln wird geprüft. 3. Findet auch eine medizinische Notverbringung direkt aus dem Krisengebiet in schleswig-holsteinische medizinische Einrichtungen statt (Fallzahlen)? Antwort: Bei Bedarf würde eine entsprechende medizinische Notverbringung organisiert werden. 4. Wie viele dauerhafte und wie viele vorübergehende Aufenthaltstitel welcher Art werden bzw. wurden erteilt und für ggf. welche Zeiträume jeweils (bitte ggf. jeweils aufschlüsseln)? Antwort: Zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage haben sich in Schleswig- Holstein noch keine durch die Aufnahmeregelung des Bundes begünstigten Personen aufgehalten. Der Zuzug von drei Personen ist aber bereits avisiert. Sie werden nach der Ankunft in Schleswig-Holstein für zunächst zwei Jahre Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erhalten. 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur dauerhaften Neuansiedlung von Flüchtlingen („Resettlement“) und inwiefern wird sie davon Gebrauch machen und sich ggf. in geeigneter Form auf Bundesebene für solche Maßnahmen einsetzen? Drucksache 18/1112 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Anders als der Bund und die Vielzahl der Länder, die sich zunächst gegen ein nationales Resettlement-Programm ausgesprochen haben, hat sich der Schleswig- Holsteinische Landtag bereits im September 2009 mehrheitlich für die Teilnahme an einem dauerhaften Resettlement ausgesprochen. Am 9.12.2011 fasste die IMK einen Beschluss für ein Resettlement-Programm in Deutschland, wonach in den Jahren von 2012 – 2014 jeweils 3 x 300 Personen im Rahmen von Resettlement aufgenommen werden sollen. Für 2012 erfolgte die Aufnahme von 200 Personen aus Shousha (Tunesien) und bis zu 100 schutzbedürftigen Irakern aus der Türkei. Schleswig-Holstein hat sich quotal an der Aufnahme beteiligt. Im Jahr 2013 wurden bereits 101 irakische Flüchtlinge aus der Türkei im Rahmen des Resettlement in Deutschland aufgenommen. Die Aufnahme von bis zu insgesamt 200 nicht-syrischen Staatsangehörigen aus Syrien sowie von bestimmten irakischen, iranischen und syrischen Flüchtlingen aus der Türkei steht noch aus. Die Koordinierung des Resettlement-Programms für 2014 wird auf Bund-/Länderebene erfolgen. Schleswig-Holstein wird sich auch an diesen Kontingenten quotal beteiligen. Ziel eines gemeinsamen europäischen Neuansiedlungsprogramms wird es u.a. sein, bis zum Jahr 2020 jährlich 20.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Die Teilnahme der Mitgliedstaaten an diesem Programm bleibt freiwillig. Ein Beschluss auf Bundesebene, wie sich Deutschland nach 2014 zu einem dauerhaften Resettlement verhalten wird, bleibt abzuwarten. Schleswig-Holstein wird weitere Initiativen unterstützen. 6. Wo und in welcher Form sind die Flüchtlinge untergebracht und wie werden die Träger bei der Finanzierung der Unterbringung unterstützt (bitte ggf. nach Trägern und Form der Unterbringung aufschlüsseln)? Antwort: Bislang sind keine syrischen Flüchtlinge in Schleswig-Holstein untergebracht worden, die auf der Grundlage der Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 30.05.2013 Aufnahme in Deutschland gefunden haben. Syrische Flüchtlinge, die im Rahmen des Aufnahmekontingentes nach Deutschland kommen, werden Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1112 5 hinsichtlich der Unterbringung in der Regel Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II/SGB XII) gegenüber den insoweit zuständigen Leistungsträgern haben. 