SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1448 18. Wahlperiode 14-01-10 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Anfrage zum Atommüll-Zwischenlager in Verbindung mit den Neubau des Vielzweckhafens Brunsbüttel Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Dithmarscher Landeszeitung berichtete am 11.12.2013, dass Vattenfall im Zuge des Rückbaus des AKW Brunsbüttel einen veränderten Antrag zur Errichtung eines Atommüll- Zwischenlagers stellen werde. Am selben Tag fand am Elbehafen in Brunsbüttel eine gemeinsame Hauptausschusssitzung der Kreise Dithmarschen, Steinburg und der Stadt Brunsbüttel statt, auf der der Neubau des Hafens in Brunsbüttel erörtert wurde. An diesem Gespräch nahm auch Staatsekretär Dr. Nägele teil. Aus dem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Vorhaben ergeben sich folgende Fragen: Hinweis der Landesregierung zur Vorbemerkung: Dier hier hergestellte zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem Neubau des Hafens Brunsbüttel und dem Umschlag von radioaktiven Material besteht nicht. 1. Vor dem Hintergrund des geplanten Neubaus des Vielzweckhafens Brunsbüttel stellt sich die Frage, ob die Neubauplanungen auch Baumaßnahmen vorsehen, die unmittelbar dem Umschlag von Castoren oder radioaktiv belastetem Abraum dienen. a) Welche Informationen liegen der Landesregierung dazu vor? Antwort: Dazu liegen der Landesregierung bislang keine Informationen vor. b) Ist zum jetzigen Zeitpunkt vorgesehen radioaktive Substanzen (schwach- bis mittelradioaktive Abfälle sowie Castoren) im neu zu bauenden Vielzweckhafen umzuschlagen? Antwort: Der Landesregierung sind dazu keine konkreten Planungen bekannt. c) Falls ja, in welcher Größenordnung sollen radioaktive Substanzen umgeschlagen werden? Antwort: Entfällt. d) Ist der Umschlag von radioaktiven Substanzen im neu gebauten Vielzweckhafen generell ausgeschlossen? Antwort: Auf Grund der geplanten Widmung des Hafens als öffentlicher und diskriminierungsfrei zugänglicher Universalhafen können bestimmte Nutzer oder Nutzungen von vornherein nicht ausgeschlossen werden. Konkrete Einschränkungen für bestimmte Umschlagsarten können sich ggf. im Rahmen des Genehmigungsverfahrens aufgrund sachlicher Gesichtspunkte ergeben. e) Kann das Land Schleswig-Holstein den Umschlag von radioaktiven Substanzen in den Häfen des Landes rechtssicher untersagen? Antwort: Eine generelle Untersagung des Umschlages radioaktiver Substanzen in allen Häfen des Landes als Einschränkung der hafenrechtlichen Widmung ist unzulässig. Auch aufgrund grundsätzlicher hafenbehördlicher oder atomaufsichtlicher Erwägungen ist eine generelle Untersagung des Umschlages radioaktiver Substanzen unzulässig. Eine Untersagung könnte nur im konkreten Einzelfall, sofern entweder gegen Vorschriften, die den Umschlag oder Transport radioaktiver Substanzen regeln, verstoßen wird, oder aus Gründen der Gefahrenabwehr in Betracht kommen. 2. Die Kosten des Hafenneubaus werden derzeit mit rund 30 Millionen Euro veranschlagt. Davon sollen 27 Millionen vom Land und jeweils 1 Million von den Kreisen Dithmarschen und Steinburg sowie der Stadt Brunsbüttel getragen werden. Sofern die Hafenbauplanungen Anpassungen an dem Umschlag von radioaktivem Material vorsehen: Inwieweit ist eine Kostenbeteiligung durch den Bund und/oder den Betreiber des AKW geprüft worden? Antwort: Die derzeitigen Hafenplanungen sehen keine Anpassung für den Umschlag von radioaktivem Material vor. 3. Zur Lagerung der „Restbetriebsabfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ (radioaktiver Abraum) soll in Brunsbüttel ein Zwischenlager mit einer Grundfläche von bis zu 9.500 Quadratmeter entstehen. a) Ist der Landesregierung bekannt, ob ein Zwischenlager dieser Größenordnung dem erwarteten, radioaktiven Abraum von rund 6.000 Tonnen entspricht, oder ob die Grundfläche von bis zu 9.500 Quadratmeter weit darüber hinausgeht? Antwort: Die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG hat als Antragstellerin im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Stilllegung des Kernkraftwerks Brunsbüttel in dem von ihr eingereichten Bericht „Vorschlag zum voraussichtlichen Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsuntersuchung“ vom 25.10.2013 dargestellt, dass es sich bei ihren Angaben zum Platz- und Raumbedarf des angesprochenen und in die Planung einbezogenen Lagers von 9.500 m2 und 142.500 m3 um Maximalangaben handelt. Ein konkreter Genehmigungsantrag nach § 7 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) zum Umgang mit radioaktiven Stoffen in dem neu zu errichtenden Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe liegt allerdings dem MELUR als Genehmigungsbehörde gegenwärtig noch nicht vor. Erst ein solcher Antrag kann Grundlage für eine belastbare behördliche Prüfung, Bewertung und auch Beantwortung vorgenannter Fragestellung sein. b) Wäre die Einlagerung von radioaktivem Abraum aus anderen (auch ausländischen) AKW derzeit genehmigungsfähig? Antwort: Hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle wäre in rechtlicher Hinsicht zu unterscheiden zwischen Kernbrennstoffen und den sog. Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung: In Bezug auf die Zwischenlagerung von Kernbrennstoffen wäre zunächst gemäß § 23 Abs. 1 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz zuständige Genehmigungsbehörde, in Bezug auf den Umgang mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung hingegen hätte im Rahmen des unter a) genannten Verfahrens gemäß § 7 StrlSchV die oberste Landesbehörde, hier das MELUR als Reaktorsicherheitsbehörde, zu entscheiden. Die Genehmigungsfähigkeit hängt in beiden Fallkonstellationen vom im jeweiligen Einzelfall gestellten konkreten Antrag ab. c) Ist der Landesregierung bekannt, ob der Betreiber Vattenfall die Lagerung von „Restbetriebsabfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ aus anderen AKW derzeit erwägt? Antwort: Nein, der Landesregierung ist nicht bekannt, ob Vattenfall die zusätzliche Lagerung von radioaktiven Abfällen aus anderen Kernkraftwerken in Erwägung zieht. d) Falls ja, welche Überlegungen werden derzeit angestellt? Antwort: Entfällt. e) Welche Zielsetzung verfolgt die Landesregierung hinsichtlich der Lagerung von radioaktivem Abraum aus anderen Regionen für das Land Schleswig-Holstein? Antwort: Da das genehmigte Endlager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung -Schacht Konrad- noch nicht einlagerungsbereit ist, wird für den Zeitraum bis zu seiner Inbetriebnahme eine Zwischenlagerung entsprechender radioaktiver Abfälle erforderlich sein. Aus Sicht der Landesregierung sollte eine solche grundsätzlich standortbezogen erfolgen. 4. Der Betreiber des AKW Brunsbüttel hält sich die Option auf die Nutzung des Kernkraftwerksgeländes zur Reststoffbearbeitung offen. a) Ist die Reststoffbearbeitung an sämtlichen AKW-Standorten in Deutschland vorgesehen, d.h. soll diese jeweils vor Ort erfolgen? Antwort: Hierzu liegen der Landesregierung keine belastbaren Informationen vor. b) Falls nein, ist in Brunsbüttel eine Reststoffbearbeitung von Material auch aus anderen AKW vorgesehen? Antwort: Nach derzeitigem Wissen ist eine Reststoffbearbeitung von Material auch aus anderen AKW in Brunsbüttel nicht vorgesehen. c) Bedarf es für die Reststoffbearbeitung von Material aus anderen AKW einer besonderen Genehmigung und welchen Einfluss hat das Land Schleswig-Holstein auf solche Entscheidungen? Antwort: Der Umgang mit radioaktiven Stoffen bedarf nach § 7 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV der Genehmigung. Ferner bedarf es nach § 7 Abs. 1 Satz 2 StrlSchV dann einer Genehmigung, wenn von dem in der Genehmigung festgelegten Umfang wesentlich abgewichen wird. Der Tatbestand der wesentlichen Abweichung läge auch vor, soweit radioaktive Abfälle aus anderen kerntechnischen Anlagen im Kernkraftwerk Brunsbüttel bearbeitet werden sollten. Insoweit wäre eine Genehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 StrlSchV zu beantragen. Hierüber hätte dann das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume als zuständige Reaktorsicherheitsbehörde zu entscheiden. 5. Wann und wie wird die örtliche Bevölkerung durch wen über die genauen Pläne informiert? Antwort: Für den Rückbau des Kraftwerks: Erstmals wurde die örtliche Bevölkerung am 09.04.2013 im Elbeforum zu Brunsbüttel im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter Beteiligung des MELUR und der Antragstellerin Vattenfall über das Vorhaben zum „Rückbau“ des Kernkraftwerks Brunsbüttel informiert. Es folgten – wiederum im Elbeforum Brunsbüttel – am 26.09. sowie am 09.12.2013 (wiederum unter Beteiligung des MELUR) vertiefende Informationsveranstaltungen, in denen die Pläne zum Ablauf der Stilllegung und insbesondere bezüglich die Planungen zur Errichtung eines Lagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgestellt wurden. Am 30.10.2013 informierte Minister Dr. Habeck gemeinsam mit Vattenfall in einer Pressekonferenz im Landeshaus zu Kiel die Öffentlichkeit über das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, nachdem Vattenfall zum Vorhaben der Stilllegung und des Abbaus des Kernkraftwerks Brunsbüttel den vom MELUR seit langem geforderten Sicherheitsbericht sowie die Umweltverträglichkeitsstudie eingereicht hatte. Am 18.12.2013 richtete die atomrechtliche Genehmigungsbehörde im Elbeforum zu Brunsbüttel den sog. Scoping-Termin aus. Dabei handelte es sich um eine Antragskonferenz, die sich mit den Aspekten der Umweltauswirkungen des Stilllegungsantrags auseinandersetzte. Dabei wurden insbesondere auch Vertreter von örtlichen Umweltinitiativen und Umweltverbänden beteiligt. Für den Neubau des Hafens: Die Bevölkerung wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Hafen durch den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr als zuständiger Anhörungsbehörde entsprechend der gesetzlichen Vorgaben sowohl über die Baumaßnahme als auch über den geplanten Betrieb des Hafens informiert werden.