SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1454 18. Wahlperiode 2014-01-21 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Möglicherweise politisch rechts motivierte Tötungsdelikte Vorbemerkung des Fragestellers: Nach Medienberichten1 sollen sich bei einer Überprüfung ungeklärter Tötungsdelikte bundesweit bei 746 Taten Anhaltspunkte für eine vorher nicht erkannte mögliche politisch rechte Motivation ergeben haben. Das Bundeskriminalamt will die Ergebnisse der Untersuchung zum Zwecke weiterer Ermittlungen an die jeweiligen Landesbehörden übersenden. Auch im Zuge des Bekanntwerdens der NSU-Mordserie war bereits mehrfach kritisiert worden, dass bei den Ermittlungen oftmals vorschnell eine mögliche politisch rechte Motivation ausgeschlossen bzw. entsprechenden Hinweisen nicht nachgegangen worden sei. 1. Wie viele Tötungsdelikte zwischen 1990 und 2011 haben die Landesbehörden dem Bundeskriminalamt insgesamt im Zuge der oben genannten Überprüfung gemeldet? 2. Bei wie vielen zwischen 1990 und 2011 in Schleswig-Holstein begangenen, ungeklärten Tötungsdelikten bestehen Anhaltspunkte für eine mögliche politisch rechte Motivation? 1 https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/433373/mogliche-rechte-tatmotive-bei-749- totungsdelikten Drucksache 18/1454 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 3. In wie vielen dieser Fälle haben sich die entsprechenden Anhaltspunkte durch die o.a. Prüfung durch das Bundeskriminalamt und die Landesbehörden ergeben ? Antwort zu Fragen 1 – 3: In keinem der neun an das BKA übermittelten Fälle haben sich Anhaltspunkte für eine mögliche politisch rechte Motivation ergeben. 4. Wie viele Personen wurden bei diesen Delikten jeweils getötet (bereits be- kannt / neu)? Antwort: Bei den in der Antwort zu Frage 1 übermittelten neun Fällen wurde folgende Anzahl von Todesopfern erfasst: Zeit Ort Getötete Personen geklärte Fälle: 1990 Flensburg -1- 1992 Flensburg -1- 1992 Mölln -3- 1997 Gudow -1- 2000 Schleswig -1- 2007 Brinjahe -1- ungeklärte Fälle: 1995 Kiel -1- 2007 Norderstedt -0- (Versuch) 2011 Flensburg -1- 5. Wo in Schleswig-Holstein und wann wurden diese Delikte jeweils begangen (bitte so präzise wie möglich aufschlüsseln)? Antwort: Siehe Antwort zu Frage 4. 6. In welcher Form beabsichtigt die Landesregierung, nun weitere Prüfungen aufzunehmen? Welche Behörden sollen diesbezüglich mit welchen Aufgaben beauftragt werden? Antwort: Das seit November 2012 existierende Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) des Bundes und der Länder hat den Auftrag, ungeklärte Fälle der Schwer- und Gewaltkriminalität auf mögliche, bislang im Einzelfall nicht erkannte rechtsextremistische Hintergründe retrograd zu überprüfen . Die im GETZ vertretenen schleswig-holsteinischen Sicherheitsbehörden (Landeskriminalamt und Verfassungsschutz) sind an dieser Überprüfung Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1454 beteiligt. 7. Beabsichtigt die Landesregierung, auch bereits als geklärt betrachtete Delikte erneut auf Anhaltspunkte für eine mögliche politisch rechte Motivation überprüfen zu lassen? Antwort: Umfang und Differenzierungsgrad der retrograden Überprüfungen im GETZ befinden sich in der Abstimmung der zuständigen Fachgremien2, die sich hierbei eng an den Empfehlungen des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (PUA) orientieren. Die schleswigholsteinischen Sicherheitsbehörden werden die Ergebnisse der Fachgremien in vollem Umfang umsetzen. 8. Sollen über Tötungsdelikte hinaus auch andere Straftaten entsprechend über- prüft werden? Antwort: Vorbehaltlich der Vereinbarungen in den Fachgremien werden in Anlehnung an die Empfehlungen des 2. PUA grundsätzlich „Fälle schwerer Straftaten“ Gegenstand retrograder Prüfpflichten sein. 9. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Untersuchung und wel- che konkreten Konsequenzen zieht sie daraus? Antwort: Soweit es die bisher geprüften Fälle aus Schleswig-Holstein betrifft, hat die Landesregierung keinen Anlass anzunehmen, dass den schleswigholsteinischen Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden Fehleinschätzungen bei der deliktischen Zuordnung der Fälle unterlaufen sind. Als Konsequenz, insbesondere aus den Erfahrungen mit dem „NSU“, wird das Landeskriminalamt für die Zukunft ein Fachkonzept entwickeln, das eine ermittlungsbegleitende bzw. retrograde Revision bei ungeklärten schweren Straftaten vorsieht, um der Gefahr „eingefahrener Denkmuster“ durch eine kontinuierliche und kritische Evaluation einzelner Ermittlungsschritte und Auswerteergebnisse entgegen zu wirken. 2 Kommission Staatsschutz/AG Kripo, Innenministerkonferenz/Arbeitskreis II