SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1205 18. Wahlperiode 2013-10-14 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer und Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Umgang mit Aufsuchungs- und Bewilligungsanträgen betreffend Kohlenwasserstoffvorkommen in Schleswig-Holstein 1. Wird die Landesregierung künftig bei eingehenden Aufsuchungs- und Bewilligungsanträgen betreffend Kohlenwasserstoffvorkommen unverzüglich diejenigen Kreise veröffentlichen, auf deren Gebiet gesucht bzw. gefördert werden soll, weil insoweit das öffentliche Interesse das berechtigte Interesse an der Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse überwiegt? Die Veröffentlichungen erfolgen insoweit, wie sie mit dem Geheimhaltungsgrundsatz in § 30 des Bundes- und in § 88 a des Landesverwaltungsverfahrensgesetz vereinbar sind. 2. Wird die Landesregierung künftig Bewilligungsanträge der Inhaber von Aufsuchungserlaubnissen unverzüglich nach ihrem Eingang veröffentlichen, weil in diesem Fall Vorrang vor etwaigen Konkurrenzanträgen besteht (§ 14 Abs. 1 BBergG)? Soweit sich der Bewilligungsantrag auf ein Gebiet bezieht, für welches der Antragssteller eine Erlaubnis besitzt, kann das Gebiet unverzüglich veröffentlicht werden. 3. Wird die Landesregierung den Landtag künftig unaufgefordert und unter Angabe der betroffenen Gebiete von eingegangenen Aufsuchungs- und Bewilligungsanträgen informieren und Kartenmaterial zur Verfügung stellen, gegebenenfalls in nicht-öffentlicher Sitzung? Ja, in nicht öffentlicher Sitzung. 4. Trägt die Landesregierung dafür Sorge, dass zum Schutz von Rechten Dritter, wenn mindestens 300 Personen betroffen sind oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist, der Betriebsplan öffentlich ausgelegt werden muss (§ 48 Abs. 2 BBergG)? Wenn ja, wie? Ja. Der Betriebsplan wird bei den betroffenen Kreisen ausgelegt. 5. Laut Bundesverwaltungsgericht (4 B 94/98 vom 15.10.1998) gehört zu den Behörden, denen gem. § 15 BBergG vor der Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, auch die Gemeinde (auch wenn Rechtsschutz gegen eine Verletzung des Beteiligungsrechts erst vor Betriebsplanzulassungen bestehe). Das LBEG hat im Wirtschaftsausschuss des Landtages demgegenüber erklärt, die betroffenen Gemeinden würden vor der Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen oder Bewilligungen nicht angehört. Demgegenüber hat ein Vertreter NordrheinWestfalens angegeben, dass eine Anhörung der Kommunen dort erfolge. Wird die Landesregierung das LBEG anweisen, vor der Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen oder Bewilligungen die in dem Gebiet belegenen Gemeinden rechtzeitig vor der Entscheidung anzuhören? Die Landesregierung wird das LBEG anweisen, dass die Gemeinden künftig über die zuständigen Ämter beteiligt werden. 6. Nach Zusicherung des MELUR werde vor der Genehmigung von Betriebsplä- nen, die Fracking nicht klar ausschließen, kraft unmittelbar anwendbaren Europarechts eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Nach Auskunft des LBEG im Wirtschaftsausschuss des Landtages ist davon nichts bekannt und werde dies so auch nicht gehandhabt. Wird die Landesregierung das LBEG anweisen, (Probe-)Tiefbohrungen nur nach Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu gestatten , a) wenn grundwasserführende Schichten durchstoßen werden sollen, b) wenn Bohrflüssigkeiten eingebracht werden sollen, c) wenn Stoffe in den Untergrund verpresst werden sollen (Verpressbohrungen ), d) in sonstigen Fällen? Für Tiefbohrungen im Sinne von Anhang II Nr. 2 d) der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (RL 2011/92/EG) ist in unmittelbarer Anwendung dieser Richtlinie eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen. Das LBEG wird in jedem Einzelfall eine Vorprüfung vornehmen. Wenn das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. 7. Nach Angaben des LBEG werde eine wasserrechtliche Genehmigung bislang nicht zur Voraussetzung von Betriebsplangenehmigungen gemacht. Dagegen kommt unter anderem ein Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamts zu dem Ergebnis, dass eine solche Erlaubnis unter dem Gesichtspunkt der "unechten Wassernutzung" erforderlich sei. Wird die Landesregierung das LBEG anweisen, (Probe-)Tiefbohrungen nur nach wasserrechtlicher Genehmigung zu gestatten, a) wenn grundwasserführende Schichten durchstoßen werden sollen, b) wenn Bohrflüssigkeiten eingebracht werden sollen, c) wenn Stoffe in den Untergrund verpresst werden sollen (Verpressbohrungen ), d) in sonstigen Fällen? Die wasserrechtlichen Vorschriften sind im Rahmen von bergbaulichen Vorhaben gleichrangig neben den bergrechtlichen Vorschriften zu beachten. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) stellt das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, und damit auch in das Grundwasser, eine erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung dar. