SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1622 18. Wahlperiode 2014-03-10 Kleine Anfrage des Abgeordneten Hauke Göttsch (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Seehundpopulation im Nationalpark Wattenmeer 1. Wie hat sich die Seehundpopulation im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer - seit der großen Staupe-Epidemie 1988/ 89 - entwickelt und wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Populationsdichte? Die Population der Seehunde wird seit 1975 im gesamten Wattenmeer von Dänemark bis zu den Niederlanden koordiniert erfasst und die Daten gemeinsam ausgewertet und veröffentlicht. Im Rahmen der aktuellen Diskussion um Seehunde im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer hat die Landesregierung mit Datum 07.02.2014 ein aktuelles Faktenpapier mit häufigen Fragen und Antworten zu Bestand und Management von Seehunden in Schleswig-Holstein veröffentlicht, siehe http://www.schleswig-holstein.de/MELUR/DE/Service/Presse/PI/PDF/2014/Seehundmanagement__blob=publicationFile.pdf Darin sind die angefragten Daten umfassend dargestellt. 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über eine bevorstehende neue Epidemie? Welche Möglichkeiten der Prävention sieht die Landesregierung? Die beiden Epidemien in den Jahren 1988 und 2002 wurden durch ein Seehundstaupe -Virus (Phocine distemper virus, PDV) ausgelöst. Da der letzte Ausbruch mehr als zehn Jahre zurückliegt, hat die Zahl der Tiere, die Antikörper gegenüber dem Seehundstaupe-Virus besitzen, im Zuge der natürlichen Bestandserneue- Drucksache 18/1622 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 rung abgenommen, so dass die Population für eine neue Staupeepidemie eher empfänglich ist. Konkrete Erkenntnisse über eine bevorstehende neue Epidemie liegen der Landesregierung nicht vor. Möglichkeiten, einer neuerlichen Epidemie in der Wildtierpopulation vorzubeugen, werden nicht gesehen. Die Erfahrungen nach den beiden Staupe-Epidemien zeigen, dass diese zwar zu einer temporären Dezimierung aber nicht zu einer nachhaltigen Gefährdung der Population geführt haben. 3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Seehunde das Watten- meer ökologisch „verträgt“ ohne die Art selbst zu gefährden? Erkenntnisse über eine Obergrenze des Seehundbestands im Wattenmeer liegen der Landesregierung nicht vor. Der Seehundbestand im Wattenmeer unterliegt natürlicherweise Änderungen. Auch Krankheiten sind natürliche Vorgänge. 4. Trifft es zu, dass keine andere Art - die in ihrer Population nicht gefährdet ist - in Schleswig-Holstein so unterstützt wird wie Seehund? Wenn ja, worin liegt dies begründet und mit welchem Kostenaufwand erfolgt die Unterstützung? Nein. Im Zusammenhang mit zahlreichen weiteren Arten werden in SchleswigHolstein unabhängig vom Erhaltungszustand vergleichbar aufwändige Untersuchungen durchgeführt. Dies betrifft all diejenigen Arten, für die aufgrund internationaler beziehungsweise supranationaler Vereinbarungen verbindliche rechtliche Verpflichtungen bestehen. 5. Für wie viele Tiere wurden seit 1988 Aufwandsentschädigungen an „Seehundjä- ger“ gezahlt? Für den Zeitraum 2004-2013 wurden Aufwandsentschädigungen für ca. 9.950 Robben-Einsätze an „Seehundjäger“ gezahlt. Darin sind die Betreuung und Beobachtung sowie ggf. das Verbringen von Tieren an ungestörte Standorte, die Tötung schwerstkranker Tiere, der Transport von Heulern zur Seehundstation sowie die Bergung toter Tiere enthalten. Ältere Daten sind lediglich pauschal archiviert, so dass sich die Anzahl der Tiere, für die Aufwandsentschädigungen gezahlt wurden, nicht ableiten lässt. 