SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1240 18. Wahlperiode 2013-11-08 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerin für Bildung und Wissenschaft Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen Lehrer Vorbemerkung des Fragestellers: Ein Lehrer aus Schleswig-Holstein ist nach Medienberichten in den USA festgenom- men worden, weil er ein Lockangebot des FBI zum sexuellen Missbrauch von Kin- dern angenommen haben soll. Seine Wohnung in Deutschland soll wegen des Vor- wurfs der Verabredung zum sexuellen Missbrauch von Kindern und des Verdachts auf Besitz kinderpornografischer Schriften durchsucht worden sein. Er soll die Vor- würfe bestreiten. 1. Trifft es zu, dass der Schulleiter die Vorwürfe unter namentlicher Nennung des Beschuldigten den Eltern sämtlicher Schülerinnen und Schüler in einem Eltern- brief bekannt gegeben hat, und zwar im Einvernehmen mit dem Bildungsminis- terium? Antwort: Der Schulleiter hat im Einvernehmen mit dem MBW die Elternschaft der Schule dar- über informiert, dass der namentlich genannte Lehrer bei der Einreise in die USA am Flughafen festgenommen worden sei und jetzt im Gefängnis sitze. Ihm werde vorge- worfen, über eine Internetseite eine Reise in die Vereinigten Staaten inklusive der in einer Rubrik „specialoffers“ enthaltenen Angebote zum sexuellen Missbrauch von Kindern gebucht zu haben. 2. Hält die Landesregierung diese Bekanntgabe für verhältnismäßig und rechtmä- ßig, zumal in einer Situation, in der noch nicht einmal ein Disziplinarverfahren eingeleitet war? Wenn ja, warum? Antwort: Ja, da die Vorwürfe gegen die Lehrkraft bereits in der Schule kursierten und mit einer kurzfristig bevorstehenden Veröffentlichung in der Presse zu rechnen war. In dieser Situation hat sich der Schulleiter in Abstimmung mit dem MBW entschlossen, die El- tern brieflich zu informieren, damit sie von den Vorwürfen nicht erst aus der Presse erfahren. Die namentliche Nennung der Lehrkraft war in diesem Zusammenhang sachgerecht und verhältnismäßig, um weitere Spekulationen, insbesondere jegliche Verdächtigung anderer Lehrkräfte im Kollegium auszuschließen. 3. Ist vor Erteilung des Einvernehmens eine Stellungnahme des Unabhängigen Landesdatenschutzzentrums eingeholt worden? Wenn ja, mit welchem Ergeb- nis? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Nein, siehe Antwort zu Frage 2. Schulleitung und MBW haben sich angesichts der kursierenden Vorwürfe in Abwägung der Fürsorgepflichten gegenüber der Lehrkraft einerseits und möglichen Verdächtigungen gegenüber unbeteiligten Lehrkräften an- dererseits sowie nicht zuletzt im Hinblick auf Schutz- und Fürsorgepflichten gegen- über den Schülerinnen und Schülern entschieden, die Eltern unter namentlicher Nennung der Lehrkraft zu informieren. 4. Wäre als milderes Mittel zur Vorsorge nicht eine vorläufige Dienstenthebung in Betracht gekommen? (bitte begründen) Antwort: Nein, siehe Antwort zu Frage 2 und 3. Inwiefern bei kurzfristig bevorstehendem öf- fentlichen Bekanntwerden der Vorwürfe eine vorläufige Dienstenthebung als milderes Mittel anzusehen sein sollte als das Informationsschreiben des Schulleiters, kann nicht nachvollzogen werden. 5. Ist inzwischen ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden? Antwort: Ja. 6. Nach Angaben des Landeskriminalamtes wäre das FBI-Lockangebot in Deutschland nicht zulässig gewesen. Sind die dadurch erlangten Beweismittel in Schleswig-Holstein justiziell 1. verwertbar 2. verwertet worden? Antwort: Nach deutschem Recht ist es Polizeibeamten verboten, im Rahmen von Ermittlungs- handlungen Straftaten zu begehen. Gleichwohl folgt aus diesem Grundsatz nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht in jedem Fall ein Beweisverwertungsver- bot für die möglicherweise durch eine Straftat erlangten Beweise (vgl. u.a. Meyer- Goßner, StPO-Kommentar, 56. Auflage, Einl. Rn. 148a, § 163 Rn. 34b m.w.N.). Inwieweit eine Beweisverwertung im vorliegenden Fall rechtlich zulässig wäre, kann nicht gesagt werden, da hier weder die konkreten Ermittlungshandlungen der US- amerikanischen Behörden noch die dadurch gewonnenen Erkenntnisse bekannt sind. 7. Haben die schleswig-holsteinische Justiz oder andere Landesbehörden unmit- telbar oder mittelbar (z.B. über Bundesbehörden) personenbezogene Informati- onen oder Beweismittel über den Beschuldigten an die USA weiter gegeben? Antwort: Nein. 8. Hält die Landesregierung allgemein die Übermittlung personenbezogener Daten an US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden für zulässig? (bitte begründen) Antwort: Ja. Der Auslieferungs- und Rechtshilfeverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika richtet sich nach den zwi- schen beiden Staaten bilateral geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen. 9. Ist nach Auffassung der Landesregierung in den USA ein „angemessenes Da- tenschutzniveau“ gewährleistet (vgl. § 61a IRG), obwohl dort keinerlei gesetzli- cher Datenschutz für ausländische Staatsbürger existiert? (bitte begründen) Antwort: Das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) hat gegenüber den geltenden völkerrechtlichen Verträgen nur subsidiäre Bedeutung. Sollte unter dieser Prämisse § 61a IRG - die Vorschrift trifft Regelungen allein zu einer Daten- übermittlung ohne Ersuchen - zur Anwendung kommen, ist die Folge eines nicht an- gemessenen Datenschutzniveaus im Empfängerstaat in dieser Vorschrift ausdrück- lich geregelt. Dem Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein sind Einzelfälle, bei denen es auf die Fragestellung ankäme, aus der freien Erinnerung nicht bekannt und inner- halb der gesetzten Frist nicht recherchierbar. Für weitere generalisierende Feststellungen wie die Frage der Behandlung eines angemessenen Datenschutzniveaus in anderen Staaten ist der Bund als Gesetzge- ber zuständig. Der Bund allein ist auch wegen seiner Zuständigkeit bei der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten nach Art. 32 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet, eine Bewertung des angemessenen Datenschutzes in auswärtigen Staaten durchzu- führen. 10. Ist die Auffassung der Landesregierung zu Frage 9 mit dem Unabhängigen Landesdatenschutzzentrum abgestimmt oder beabsichtigt die Landesregierung, dies zu tun? (bitte begründen) Antwort: Entfällt, siehe Antwort auf Frage 9.