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG gelten ferner als Gewässerbenutzungen auch Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen (sog. „unechte Benutzung“). Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Vorgänge im Zusammenhang mit der Erkundung oder Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (Bohrungen, Einbringen von Bohrflüssigkeiten etc.) auf das Grundwasser einwirken bzw. einwirken können und damit den Tatbestand der erlaubnispflichtigen Gewässerbenutzung nach dem WHG erfüllen. Die Entscheidung hierüber trifft das LBEG im Einvernehmen mit der zuständigen unteren Wasserbehörde. 8. Trifft es nach Kenntnis der Landesregierung zu, dass durch das derzeitige Frackingverfahren nur 10-20% einer Lagerstätte ausgebeutet werden kann, wohingegen mit aktuell in der Forschung befindlichen umweltschonenden Methoden 70-80% Ausbeute erreichbar werden? Wenn ja, steht dies der Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen oder Bewilligungen entgegen (§ 18 Abs. 1 BBergG i.V.m. § 11 Abs. 9 BBergG)? Derartige Forschungen sind der Landesregierung nicht bekannt. Für die Bescheidung von Aufsuchungs- und Bewilligungsanträge in Schleswig-Holstein ist dies darüber hinaus irrelevant, da Frackingverfahren nicht Gegenstand derartiger Anträge sind. 9. Trägt die Landesregierung dafür Sorge, dass bei jeder bergrechtlichen Erlaubnis eine ausreichende Sicherheitsleistung zur Auflage gemacht wird (§ 56 Abs. 2 BBergG)? Wenn ja, wie? Ja. In Verfahren nach §§ 7 und 8 BBergG wird im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr.7 geprüft, ob das Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um die Aufsuchung durchzuführen und die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche zu gewährleisten. Soweit erforderlich werden im Rahmen von Betriebs- planverfahren nach §§ 51 ff. BBergG entsprechende Sicherheitsleistungen in Nebenbestimmungen festgelegt. 10. Trägt die Landesregierung dafür Sorge, dass jede Bergbautätigkeit über den gesamten Zeitraum und eine angemessene Nachbeobachtungszeit wissenschaftlich von unabhängiger Seite überwacht wird, um Umwelt- und Gesundheitsgefahren überhaupt erst feststellen zu können (§ 66 Abs. 5 BBergG)? Wenn ja, wie? Die Nachbeobachtungszeit sowie eine wissenschaftlich unabhängige Uberwachung ist im BBergG derzeit nicht geregelt. Umwelt- und Gesundheitsvorsorgevorschriften werden entsprechend der anzuwendenden Rechtsvorschriften im Betriebsplanverfahren berücksichtigt. 11. Wie steht die Landesregierung zu einer Rückübertragung der Zuständigkeit vom LBEG auf das Land Schleswig-Holstein? Eine Übertragung der Aufgaben vom LBEG ist nicht geplant. 12. Wie steht die Landesregierung dazu, dass der zuständige Abteilungsleiter im LBEG laut Presseberichten zeitweise Prokurist einer Firma in NordrheinWestfalen war, die Rohstoffe liefert, die beim Fracking eingesetzt werden? Der Sachverhalt wurde dienstrechtlich überprüft. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass bei der Bescheidung von Anträgen sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben. 13. Ist vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage die Ausweisung weiterer Wasserschutzgebiete beabsichtigt, um Trinkwasserressourcen zu schützen? Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten auf Grundlage von § 51 Wasserhaushaltsgesetz wird von Seiten des Ministeriums kontinuierlich betrieben. 14. Welche Möglichkeiten zur umweltgerechten Entsorgung toxischen Lagerstättenwassers werden nach Kenntnis der Landesregierung erforscht? Darüber liegen der Landesregierung keine Kenntnisse vor. 15. Mit Pressemitteilung vom 14.03.2013 hat der Umweltminister erklärt: „Wir können solchen eventuellen Anträgen nur dann zustimmen, wenn feststeht, dass das geplante Vorhaben keinerlei negative Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung, die Umwelt oder das Grundwasser haben kann. Nach den bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen lässt sich dieser Nachweis für das Einbringen von umwelttoxischen Fracfluiden in unkonventionelle Lagerstätten nicht erbringen. Mögliche Anträge sind also nach derzeitigem Stand nicht genehmigungsfähig“. a) Gilt diese Aussage uneingeschränkt auch außerhalb von Wasserschutzgebieten , z.B. in Trinkwassereinzugsgebieten oder Trinkwasserentnahmegebieten ? Ja. Der Besorgnisgrundsatz des WHG gilt flächendeckend und nicht nur in Wasserschutzgebieten. Eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit darf flächendeckend nicht zu besorgen sein, um eine Erlaubnis für eine Benutzung des Grundwassers erteilen zu dürfen. b) Gilt diese Aussage auch für die Verpressung toxischen Lagerstättenwassers ? Ja, soweit es sich um die Verpressung von Lagerstättenwasser handelt, welche im Rahmen einer Frackingmaßnahme stattfinden soll. Der Besorgnisgrundsatz des WHG gilt flächendeckend und nicht nur in Wasserschutzgebieten . Eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit darf flächendeckend nicht zu besorgen sein, um eine Erlaubnis für eine Benutzung des Grundwassers erteilen zu dürfen