SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1305 18. Wahlperiode 13-11-21 Kleine Anfrage des Abgeordneten Hartmut Hamerich (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Präqualifikation und „Eigenerklärung“ von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der öffentlichen Vergabe 1. Wie viele kleine und mittlere Unternehmen in Schleswig-Holstein haben sich zum Nachweis der Eignung, Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit in die bundesweite Liste der präqualifizierten Unternehmen des Vereins für die Präqua- lifikation von Bauunternehmen eintragen lassen? Antwort: Im Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. haben sich 531 Schleswig-Holsteinische Bauunternehmen präqualifizieren lassen. 2. Wie viele von denen haben weniger als 250 Personen beschäftigt und wie viele weniger als 50 Personen? Antwort: Diese Daten werden nicht erhoben und sind daher nicht verfügbar. 3. Wie hoch sind die jährlich anfallenden Kosten für die Fortschreibung der Zertifi- zierung und nach welchen Parametern richten sich diese? Drucksache 18/1305 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Antwort: Die Entgelte für die Präqualifizierung bestimmen sich gemäß Ziffer 12 Abs. 4 der Leitlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die Durchführung eines Präqualifikationsverfahrens vom 25. April 2005 in der Fassung vom 25. Oktober 2012 nach den Kosten, die den Präqualifizierungsstel- len bei der Präqualifikationstätigkeit an Personal- und Sachmitteln und für die Entrichtung an den Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. entstehen. Die Kostenmodelle der fünf Präqualifikationsstellen sind nicht einheit- lich ausgestaltet. Die durchschnittlichen Kosten betragen ca. 600 € pro Jahr. Die Kosten setzen sich aus Grundgebühr und variablen Kosten pro Leistungsbereich zusammen. Da insgesamt 111 Leistungsbereiche definiert sind, fallen hier auch für Unternehmen aus Schleswig-Holstein variable Kosten an. 4. Welche Vorteile bringt nach Ansicht der Landesregierung die Präqualifizierung und welche Erkenntnisse liegen vor, wie dieses Verfahren in den mittelständi- schen Unternehmen des Landes genutzt wird? Antwort: Das Instrument der Präqualifizierung stellt eine Arbeitserleichterung sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Unternehmen dar. Auf Seiten der öffentlichen Auftraggeber äußert sich diese Arbeitserleichterung in einer Beschleunigung der Angebotsprüfung, da im Bereich der Eignungsprüfung keine Einzelnachweise verlangt und geprüft werden, sondern lediglich ein bereits geprüftes Zertifikat vorgelegt wird. Aus Sicht der Unternehmen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen, stellt die Präqualifizierung eine Arbeitserleichterung bei der Angebotserstellung und darüber hinaus eine Reduzierung des Risikos eines Ausschlusses wegen formaler Fehler dar. a. Falls aus Sicht der Landesregierung eine unzureichende Nutzung der Präqua- lifizierung vorliegt, welche Gründe können hierfür angeführt werden? Antwort: Für eine „unzureichende Nutzung“ liegen keine Anhaltspunkte vor. b. Falls aus Sicht der Landesregierung eine ausreichende Nutzung der Präquali- fizierung vorliegt, wie können die Akzeptanz und die Quote weiter gesteigert werden? Antwort: Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1305 3 Akzeptanz und Quote könnten etwa dadurch noch weiter gesteigert werden, dass öffentliche Auftraggeber die geforderten Nachweise/Erklärungen besser strukturieren. Die Unternehmen, die sich an einem öffentlichen Auftrag beteili- gen, sollten auf einen Blick erkennen können, 1. welche Eignungsnachweise (nur diese sind von der Präqualifizierung um- fasst), 2. welche spezifischen, gemäß dem Tariftreue- und Vergabegesetz Schles- wig-Holstein geforderten und 3. welche sonstigen auftragsbezogenen Nachweise/Erklärungen vorzulegen sind. 5. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Frage 4 die Präquali- fizierung in Bezug zum neuen Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Schleswig-Holstein? Antwort: § 6 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Schleswig-Holstein, wonach die gemäß dem Tariftreue- und Vergabegesetz Schleswig-Holstein vorzulegenden Nachwei- se und Erklärungen – auf freiwilliger Basis – im Wege der Präqualifikation er- bracht werden können, wird grundsätzlich (auch von Seiten der Wirtschaft) begrüßt. Allerdings wird der praktische Nutzen insofern beschränkt, als die Präqualifizierung ausschließlich für eignungsbezogene, nicht jedoch auftragsbezogene Nachweise und Erklärungen möglich ist. Insofern können gemäß dem Tariftreue- und Vergabegesetz Schleswig-Holstein vorzule- gende auftragsbezogene Verpflichtungserklärungen (in Bezug auf Mindestlohn, Tariftreue und ILO-Kernarbeitsnormen) nicht Gegenstand einer Präqualifizierung sein. 6. Welche Erfahrungen haben die Behörden des Landes Schleswig-Holstein bisher mit der Präqualifizierung gemacht und wie wird die Präqualifizierung von diesen bewertet? Antwort: Die Behörden des Landes Schleswig-Holstein bewerten das Instrument der Präqualifizierung als Entlastung bei der Prüfung der Vollständigkeit von Angebo- ten, allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass trotz der Möglichkeit der Präqualifizierung regelmäßig