SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1389 18. Wahlperiode 23.01.2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung Kombinationsimpfungen und Länderhaftung 1. Ist es richtig, dass das Land für Impfschäden aufkommt, sofern die Impfung ent- sprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission der Länder ent- spricht? Wenn ja, wie viele solcher Fälle sind der Landesregierung in Schleswig- Holstein für das Jahr 2013 bekannt und in welcher Höhe wurde hier Schadener- satz gezahlt? Antwort: Nach § 20 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20.Juli 2000 sollen die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimp- fungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut aussprechen. Die Öffentliche Empfehlung von Schutzimpfungen in Schleswig-Holstein ist nach § 60 IfSG die Basis für den Anspruch auf Entschädi- gung durch die öffentliche Hand im Falle eines Impfschadens und dient damit der versorgungsrechtlichen Absicherung des Impflings, während die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) den fachlichen Maßstab abbildet. In 2013 wurden im Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein 4 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt. Rechtsgrundlage für einen „Schadenersatz“ ist § 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Danach wird für die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen eines Drucksache 18/ 1389 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Impfschadens Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt. Die Versorgung nach dem BVG umfasst u. a. Heilbehandlung, Leistungen der Kriegsopferfürsorge, Beschädigten- rente und Pflegezulage. Für Impfgeschädigte in Schleswig-Holstein wurden in 2013 für alle bisher aner- kannten Impfschäden 2.378.533,04 Euro gezahlt. Derzeit erhalten insgesamt 137 Empfängerinnen und Empfänger monatlich laufende Leistungen, diese werden z. T. seit den 1950er Jahren gezahlt. 2. Teilt die Landesregierung die medizinische These nach der Kombinationsimpfun- gen immer dann sinnvoll sind, wenn gleichzeitig mehrere Impfungen vorgenom- men werden sollen, statt mehrere einzelne Impfungen vorzunehmen? Antwort: In diesem Zusammenhang werden die Begriffe „Kombinationsimpfstoff“ oder „Mehrfachimpfstoff“ verwendet. Im Arzneimittelgesetz wird unter einem Kombina- tionsarzneimittel ein Arzneimittel verstanden, bei dem mehrere Wirkstoffe in einer Darreichungsform fix kombiniert sind. Bei Kombinationsimpfstoffen sind also meh- rere Antigene in einem Impfstoff fix kombiniert. Die „öffentliche Empfehlung“ enthält zur Anwendung von Kombinationsimpfstoffen folgende Formulierung: „Die Schutzimpfungen gelten auch bei der Verwendung von Mehrfachimpfstoffen als öffentlich empfohlen, wenn alle Einzelkomponenten öffentlich empfohlen sind.“ Mit der „öffentlichen Empfehlung“ werden Impfungen, aber keine bestimmten Impfstoffe empfohlen. Die Auswahl des Impfstoffs ist eine ärztliche Entscheidung, die auf der Basis STIKO-Empfehlungen und der Fachinformationen der Hersteller erfolgt. Die „öffentliche Empfehlung“ enthält dazu folgende Formulierung: „Die Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe sein entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft sowie der Fachinfor- mation des jeweiligen Impfstoffes durchzuführen. Dabei ist die jeweils gültige Fassung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) einschließ- lich der speziellen Hinweise zur Durchführung (www.rki.de, Infektionsschutz, Imp- fen, Impfempfehlungen) zu berücksichtigen.“ Zur Anwendung von Kombinationsimpfstoffen äußert sich die STIKO im epidemio- logischen Bulletin Nr. 34 vom 26. August 2013, Seite 332 folgendermaßen: „Kombinationsimpfstoffe sind den monovalenten Impfstoffen vorzuziehen, wenn dadurch die Anzahl der Injektionen reduziert, das Impfziel früher erreicht und dadurch die Akzeptanz von Impfungen gesteigert werden kann. Gegen bestimmte Krankheiten (Pertussis, Mumps, Röteln) sind in Deutschland aktuell keine mono- valenten Impfstoffe verfügbar, sodass hier zwangsläufig Kombinationsimpfstoffe gegeben werden müssen (z. B. Nachholen einer fehlenden Mumps- oder Röteln- Impfung mit MMR-Impfstoff).“ Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/ 1389 3 Das Robert Koch-Institut ergänzt im Rahmen der Beantwortung von FAQ zur An- wendung von Kombinationsimpfstoffen folgendermaßen: „Kombinationsimpfstoffe erlauben eine erhebliche Reduzierung der Injektionen und fördern damit die Um- setzung der Impfempfehlungen. Die zugelassenen und auf dem Markt befindli- chen Impfstoffe sind bezüglich ihrer Einzelkomponenten in den Kombina- tionsimpfstoffen intensiv auf ihre Wirksamkeit hin untersucht, so dass auch in Kombinationsimpfstoffen die einzelnen Antigene eine sichere Wirksamkeit auf- weisen.“ Die Landesregierung sieht keine Veranlassung von den Bewertungen der Fach- behörde und der Fachkommission abzuweichen. 3. Ist es richtig, dass einige Kombipräparate nicht ausdrücklich für die Grundimmu- nisierung zugelassen sind, die Länderhaftung aber nur greift, wenn a) die Indikation gegeben und b) das Präparat für die Indikation eine Zulassung hat? Wenn ja, sieht die Landesregierung hier eine Problemsituation und wie will sie diese auflösen? Antwort: Die Anwendung eines Impfstoffs setzt –ebenso wie die Verabreichung anderer Arzneimittel- eine Indikation voraus, d. h. es wird geprüft, ob die Verabreichung angezeigt ist. Die Indikation zur Impfung ist eine ärztliche Entscheidung, die in jedem Fall von der „öffentlichen Empfehlung“ abgedeckt ist (siehe unten). Auch die Zulassung eines Impfstoffs ist Voraussetzung für die Anwendung. Aussagen zur Anwendung von Impfstoffen sind in der Fachinformation der Her- steller enthalten. Es gibt Kombinationsimpfstoffe, die zur Durchführung von Auf- frischimpfungen entwickelt wurden und in der Fachinformation die Aussage „sollte nicht zur Grundimmunisierung verwendet werden“ enthalten. Z. B. Kombina- tionsimpfstoffe mit reduziertem Diphtherie- und Pertussis-Antigengehalt (Tdap, Td-IPV, Tdap-IPV) sind primär zur Auffrischimpfung vorgesehen. Die Zulassung beruht auf dem Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit für die Indikation „Auf- frischimpfung“. Von diesen Impfstoffen abzugrenzen sind Kombinationsimpfstoffe, die für die Grundimmunisierung entwickelt wurden und entsprechend zugelassen sind. Bestandteil der „öffentlichen Empfehlung“ – und damit der versorgungsrechtlichen Absicherung – ist die Durchführung von Impfungen „entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft sowie der Fachinformation des jeweiligen Impf- stoffs.“ Mit dieser Anforderung ist sichergestellt, dass die für die Zulassung erfor- derlichen Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten der einzelnen Impfstoffe vorliegen. Die „öffentliche Empfehlung“ ist so gefasst, dass jegliche ärztliche Indikation zur Impfung und damit zum Schutz vor einer der aufgelisteten Erkrankungen, mit ei- Drucksache 18/ 1389 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 ner versorgungsrechtlichen Absicherung des Impflings verbunden ist. Altersbe- grenzungen oder Einschränkungen der Erreger auf bestimmte Serotypen sind nicht enthalten. Durch die „öffentliche Empfehlung“ wird die ärztliche Entschei- dung über die Indikation unterstützt. Diese erfolgt auf der Grundlage der STIKO- Empfehlungen, kann aber von den STIKO-Empfehlungen abweichen bzw. über die STIKO-Empfehlungen hinausgehen. Die „öffentliche Empfehlung“ gewährleistet auf diese Weise eine breitestmögliche versorgungsrechtliche Absicherung des Impflings. Die Anforderung „entsprechend der Fachinformation“ stellt den Nachweis einer Wirksamkeit und/oder Sicherheit des Impfstoffs sicher. Sofern die Formulierung „sollte nicht zur Grundimmunisierung verwendet werden“ in Fachinformationen von Kombinationsimpfstoffen zur Auffrischimpfung enthalten ist, ist davon auszugehen, dass für die Anwendung der Grundimmunisierung nicht ausreichend Wirksamkeitsdaten und Sicherheitsdaten vorliegen. Die Anforderungen an die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen bedingen, dass diese grundsätzlich im Einklang mit der Zulassung und den Fachinformatio- nen der Hersteller angewendet werden. Kombinationsimpfstoffe zur Auffrischimpfung werden für Kinder ab 5-6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene eingesetzt, die über eine Grundimmunisierung ver- fügen. Das Vorgehen bei Impfungen bislang Umgeimpfter (ohne Grundimmunisie- rung) wird von der STIKO im Epidemiologisches Bulletin Nr. 34 vom 26. August 2013, Seite 328 erläutert.