SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1269 18. Wahlperiode 19.11.2013 Kleine Anfrage der Abgeordneten Barbara Ostmeier (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Rückstände bei der Bearbeitung von Strafverfahren am Landgericht Kiel 1. In welchem Umfang besteht aktuell ein Rückstand bei der Bearbeitung von Strafverfahren bei dem Landgericht Kiel? Vorbemerkung: Der statistischen Verfahrenserfassung ist der in keiner Weise umrissene Begriff „Rückstände“ fremd. Statistisch erfasst werden kann allenfalls die Zahl der nicht erledigten Verfahren, der sogenannte Bestand, wobei die Landesregierung davon ausgeht, dass mit der Frage nach „Rückständen“ nicht sämtliche nicht abgeschlossenen Verfahren gemeint sein sollen. Wann ein nicht erledigtes Verfahren zum „Rückstand“ wird, wird sich nur mit Blick auf jedes konkrete Einzelverfahren beantworten lassen. So ziehen sich manche Verfahren aufgrund besonderer Umstände länger als gewöhnlich hin. Dies kann viele Gründe haben. Beispielsweise dauern Verfahren vor den Amtsgerichten Drucksache 18/1269 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 selten länger als sechs Monate. Wenn ein Verfahren doch länger dauert, was durchaus vorkommt, kann dies daran liegen, dass der zuständige Richter wegen vorrangiger Verfahren (z.B. Haftsachen) nicht dazu kommt, die Sache zu fördern. Es kann aber auch daran liegen, dass eine Vielzahl von Zeugen zu vernehmen ist und Sachverständigengutachten einzuholen sind. Dies zeigt, dass nur mit Blick auf die Umstände jedes einzelnen Verfahrens beantwortet werden kann, ob die Verfahrensdauer sachlich gerechtfertigt ist oder von einer unzureichenden Förderung gesprochen werden muss. Und nur im letzteren Fall wird man im weitesten Sinne von einem „Rückstand“ sprechen können. Valide Angaben zum Ausmaß etwaiger „Rückstände“ bei den Strafkammern des Landgerichts Kiel können aus diesem Grunde nicht gemacht werden. Antwort: Zum Stichtag 30. September 2013 waren nach Mitteilung der Präsidentin des Landgerichts Kiel bei den dortigen Strafkammern folgende Bestände zu verzeichnen: • 110 Verfahren bei den allgemeinen großen Strafkammern, • 36 Verfahren bei den Wirtschaftsstrafkammern, • sechs Verfahren beim Schwurgericht, • 16 erstinstanzliche Verfahren und 21 zweitinstanzliche Verfahren (Berufungssachen) bei der Jugendkammer, • 119 Verfahren (Berufungssachen) bei den kleinen Strafkammern. 2. Von wann datieren die 10 ältesten - noch nicht verhandelten - Anklagen der Staatsanwaltschaft Kiel beim Landgericht Kiel? Antwort: Bis auf eine Anklage vom 05.05.2009 handelt es sich nach Mitteilung der Präsidentin des Landgerichts Kiel bei den zehn ältesten beim Landgericht Kiel anhängigen – noch nicht verhandelten – Anklagen der Staatsanwaltschaft Kiel um Wirtschaftsstrafverfahren. Eine Anklage vom 27.01.2004 (5. große Strafkammer) und eine Anklage vom 21.09.2007 (9. große Strafkammer) betreffen denselben Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1269 3 Angeklagten. Die weiteren Anklagen datieren vom 01.06.2006, vom 14.09.2006, vom 19.01.2009, vom 15.07.2009, vom 13.08.2009, vom 14.10.2009 und vom 25.01.2010. Sie befinden sich sämtlich im Bestand der 34. großen Strafkammer, die mit dem Einsatz einer neu besetzten Vorsitzendenstelle (R2) im Strafbereich zum 01.06.2013 zur Entlastung der 6. großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer neu eingerichtet wurde und deren Bestand übernommen hat. 3. Sind in den letzten 2 Jahren (auch teilweise) Verjährungen von Straftaten, die beim Landgericht Kiel angeklagt wurden, nach Anklageerhebung eingetreten? Antwort: Über die Verjährung von Straftaten wird keine Statistik geführt. Die Frage, ob eine angeklagte Tat verjährt ist, kann nur inhaltlich beantwortet werden, und dies gehört zum Kernbereich unabhängiger richterlicher Entscheidung. Die Vorsitzenden der großen Strafkammern haben auf eine entsprechende Anfrage der Präsidentin des Landgerichts Kiel mitgeteilt, dass lediglich in einigen wenigen Fällen eine Teilverjährung eingetreten ist. 4. In wie vielen am Landgericht Kiel anhängigen Strafverfahren droht innerhalb der nächsten 6 Monate der Eintritt der Verjährung? Antwort: Nach Mitteilung der Vorsitzenden aller großen Strafkammern am Landgericht Kiel auf Anfrage der Präsidentin des Landgerichts Kiel droht innerhalb ihres jeweiligen Geschäftsbereiches innerhalb der nächsten sechs Monate in keinem Verfahren der Eintritt der Verjährung. 5. Ist das Landgericht Kiel durch Stellenverlagerungen im höheren Dienst von anderen Gerichtenverstärkt worden? Drucksache 18/1269 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Ja. Eine personelle Unterstützung des Landgerichts Kiel erfolgte durch Umwandlung einer vorhandenen R1-Stelle in eine zusätzliche R2-Stelle für einen Vorsitzenden Richter am Landgericht aus dem Bereich des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts. Diese wurde im Strafbereich angesiedelt, was die Einrichtung einer zusätzlichen Wirtschaftsstrafkammer ermöglicht hat (siehe dazu bereits Antwort zu Frage 2.). 6. In welchem Zeitraum geht die Landesregierung von dem Abbau der Bearbeitungsrückstände im Bereich der Strafverfahren am Landgericht Kiel aus? Antwort: Zum Begriff der „Bearbeitungsrückstände“ wird zunächst auf die Vorbemerkung der Antwort zu Frage 1. Bezug genommen. Nach Mitteilung der Präsidentin des Landgerichts Kiel bemüht sich das Präsidium des Gerichts trotz der insgesamt sehr angespannten Personalsituation des Landgerichts Kiel, den Strafbereich personell zu stärken. Dies erfolgte bislang insbesondere in Form der oben beschriebenen Einrichtung einer neuen Wirtschaftsstrafkammer. Zusammen mit einer beim Landgericht Kiel aus Mitteln des Programms „Betriebskostenoffensive vorsorgende Finanzpolitik“ (PROFI B) der Landesregierung gestarteten Initiative zur Steigerung der Effizienz der Arbeit in den Wirtschaftsstrafkammern wird dies mittelfristig zu einer Verbesserung der Situation in diesen Kammern führen. Mit Auswirkungen auf deren Bestand rechnet die Präsidentin des Landgerichts Kiel wegen der Komplexität der Wirtschaftsstrafverfahren allerdings erst im Jahr 2014.