SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/154 18. Wahlperiode 2012-09-28 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (DIE PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Novellierung des Tierzuchtgesetzes Vorbemerkung: Die Novelle des Tierzuchtgesetzes (TierZG) vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3294), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 85 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist, sieht eine Verlagerung der Zuständigkeit für die der hoheitlichen Aufgaben der Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung von den zuständigen Behörden zu „anerkannte Zuchtorganisationen“ vor, von der laut § 8 Abs. 3 Ziffer 1 TierZG jedoch per Rechtsverordnung abgewichen werden kann. Im Falle einer solchen Abweichung würde die Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung weiterhin von den zuständigen Behörden vorgenommen 1. Ist es richtig, dass die Landesregierung darauf verzichten wird, von ihrem Recht auf Abweichung per Rechtsverordnung gemäß § 8 Abs. 3 Ziffer 1 TierZG Gebrauch zu machen und damit tatsächliche die hoheitlichen Aufgaben der Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung an anerkannte Tierzuchtorganisationen zu übertragen? Nach dem novellierten Tierzuchtgesetz (TierZG) sind Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung mit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2013 keine hoheitli- Drucksache 18/154 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode chen Aufgaben mehr (§ 7 Abs. 1 in Verb. m. § 28 Abs. 1 TierZG). Ab dem 01.01.2014 sind Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung als eigene Aufgaben gemäß § 7 Abs. 1 TierZG von den anerkannten Zuchtorganisationen durchzuführen . Es ist richtig, dass die Landesregierung nicht von § 8 Abs. 3 Ziffer 1 TierZG Gebrauch machen wird. 2. Welche Abwägungen der Landesregierung haben zur jeweiligen Entscheidung geführt? a) Welche Personen und Organisationen wurden vor der Entscheidungsfindung ge- hört? b) Welche Argumente waren ausschlaggebend für die Entscheidungsfindung und warum? c) Welche waren die wesentlichen der Entscheidung entgegenstehenden Argumen- te und wie wurden sie entkräftigt bzw. warum wurden sie als nicht ausschlaggebend eingeordnet? Zu 2 a) bis c): Die Landesregierung hat den Sachverhalt im Zuge der Novellierung des Tierzuchtgesetzes mit der Arbeitsgemeinschaft der Tierzüchter, den Tierzuchtverbänden und der Landwirtschaftskammer erörtert. Maßgeblich für die Entscheidung, nicht von der Ermächtigung des § 8 Abs. 3 Satz 1 TierZG Gebrauch zu machen, war u.a. die Überzeugung, dass Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung von den Tierzuchtverbänden verantwortungsvoll und fachgerecht wahrgenommen werden können. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Befürchtung, private Tierzuchtorganisationen wie z.B. die „Landeskommission SH“ würden demokratischen Ansprüchen an Transparenz, Öffentlichkeit und Entscheidungsfindungsprozesse nicht genügen? Die Landeskommission für Pferdeleistungsprüfungen ist keine Tierzuchtorganisation nach TierZG, sondern ein gemeinsames Gremium des Pferdesportverbandes und der drei anerkannten Pferdezuchtverbände in Schleswig-Holstein. a) Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die ggf. künftig entscheidungstreffenden Funktionäre i.d.R. nicht demokratisch gewählt, sondern ernannt sind? Die künftig mit der Durchführung der Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung betrauten Tierzuchtorganisationen unterliegen auch weiterhin einem Anerkennungsverfahren nach TierZG durch die zuständige Behörde; vereinsrechtliche Fragen werden vom zuständigen Amtsgericht als Vereinsgericht überprüft. Die Drucksache 18/154 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Tierzuchtorganisationen wählen ihren Vorstand gemäß ihrer vereinsgerichtlich genehmigten Satzung nach demokratischen Prinzipien; die Zuchtleitungen unterliegen dem Weisungsrecht dieser Vorstände. Die Mitglieder der Landeskommission werden durch die demokratisch legitimierten Vorstände der Pferdezucht- und Pferdesportverbände vorgeschlagen und von der Landwirtschaftskammer bestellt. b) Wie schätzt die Landesregierung die tatsächliche Möglichkeit der Verschaffung persönlicher Vorteile durch Funktionärinnen und Funktionäre der Verbände ein? Im Rahmen der vereins- und tierzuchtrechtlichen Regelungen haben die Mitglieder der Tierzuchtverbände umfassende Rechte zur Gestaltung aber auch Kontrolle ihrer Organisation. Diese Rechte sind nach Auffassung der Landesregierung ausreichend. c) Wie bewertet die Landesregierung den vorliegenden Umstand der Verlagerung hoheitlicher Aufgaben auf private Verbände aus verfassungsrechtlicher Perspektive ? Es werden keine hoheitlichen Aufgaben auf private Verbände übertragen, da ab dem 01.01.2014 Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung keine hoheitlichen Aufgaben mehr sind (§ 7 Abs. 1 TierZG). Das TierZG ist im Übrigen durch den Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei erlassen bzw. geändert worden (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG). 4. Welche Einflussmöglichkeiten auf Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung würden der Landesregierung nach einem Verzicht auf eine Rechtsverordnung gem. § 8 Abs. 3 Ziffer 1 TierZG verbleiben, abgesehen von der Anerkennung der Zuchtorganisationen? Es bleibt auch weiterhin Aufgabe der Landesregierung, die Vorschriften des TierZG, die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Tierzucht zu überwachen . Diese Aufgabe umfasst auch die Überwachung der Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung. 5. Welche Einspruchsmöglichkeiten und verwaltungsrechtliche Widerspruchsrechte genießen Privatpersonen gegen Entscheidungen der Zuchtorganisationen, insbesondere der Landeskommission SH, wie gestaltet sich der Rechtsweg und welche Rolle mit welcher Einflussmöglichkeit spielen dabei staatliche Organe in strittigen Fällen? Drucksache 18/154 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Da künftig Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzung keine hoheitlichen, sondern eigene Aufgaben der privatrechtlich organisierten Tierzuchtverbände sind, ist der zivilrechtliche Rechtsweg zu beschreiten. Es obliegt den Tierzuchtverbänden , ob sie in ihren Satzungen vorgeschaltete Schiedsverfahren einrichten. Verwaltungsrechtliche Widerspruchs- und sonstige öffentlich-rechtliche Einspruchsmöglichkeiten sind daher aus den oben genannten Gründen nicht gegeben. 6. Beabsichtigt die Landesregierung, unmittelbar nach einem Verzicht auf eine Rechtsverordnung gem. § 8 Abs. 3 Ziffer 1 TierZG ggf. eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten? Welche Kompetenzen würde eine solche Stelle haben , in welchem Rahmen wäre eine Beteiligung des zuständigen Ministeriums vorgesehen? Falls dies nicht geplant ist: Aus welchen Gründen soll dies nicht eingerichtet werden? Die Landesregierung beabsichtigt nicht, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten . Das Tierzuchtgesetz sieht keine rechtliche Grundlage für die Errichtung einer Beschwerdestelle vor.