SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/152 18. Wahlperiode 2012-09-17 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Poker als Glücksspiel 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder Poker als Geschicklichkeitsspiel im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. November 1993, XI R 48/91, qualifizieren, zumindest dann, wenn es von berufsmäßigen Pokerspielern betrieben wird? Wenn ja, teilt die Landesregierung diese Auffassung, wenn nein, warum nicht? Antwort: Nein; eine entsprechende Qualifizierung ist von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht vorgenommen worden. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 11. November 1993, XI R 48/91 ordnen die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder Einkünfte eines Pokerspielers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein, wenn das Spiel berufsmäßig betrieben wird. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es sich bei Poker zwar nicht um ein „reines“ Glücksspiel, das nicht oder nur in geringem Maße durch das besondere Geschick des jeweiligen Spielers beeinflusst werden kann, aber um ein solches Glücksspiel handelt, das zwar auch von Zufällen bestimmt ist, bei dem aber ein begrenztes und überschaubares Verlustrisiko um des Entgelts willen in Kauf genommen wird und bei dem über eine gewisse Dauer letztlich der gewinnt, der über die besseren Fertigkeiten verfügt. Diese steuerrechtliche Betrachtung lässt aber keinen Rückschluss auf die glücksspielrechtliche Einordnung zu. Drucksache 18/152 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Nach § 3 Absatz 5 Glücksspielgesetz vom 20. Oktober 2011 wird Poker als Glücksspiel eingeordnet. Damit sieht der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber im Einklang mit der ganz überwiegenden Auffassung im Glücksspielrecht Poker als Glücksspiel an (so auch EuGH, Urteil vom 08.07.2010 in den verbundenen Rechtssachen C - 447/08 und C - 448/08, Rdnr. 21; Hess. VGH, Beschluss vom 24.06.2009, 8 A 985/08; Beschluss vom 07.08.2008, 8 B 522/08; OVG NRW, Beschluss vom 13.07.2010, 13 B 676/10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2009, 1 F 203.08; OVG RheinlandPfalz , Beschluss vom 21.10.2008, 6 B 10778/08; Bay. VGH, Beschluss vom 20.11.2008). Wenn bei einem Spiel die konkrete Gewinnentscheidung sowohl durch Geschicklichkeits - als auch durch Zufallsaspekte beeinflusst wird, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der das überwiegende Element den Ausschlag gibt. Überwiegt das Zufallselement, liegt Glücksspiel vor (so z.B. Poker, wie sich auch aus der o. g. Rechtsprechung ergibt); überwiegt die Geschicklichkeit, handelt es sich im ordnungsrechtlichen Sinne nicht um ein Glücksspiel, sondern um ein Geschicklichkeitsspiel . Maßgeblich ist hier die Trefferquote eines Durchschnittsspielers, die mithin bei Geschicklichkeitsspielen oberhalb der 50-Prozent-Marke liegen muss (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2009, 13 B 775/09; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.08.2009, 11 ME 67/09). Unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure ihre Erfolgschancen steigern können (BGH, Urteil vom 28.09.2011, I ZR 93/10). 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Pokerspiel jedenfalls für geübte Spieler ein vergleichbares Geschicklichkeitsspiel wie Skat, Rommé oder Backgammon darstellt ? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 16. Wahlperiode Drucksache 18/152 3 3. Ist der Landesregierung bekannt, dass die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung in dem Rechtsstreit 12 K 1136/11 vor dem Finanzgericht Köln unter anderem vorträgt , dass die Einordnung von Poker als Glücksspiel aus ihrer Sicht nicht zutreffend sei? Zur Begründung wird ausführt: „Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass es den Typus des „berufsmäßigen “ Pokerspielers, der ausschließlich von seinen Spieleinkünften lebt, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt. Dergleichen wäre nicht möglich, wenn es beim Poker auf Glück und Zufall ankäme.“ Deshalb sei es geboten, Poker als Geschicklichkeitsspiel im Sinne des BFH-Urteils vom 11. November 1993 einzuordnen. Teilt die Landesregierung diese Auffassung? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Nein; der Landesregierung sind Einzelheiten über das beim Finanzgericht Köln anhängige Verfahren 12 K 1136/11, insbesondere das Parteivorbringen der Beteiligten, nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, seitens der Landesregierung zu einem vermeintlichen Parteivorbringen in einem erstinstanzlichen Verfahren Stellung zu nehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 1 hingewiesen. 4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Poker als Geschicklichkeitsspiel für berufsmäßige Spieler bzw. geübte Spieler lizenzfrei angeboten bzw. veranstaltet werden kann, da es sich hierbei nicht um Glücksspiel, sondern um Geschicklichkeitsspiel handelt? Antwort: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass für ungeübte Skat- bzw. Romméspieler das Spiel ein Glücksspiel und kein Geschicklichkeitsspiel ist? Wenn nein, warum wird diese Differenzierung bei einem ungeübten gegenüber einem geübten oder professionellem Pokerspieler vorgenommen? Antwort: zu Teilfrage 1: Nein; nach herrschender Meinung werden Skat und Rommé als Geschicklichkeitsspiel eingestuft (vgl. BFH, Urteil vom 11.11.1993, XI R 48/91, zu Skat vgl. auch BFH, Urteil vom 04.05.1951, II 2/51 U; Dietlein, in: Dietlein/Hecker/Ruttig Glückspielrecht, 2008, § 3 GlüStV Rdn. 4; VG Neustadt a.d.Weinstraße, Beschluss vom 09.07.2008, Drucksache 18/152 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 5 L 592/08.NW; Krehl LK § 284 Rdn. 9; Fischer § 284 Rdn. 8; Meßerschmidt, in: BeckOK, § 33 d Rdn. 5.1; Holznagel MMR 2008, 439) zu Teilfrage 2: Diese Differenzierung wird nicht vorgenommen, wie sich aus der Antwort zu Frage 1 ergibt. 6. Wäre nach Auffassung der Landesregierung ein Onlineangebot, das sich ausschließlich an geübte bzw. professionelle Pokerspieler richtet, genehmigungspflichtig? Fiele dies nach Auffassung der Landesregierung überhaupt unter die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages? 7. Wie kann nach Auffassung der Landesregierung eine Abgrenzung zwischen ungeübten „Hobbyspielern“ und geübten „professionellen Spielern“ vorgenommen werden? Reicht das Kriterium der „Gewinnerzielungsabsicht“ aus, weil doch bei jedem Spiel durch jeden Spieler die Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden muss? Antwort zu Frage 6 und 7: Die Abgrenzung zwischen ungeübten und geübten oder professionellen Pokerspielern ist nicht erforderlich, wie sich aus der Antwort zu Frage 1 ergibt. 8. Sieht die Landesregierung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kohärenz Probleme, das Pokerspiel sowohl als Geschicklichkeits-, als auch als Glücksspiel zu qualifizieren – es kann nach Auffassung des Fragestellers nur das eine oder das andere sein – und wenn ja, wie beabsichtigt sie diese Inkohärenz in der Einordnung von Pokerspiel unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung zu bewältigen? Antwort: Die Frage der Kohärenz stellt sich auf Grundlage der Antwort zu Frage 1 nicht.