SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/167 18. Wahlperiode 19.09.2012 Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Rathje-Hoffmann (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung Altersarmut in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Fragestellerin: In den letzten Tagen wurde das Thema Altersarmut aufgrund des Vorschlages der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau von der Leyen, eine Zuschussrente einzuführen, auf allen Ebenen diskutiert. Die Kieler Nachrichten schreiben am 04.09.2012 in einem Artikel dazu, dass die Altersarmut in Schleswig-Holstein längst angekommen sei. Vorbemerkung der Landesregierung: Die Einkommenssituation der älteren Bevölkerung ist vielschichtig. Aussagen zu einem auskömmlichen Einkommen lassen sich nur unter Berücksichtigung aller Faktoren treffen. Auf den Bericht der Landesregierung „Armuts- und Reichtumsberichterstattung “ (Drucksache 17/1850) wird insoweit verwiesen. Die Formulierungen der Fragen 1 bis 3 lassen eine enge Anbindung an die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) erkennen. Zur Beantwortung der Fragen wird der verwendete Begriff „Rente“ deshalb eng ausgelegt und weitestgehend nur Datenmaterial der GRV zugrunde gelegt. 1. Wie hoch ist die durchschnittliche Rente von Frauen und Männern in Schleswig- Holstein? Wie hat sich die durchschnittliche Rente in den letzten zehn Jahren in Schleswig-Holstein verändert? Drucksache 18/167 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Antwort: Nach den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung betrug der durchschnittliche Rentenzahlbetrag in Schleswig-Holstein insgesamt am 31.12.2003 671,76 € 31.12.2004 666,10 € 31.12.2005 662,82 € 31.12.2006 660,57 € 31.12.2007 662,29 € 31.12.2008 667,91 € 31.12.2009 685,39 € 31.12.2010 685,14 € 31.12.2011 688,98 € Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag setzte sich in den Jahren 2003 bis 2011 nach Rentenarten wie folgt zusammen: Auswertung des Rentenbestandes der GRV - Stand jeweils 31. Dezember: Versichertenrenten Renten wegen Todes Jahr / Geschlecht Erwerbs- minderungsrenten Altersrenten Witwenrenten Witwerrenten 2003 (Männer) 835,57 € 1046,98 € 211,86 € (Frauen) 660,89 € 474,24 € 580,91 € 2004 (Männer) 811,59 € 1033,37 € 212,61 € (Frauen) 660,28 € 472,72 € 576,05 € 2005 (Männer) 790,79 € 1022,71 € 216,04 € (Frauen) 659,05 € 471,87 € 573,63 € 2006 (Männer) 769,28 € 1014,73 € 217,49 € (Frauen) 660,45 € 472,78 € 571,75 € 2007 (Männer) 753,50 € 1013,24 € 226,50 € (Frauen) 661,68 € 475,96 € 573,04 € 2008 (Männer) 744,40 € 1017,89 € 228,78 € (Frauen) 665,91 € 482,99 € 577,37 € 2009 (Männer) 747,87 € 1040,76 € 235,51 € (Frauen) 681,10 € 499,47 € 592,61 € 2010 (Männer) 731,91 € 1038,05 € 235,04 € (Frauen) 677,14 € 503,11 € 591,45 € 2011 (Männer) 722,35 € 1041,82 € 239,06 € (Frauen) 677,77 € 509,60 € 593,81 € Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung – Rentenbestände Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/167 3 Der Rentenzahlbetrag spiegelt die gesamte Versicherungsbiographie wider. Er wird auch von der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes der gesetzlichen Rentenversicherung (der Betrag, der einer ungeminderten monatlichen Rente aus Beiträgen eines Durchschnittverdieners für ein Jahr entspricht) beeinflusst . Der aktuelle Rentenwert veränderte sich im Zeitraum von 2003 bis 2012 wie folgt: Zeitraum aktueller Rentenwert Rentenanpassung in v. H. 01.07.2003 – 30.06.2007 26,13 € 0,00 01.07.2007 – 30.06.2008 26,27 € 0,54 01.07.2008 – 30.06.2009 26,56 € 1,10 01.07.2009 – 30.06.2010 27,20 € 2,41 01.07.2010 – 30.06.2011 27,20 € 0,00 01.07.2011 – 30.06.2012 27,47 € 0,99 01.07.2012 - 28,07 € 2,18 Quelle: Gesetze/Verordnungen zur Rentenwertbestimmung 2. Wie hoch ist jeweils der Anteil von Frauen und Männern in Schleswig-Holstein, die eine Altersrente bzw. Erwerbsminderungsrente unterhalb des Niveaus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen? Wie haben sich diese Zahlen seit 2003 verändert? Antwort: In den Statistiken der GRV werden die Rentenzahlbeträge in Korridoren mit jeweils 50 Euro-Schritten dargestellt. Aus diesen Daten können Rückschlüsse auf Leistungsansprüche der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht abgeleitet werden, da sie die Einkommenssituation nicht umfassend abbilden . Aus der Statistik über Empfänger/innen von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind Daten über Hilfebezieher/innen verfügbar, bei denen Einkommen aus Erwerbsminderungsrenten bzw. Altersrenten angerechnet wurde. Drucksache 18/167 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Schleswig-Holstein 2003-2011 nach Geschlecht und angerechnetem Einkommen aus Erwerbsminderungsrente und Altersrente und zwar mit angerechnetem Einkommen aus … Jahresende insgesamt Rente wegen Erwerbsminderung Altersrente Insgesamt 2003 17 627 1 392 6 872 2004 21 121 1 691 6 994 2005 20 613 2 239 8 862 2006 26 519 2 407 9 352 2007 27 358 2 826 10 041 2008 29 