SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1268 18. Wahlperiode 18.11.2013 Kleine Anfrage der Abgeordneten Barbara Ostmeier (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Täter-Opfer-Ausgleich in Schleswig-Holstein 1. Wie plant die Landesregierung die Sicherstellung eines flächendeckenden Angebots im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs bei Jugendlichen und Heranwachsenden und welche Leistungen erwartet die Landesregierung in diesem Zusammenhang von den Kommunen (Gemeinden und Kreise)? Antwort: Der Ausbau mediativer Elemente in der Justiz, vorrangig in Jugendstrafverfahren, ist ein zentrales rechtspolitisches Ziel der Landesregierung. Wiedergutmachung von begangenem Unrecht dient den Interessen von Opfern häu- fig mehr als eine sanktionierende Strafe. Beim TOA stehen sich Täter und Opfer auf Augenhöhe gegenüber. Durch diese Konfrontation werden dem Täter die Folgen sei- nes eigenen Handelns deutlich und ein empathischer Zugang zu dem zugefügten Leid geschaffen. Diese direkte Begegnung mit dem Opfer kann daher auch beim Tä- ter nachhaltiger im Sinne einer Rückfallvermeidung als eine herkömmliche Sankti- Drucksache 18/1268 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 onsalternative wirken. Durch die stärkere Opferorientierung können auch psychische Folgeschäden beim Opfer vermieden und das eigene Sicherheitsgefühl langfristig gestärkt werden. In 2012 wurden in Schleswig-Holstein 1528 Verfahren im TOA gezählt, davon 444 im Jugendbereich. Der Jugend-TOA wurde in 2012 mit anteiligen Haushaltsmitteln des Landes von folgenden freien Trägern durchgeführt: Brücke Kiel e.V., Jugendhilfever- ein Nordfriesland, Freie Jugendhilfe e.V. in Schwarzenbek. Die Finanzierung des Ju- gend-TOAs beim Verein „Freie Jugendhilfe e.V.“ erfolgte bisher jeweils zu einem Drit- tel durch das MJKE, den Kreis Herzogtum Lauenburg und Eigenmittel des Trägers. Darüber hinaus haben die Jugendämter der Kreise und Kommunen den TOA für ju- gendliche und heranwachsende Delinquenten angeboten, aber mit Ausnahme der Stadt Lübeck und des Kreises Dithmarschen nur vereinzelt in ausreichender Anzahl umgesetzt. In den Jugendämtern Neumünster, Rendsburg, Bad Segeberg und Nor- derstedt ist die Durchführung des Jugend-TOAs mit der vor einigen Jahren erfolgten Umstrukturierung (Sozialraumorientierung, Entspezialisierung) und dem hierdurch bedingten Wegfall der Jugendgerichtshilfe nicht mehr gewährleistet. Die Stadt Neu- münster sieht sich nicht in der Kostentragungspflicht dieser Maßnahme. Der Kreis Rendsburg hat den Jugend-TOA auf freie Träger übertragen, allerdings die Zahl der durchzuführenden Täter-Opfer-Ausgleiche auf ein Minimum begrenzt. In Norderstedt, Bad Bramstedt und Bad Segeberg wird der TOA angeboten, es handelt sich jedoch nur um wenige Fälle, die von nicht geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden. Die Titelansätze wurden von 2012 (60,0T€) im Jahr 2013 auf 110,0T€ angehoben. Dadurch wurden in diesem Jahr zwei neue Jugend-TOA-Projekte durch das MJKE gefördert. In Pinneberg startete der „Verein für Jugendhilfe Pinneberg e.V.“ am 1.5.2013 das Projekt „ Erweiterter Täter-Opfer-Ausgleich“, in Flensburg ergänzte der Verein „ADS-Grenzfriedensbund e.V.“ am 1.4.2013 sein Angebot um das Arbeits- feld TOA für Jugendliche. In beiden Einrichtungen sind speziell qualifizierte Mediato- rinnen und Mediatoren tätig, die nach einer ersten Auswertung bereits zufriedenstel- lende Ergebnisse vorweisen konnten. . Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1268 3 In Anbetracht des drohenden Ausstieges des Kreises Herzogtum Lauenburg im Jah- re 2014 aus der Kofinanzierung und den bestehenden Defiziten in anderen Landge- richtsbezirken hat die Landesregierung aufgrund der Bedeutung des TOA entschie- den, Mittel für das HH-Jahr 2014 in Höhe von 155,0 T€ zu beantragen. Außerdem hat die Landesregierung vorgesehen, zwei weitere Gerichtshelferstellen für die Durchführung des TOA einzusetzen. Diese Mittel und Maßnahmen sorgen dafür, dass das flächendeckende Angebot nach wie vor aufrechterhalten wird. Die Einbin- dung des Jugend-TOA in die laufende Jugendhilfeplanung der zuständigen Jugend- ämter setzt weiterhin eine intensive Zusammenarbeit voraus, insbesondere zwischen den Gerichts- und