6. Wie hat sich die Anzahl der aufgezogenen Heuler an der Westküste seit 1988 entwickelt? Von Ende der 1980er Jahre bis 2002 wurden jährlich schwankend bis zu 30 Tiere pro Jahr in der Seehundstation aufgezogen und anschließend ausgewildert. In den Folgejahren nach der Staupe-Epidemie im Jahr 2002 nahm mit dem Anstieg des Seehundbestandes auch die Anzahl der in der Seehundstation aufgezogenen Heuler zu. Es wurde jeweils zwischen 1% und 5% der gezählten Jungtiere eines Jahrgangs aufgezogen und ausgewildert. Von den 3.682 im Jahr 2013 gezählten Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1622 3 Jungtieren wurden 157 Tiere ausgewildert (ca. 4 % der gezählten Jungtiere des Jahrgangs). Abb.: Entwicklung der aufgezogenen und nach Rehabilitation ausgewilderten Heuler im Verhältnis zu den gezählten Jungtieren eines Jahrgangs. 7. Welche Erkenntnisse liegen über ihre erfolgreiche Auswilderung vor? Wiedersichtungen auch mehrjähriger mit Flossenmarken markierter Seehunde aus der Seehundstation in Friedrichskoog belegen den Auswilderungserfolg. Eine umfassende wissenschaftliche Bewertung (z.B. gemessen an Verhalten, Wiedereingliederung in Seehundrudel, Fortpflanzungserfolg, Überlebensrate im Vergleich zur restlichen Population) liegt nicht vor und wäre methodisch und finanziell sehr aufwendig. 8. In wie weit ist die Heuleraufzucht mit dem Nationalparkgedanken vereinbar? Seehunde sind Wildtiere, und der Nationalpark ist ein Raum, in dem Natur Natur sein soll. Es besteht die Verpflichtung, der Seehundpopulation insgesamt gute Lebensbedingungen zu schaffen, nicht das einzelne Tier zu retten. Für den Erhalt des Seehundbestandes ist die Aufzucht junger Seehunde nicht erforderlich. Im Gegenteil: Damit sind auch Gefahren verbunden, weil auf diesem Weg Krankheitskeime in die Wildpopulation eingeschleppt werden können und weil in die natürliche Selektion eingegriffen wird. Neben dem Nationalparkgedanken gelten aber auch der Tierschutzgedanke und damit die Pflicht, Tieren unnötige Leiden zu ersparen. Hinsichtlich der Aufzucht von Heulern gilt es, Naturschutzziele und Tierschutzziele in Einklang zu bringen. Einheitliche Regelungen für diese Abwä- Drucksache 18/1622 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 gung zum Umgang mit Seehunden haben die zuständigen Natur-, Jagd- und Tierschutzbehörden Schleswig-Holsteins, Hamburgs und Niedersachsens bereits 1997 in der weiterhin gültigen Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben vereinbart, siehe http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=vvsh-7921.2-0001&max=true&psml=bsshoprod.psml 9. Mit welcher Begründung hält die Landesregierung an der Belassung der Seehun- de im Jagdrecht fest? Der Seehund hat eine ganzjährige Schonzeit und wird somit nicht bejagt. Die Einordnung in den Katalog der jagdbaren Arten garantiert ein wirkungsvolles Schutzregime. Die unberechtigte Verfolgung oder Inbesitznahme von Seehunden erfüllt z. B. den Tatbestand der Wilderei und wird als Straftat verfolgt. Maßnahmen des Jagdschutzes im Zusammenhang mit der Aufnahme von kranken oder geschwächten Seehunden finden im Jagdrecht eine bewährte und rechtssichere Grundlage. 10. Inwiefern gilt diese Begründung nicht für den Wolf? Der Wolf hat nach EU – Recht einen anderen Rechtsstatus. Er gehört gemäß § 7 Absatz 2 Nr. 13 und 14 Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders und streng geschützten Arten und genießt damit den höchsten in der Bundesrepublik Deutschland möglichen Schutzstatus. Die Art befindet sich nach wie vor in einem ungünstigen Erhaltungszustand und bedarf weiterhin entsprechender Schutzmaßnahmen . Für eine Einordnung in das Jagdrecht sieht die Landesregierung keine Veranlassung.