707 3 039 11 044 2009 29 999 3 289 11 099 2010 31 425 3 631 11 556 2011 33 177 4 163 12 680 Männer 2003 7 079 731 1 906 2004 9 022 913 1 969 2005 9 621 1 195 3 563 2006 11 625 1 331 2 983 2007 12 058 1 617 3 274 2008 13 184 1 722 3 722 2009 13 630 1 869 3 886 2010 14 446 2 088 4 140 2011 15 308 2 389 4 648 Frauen 2003 10 548 661 4 966 2004 12 099 778 5 025 2005 10 992 1 044 5 299 2006 14 894 1 076 6 369 2007 15 300 1 209 6 767 2008 16 523 1 317 7 322 2009 16 369 1 420 7 213 2010 16 979 1 543 7 416 2011 17 869 1 774 8 032 Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, 2012 Von einer Addition der Zahlenangaben für die beiden Rentenarten sollte abgesehen werden, da Hilfeempfänger/innen, bei denen sowohl Erwerbsminderungsrente als auch Altersrente auf die Grundsicherungsleistung angerechnet wurde, bei beiden Rentenarten gezählt werden. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/167 5 3. Wie viele Rentnerinnen und Rentner in Schleswig-Holstein haben zusätzlich zu ihren Renteneinkünften einen Minijob? Wie haben sich diese Zahlen in den vergangenen zehn Jahren verändert? Antwort: Die Statistik der Minijob-Zentrale ordnet geringfügig entlohnte Beschäftigte nach Altersgruppen. Erhebungen zu Renteneinkünften erfolgen nicht. Andere Quellen stehen nicht zur Verfügung. In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen waren bei der Minijob-Zentrale angemeldet : Gewerblicher Bereich Haushaltsscheckverfahren Stand Frauen Männer Frauen Männer 31.12.2004 10.393 7.974 479 59 30.06.2012 10.703 8.337 1.142 148 Quelle: DRV Knappschaft-Bahn-See – Minijob-Zentrale In der Altersgruppe der über 65-Jährigen waren bei der Minijob-Zentrale angemeldet : Gewerblicher Bereich Haushaltsscheckverfahren Stand Frauen Männer Frauen Männer 31.12.2004 11.156 12.571 425 78 30.06.2012 12.486 16.747 1.150 281 Quelle: DRV Knappschaft-Bahn-See – Minijob-Zentrale 4. Plant die Landesregierung außer der Einführung eines Mindestlohns noch weitere Maßnahmen, um vor Altersarmut – insbesondere bei Frauen - zu schützen? Antwort: Die gesetzliche Rentenversicherung ist im Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - und damit bundesgesetzlich geregelt . Das Land Schleswig-Holstein hat zur 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012 am 28. und 29. November 2012 in Hannover einen Antrag zur Weiterentwicklung des Alterssicherungssystems mit eingebracht. Dort heißt es: „Das Risiko, im Alter oder bei Erwerbsminderung auf Leistungen der sozialen Grundsicherung angewiesen zu sein, ist für große Teile der Bevölkerung erheblich angestiegen. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass inzwischen in weiten Teilen der Gesellschaft Übereinstimmung dahingehend besteht, dass zusätzliche Anstrengungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut erforderlich sind. Hierzu sind von den verschiedensten Seiten Reformvorschläge unterbreitet worden. Auch die Bundesregierung strebt gesetzliche Änderungen Drucksache 18/167 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 an, mit denen vermieden werden soll, dass immer mehr Menschen trotz jahrzehntelanger Beitragszahlung auf Leistungen der sozialen Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Die aus den bisherigen Diskussionen hervorgegangenen Reformvorschläge und vorgestellten Überlegungen sind für die Zukunftsfestigkeit und Nachhaltigkeit des deutschen Alterssicherungssystems unzureichend. Die Diskussionen müssen daher dringend ausgeweitet werden und in einen gesamtgesellschaftlichen Dialog einmünden, um den Menschen wieder Vertrauen, Sicherheit und Verlässlichkeit bei der Gestaltung ihrer Altersvorsorge und der Sicherung gegen Erwerbsminderung zu geben. Handlungsbedarf besteht längst nicht mehr nur bei der Vermeidung von Altersarmut . Es geht um die Gestaltung unseres Alterssicherungssystems, aber auch um die Bestimmung von für die Menschen realistisch erreichbaren Sicherungszielen in den einzelnen Säulen zur Erhaltung ihres Lebensstandards und weiteren Teilhabe an der Gesellschaft. In einem gesamtgesellschaftlichen Dialog müssen auch Themen wie die Ausweitung des zukünftig zu erfassenden Personenkreises, die Finanzierung, der Umgang mit zunehmend unsteten Erwerbsbiografien, die Bedeutung der Rehabilitation und Prävention, die Flexibilisierung des Rentenzugangs, die Absicherung bei Erwerbsminderung, die Honorierung von Kindererziehung, die Aufwertung von Pflegezeiten, die Vollendung eines einheitlichen Rentenrechts und der zukünftige Umgang mit der betrieblichen und privaten Vorsorge und der Umfang der dafür erforderlichen staatlichen Förderung behandelt werden. Zu klären ist auch das Verhältnis des vorrangigen Alterssicherungssystems zur sozialen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Mit dem Antrag fordern die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder die Bundesregierung daher auf, baldmöglichst einen breit angelegten gesamtgesellschaftlichen Dialog zur Zukunft des Alterssicherungssystems in Deutschland zu organisieren.“