Jugendgerichtshilfen. Hintergrund für den Ausstieg des Kreises Herzogtum-Lauenburg aus der TOA- Förderung ist die unterschiedliche Interpretation der Gesetzestexte KJHG und JGG. Durch das 1. JGG-Änderungsgesetz von 1990 wurden jugendrichterliche Weisungen (darunter der TOA) als sog. „neue ambulante Maßnahmen“ in den Sanktionskatalog des JGG aufgenommen. Parallele Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB VIII = Kinder- und Jugendhilfegesetz / KJHG) und im JGG führen seitdem zum Streit, ob es sich (jugendhilferechtlich) um sog. „Hilfen zur Erziehung“ oder (jugendstrafrechtlich) um „Erziehungsmaßregeln“ in Form der o. g. Weisungen handelt. Hieraus resultiert die Diskussion über die Finanzierung der ambulanten Maßnahmen, da die Voraus- setzungen der Anordnung bzw. der Gewährung der Leistungen nicht deckungsgleich sind. 2. Geht die Landesregierung davon aus, dass ein flächendeckendes Angebot im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs für Jugendliche und Heranwach- sende durch zwei zusätzliche Stellen in der Gerichtshilfe erreicht werden kann? a. Wenn ja, wie soll dies konkret sichergestellt werden? Antwort: Drucksache 18/1268 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Das Ziel eines flächendeckenden, qualitativen Angebotes im Bereich Jugend-TOA wird mit den vorhandenen Mitteln für die Finanzierung Freier Träger und der zusätzli- chen Aufstockung von 2 Stellen in der Gerichtshilfe erreicht. Voraussetzung ist, dass die Kommunen sich weiterhin an der Durchführung des TOAs beteiligen. Das bestehende System muss fortgesetzt werden. b. Wenn nein, welche Maßnahmen plant die Landesregierung zum Aus- bau und zur Sicherung eines flächendeckenden Angebots im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs für Jugendliche und Heranwachsende? Antwort: Entfällt c. Welche konkreten Aufgaben sollen von den Inhabern der neu geschaf- fenen Stellen wo und in welcher Art wahrgenommen werden? Antwort: Geplant sind zusätzliche Personalstellen für die jeweiligen Landgerichtsbezirke, wo- bei die Verteilung der neu geschaffenen Stellen der Personalhoheit des General- staatsanwaltes obliegt. Diesbezüglich sind Koordinierungsgespräche vorgesehen. Die Aufstockung der Personalstellen in den Gerichtshilfen ist gebunden an eine fach- lich qualitative Durchführung des Jugend-TOAs durch eine Grundqualifizierung des Personals zum Mediator/zur Mediatorin sowie eine Spezialisierung innerhalb des Aufgabengebietes der Gerichtshilfe. Geplant ist ein bedarfsorientierter Einsatz der Gerichtshilfe dort, wo Optimierungsbedarf besteht z.B. in Neumünster und Nor- derstedt. 3. Aus welchem Grund sieht die Landesregierung im Haushaltsentwurf 2014 (Einzelplan 09, Kapitel: 0902, Titel: 684 08 (MG 01)) eine Förderung ledig- lich des Vereins Jugendhilfe e.V. in Schwarzenbek vor und in welcher Hö- he soll diese Förderung konkret erfolgen? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1268 5 Antwort: Derzeit fördert die Landesregierung 5 Jugend-TOA- und 4 TOA-Projekte in Strafver- fahren gegen Erwachsene in Schleswig-Holstein. Für den Verein Jugendhilfe e.V. in Schwarzenbek wurden für das HH-Jahr 2014 Mittel in Höhe von 36.932T € bean- tragt. (Begründung s. Antwort zu Pkt.1). 4. Soll die unter 3. genannte Förderung über das Jahr 2014 hinaus erfolgen und wenn nein, wie soll eine entsprechende Planungssicherheit für den Verein Jugendhilfe e.V. über das Jahr 2014 hinaus hergestellt werden? Antwort: Die Leistungen für den Verein Jugendhilfe e.V. wurden zunächst nur für das Jahr 2014 beantragt. 5. Plant die Landesregierung die Finanzierung weiterer privater Träger der Jugendhilfe für den Fall, dass weitere Kreise beschließen sollten, sich nicht weiter an der Kofinanzierung durch die öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu beteiligen? Antwort: Ziel ist nicht, die Jugendämter von der Durchführung der Maßnahme Täter-Opfer- Ausgleich zu entbinden. Ziel ist die Sicherstellung der mediativen Sanktionsalternati- ve des Täter-Opfer-Ausgleichs in Jugendstrafverfahren, indem ein flächendeckendes Netz an Ausgleichstellen unter Beteiligung von Gerichtshilfen, freien und öffentlichen Trägern (Jugendämter) bereitgestellt wird. Eine Einbindung der Jugendämter ist für den Erfolg der Resozialisierung der Jugendlichen notwendig.