unvollständige Ange- bote eingehen. Dies liegt mutmaßlich daran, dass der Umfang der von den Bie- tern für eine Eignungsprüfung abzugebenden Erklärungen und vorzulegenden Nachweise durch vergaberechtliche Vorgaben in der Vergangenheit immer stär- ker gestiegen sind. Dies erhöht nicht nur für Bieter die Gefahr, infolge nicht vor- gelegter Eignungsnachweise von der Vergabe ausgeschlossen zu werden, son- Drucksache 18/1305 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 dern auch für Auftraggeber die Gefahr, weniger wertbare Angebote zu erhalten. Zwar wurde dieser Gefahr durch die Pflicht (Baubereich) bzw. Befugnis (Liefer- und Dienstleistungsbereich) öffentlicher Auftraggeber zur Nachforderung fehlen- der Erklärungen und Nachweise entgegengetreten, dennoch erweist sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Angeboten als unvollständig. Darüber hinaus rela- tiviert sich der Nutzen der Präqualifikation, sobald aufgrund der ausgeschriebe- nen Bauleistung zusätzlich über die standardisiert hinterlegten Eignungsnach- weise hinaus besondere Eignungsnachweise gefordert werden müssen, die von allen - auch präqualifizierten Bietern - zusätzlich vorzulegen und von den Auf- traggebern entsprechend zu prüfen sind. 7. Welche Vorschläge plant die Landesregierung zu unterbreiten, das Präqualifizie- rungsverfahren und die Eigenerklärung zu entbürokratisieren, kostengünstiger und effizienter zu gestalten, sodass mittelständische Unternehmen und die Ver- waltung daraus Vorteile zielen können? Antwort: Die Rahmenbedingungen für die Eignungsprüfung über Präqualifizierungsverfah- ren oder Eigenerklärungen der an den Ausschreibungsverfahren öffentlicher Auf- traggeber teilnehmenden Unternehmen sind abschließend in den europäischen Vergaberichtlinien sowie den nationalen Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB) bzw. Liefer- und Dienstleistungen (VOL) festgelegt. Mögli- che Vereinfachungen sind danach von den Vorgaben des europäischen und deutschen Vergaberechts abhängig. Aus Sicht der Landesregierung sind in Anbetracht des aktuell geltenden Verga- berechts die eingeführten Präqualifizierungsverfahren, insbesondere des PQ- Vereins, praxistauglich und ausgewogen umgesetzt. 8. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass kleinen und mittleren Unter- nehmen, die nur hin und wieder an Ausschreibungen der öffentlichen Hand teil- nehmen, die Kosten für die Präqualifizierung zu hoch sind? Falls ja, welche Maßnahmen sollten von Seiten der Landesregierung ergriffen werden? Falls nein, bitte begründen. Antwort: Ja, insbesondere kleine Unternehmen in Schleswig-Holstein empfinden die Kos- ten gelegentlich als zu hoch. Aus diesem Grund wird sich die Landesregierung – auch weiterhin – dafür einsetzen, dass das Instrument der Präqualifizierung auf Freiwilligkeit beruht und nicht, wie dies etwa bei Freihändigen Vergaben und Be- schränkten Ausschreibungen im Rahmen der Vergabe öffentlicher Bauaufträge des Bundes der Fall ist, zwingend vorgeschrieben wird. Auf diese Weise steht es Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1305 5 jedem Unternehmen frei, selbst zu entscheiden, ob sich eine Präqualifizierung „lohnt“ oder ob die Übermittlung von Einzelnachweisen vorzugswürdig ist. 9. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die vergaberechtlich geforderten „Eigenerklärungen“ eine unnötige bürokratische Belastung für die mittelständi- schen Unternehmen sind und teilt sie ebenso die Kritik, dass die Verwaltung durch diese Eigenerklärung nicht entlastet wird? Falls ja/ nein, bitte begründen. Antwort: Nein, die Auffassung wird nicht geteilt. Eigenerklärungen stellen zumindest im Vergleich zu Nachweisen / Erklärungen Dritter im Gegenteil gerade ein unbüro- kratisches Mittel dar. 10. Beabsichtigt die Landesregierung, die Präqualifikation und die Eigenerklärung vor dem Hintergrund des neuen Tariftreue- und Vergabegesetzes auf eine neue rechtliche Basis zu stellen? Falls ja/ nein, bitte begründen. Antwort: Nein. Die Präqualifizierung wurde im Rahmen der Modernisierung des Vergabe- rechts in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 97 Abs. 4 a GWB) und in die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A) sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (§ 6 Abs. 4, § 7 Abs. 4 EG VOL/A) aufgenommen. Hierdurch wurde eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Präqualifizierung von Unternehmen geschaffen. Danach können alle Vergabestellen in Deutschland die Präqualifikation anstelle von Einzelnachweisen anerkennen. Auch für die Eigenerklärungen als Eignungs- nachweise bestehen bundeseinheitliche Rechtsgrundlagen, insbesondere in § 6 Abs. 3 VOB/A sowie § 6 Abs. 3 und 7 EG Abs. 1 VOL/A. Einer weiteren rechtli- chen Verankerung der Präqualifikation und auch der Eigenerklärung bzw. Einzelnachweise bedarf es somit nicht. Im Übrigen siehe Antwort auf Frage 5. 11. Plant die Landesregierung, eigene Vorschläge für Vereinfachungen zu erarbeiten und in die Vergabe- und Vertragsausschüsse (Deutscher Vergabe- und Ver- tragsausschuss für Bauleistungen – DVA – und Deutscher Vergabe- und Ver- tragsausschuss für Lieferungen und Dienstleistungen – DVAL) einzubringen? Falls ja/ nein, bitte begründen. Antwort: Zur Zeit nicht.