7. Wie werden die Flüchtlinge versorgt? Welche medizinische, welche psychologische und welche informationstechnologische Versorgung erhalten sie? Welche Einrichtungen bzw. Organisationen führen diese Versorgung aus (bitte soweit möglich nach Trägern und Versorgungsart aufschlüsseln)? Antwort: Syrische Flüchtlinge, die auf der Grundlage der Anordnung des Bundesministeriums des Innern vom 30.05.2013 nach Deutschland eingereist sind, werden in der Regel Ansprüche nach dem SGB II bzw. SGB XII und aus der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber den insoweit zuständigen Leistungsträgern haben. 8. Hat die Landesregierung besondere Schritte unternommen, um die Sicherheit der Flüchtlinge vor Ort (etwa gegen fremdenfeindliche Übergriffe) zu gewährleisten? Welche Einrichtungen bzw. Organisationen führen diese Sicherheitsmaßnahmen ggf. aus? Antwort: Für entsprechende Maßnahmen der Landesregierung bestand bislang keine Notwendigkeit. Ein entsprechender Bedarf ist momentan auch im Hinblick auf zukünftige Aufnahmen in Schleswig-Holstein nicht erkennbar. 9. Schleswig-Holstein erließ mit Wirkung vom 28.08.13 eine eigene Aufnahmeanordnung für Familienangehörige von in Schleswig-Holstein lebenden Syrer/innen. [4] Mit wie vielen zusätzlichen Aufnahmen (über das Bundes- Kontingent hinaus) rechnet die Landesregierung? Unternimmt sie auch eigene organisatorische und finanzielle Anstrengungen, die von dem Verfahren im Rahmen des Bundeskontingents [2, 3] abweichen; wenn ja, welche? Mit welchen zusätzlichen Kosten z.B. für Transport, Unterbringung und Versorgung rechnet die Landesregierung diesbezüglich? Antwort: a) Zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage halten sich in Schleswig-Holstein noch keine durch die Aufnahmeregelung des Landes begünstigten Personen auf. Eine Prognose über das Ausmaß der Aufnahmeregelung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Drucksache 18/1112 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 b) Für die schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden wird mit der Aufnahmeregelung des Landes gegenüber der Bundesregelung ein erhöhter Prüfaufwand verbunden sein. In diesen Fällen sind individuelle Visumverfahren durchzuführen, die individuelle Prüfungen und Zustimmungsentscheidungen der Ausländerbehörden erfordern. Gegenüber der Aufnahmeregelung des Bundes baut die Landesregelung darauf auf, dass die Kosten des Aufenthaltes eingeladener Familienangehöriger selbst oder durch die hier rechtmäßig lebenden Angehörigen getragen werden. c) Die Höhe der zu erwartenden Kosten ist abhängig von der Anzahl der aufzunehmenden Personen und deren individuellen Lebensumständen. Diesbezüglich sind Prognosen nicht möglich (siehe auch Antwort 9a). 10. Die Vereinten Nationen, die Türkei und viele NGOs fordern deutlich erhöhte Anstrengungen von Seiten der Europäischen Union und auch Deutschlands bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien. Hält die Landesregierung eine Ausweitung des bislang von der Bundesregierung zugesagten Kontingents für möglich, welche Informationen liegen diebezüglich vor und inwiefern setzt sie sich dafür ein? Hält die Landesregierung die von der Bundesregierung erlassenen Kriterien und Maßnahmen [2, 3] für ausreichend? Antwort: Die Landesregierung geht in Kenntnis öffentlicher Ankündigungen des Bundesinnenministers derzeit nicht von einer Ausweitung der Aufnahmeregelung des Bundes aus. Die Landesregierung hat daher, wie in anderen Ländern auch, von der Möglichkeit einer eigenen Aufnahmeregelung für Familienangehörige hier lebender syrischer Staatsangehöriger Gebrauch gemacht. [1] http://www.schleswig-holstein.de/IM/DE/Service/Presse/PI/2013/130320_im_syrienFluechtlinge.html [2] http://www.frnrw.de/recht/erlasse/herkunftslaender/syrien/item/download/1661_a6106ea30cbba988bc96f74b805533f3 [3] http://www.frnrw.de/recht/erlasse/herkunftslaender/syrien/item/download/1662_1bf1cf3636ae0aa9631575e14463ae61 [4] http://www.schleswig-holstein.de/IM/DE/Service/Presse/PI/2013/130827_im_familiennachzug_syrien.html