SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1717 18. Wahlperiode 2014-04-04 Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Nicolaisen (CDU) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Maßnahmen und Initiativen zur Bekämpfung des Extremismus in SchleswigHolstein 1. Wie beurteilt die Landesregierung jeweils die Gefahren des Rechtsextremis- mus, des Linksextremismus sowie des islamitischen Extremismus in Schles- wig-Holstein? Antwort: Die Beurteilung der Landesregierung zu den Gefahren des Rechtsextremis- mus, des Linksextremismus sowie des islamistischen Extremismus in Schles- wig-Holstein entspricht den Darstellungen in den aktuellen Verfassungs- schutzberichten. Der Verfassungsschutzbericht 2013 wird voraussichtlich Mitte April 2014 in einer Pressekonferenz vorgestellt. Drucksache 18/1717 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Sind der Landesregierung Maßnahmen, Projekte oder Initiativen zur Bekämp- fung rechtsextremistischer, linksextremistischer oder islamitischer Strömungen bekannt, und wenn ja, welche? Antwort: Der Landesregierung werden Maßnahmen, Projekte oder Initiativen zur Be- kämpfung rechtsextremistischer Strömungen in der Regel durch den Informa- tionsaustausch im Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig- Holstein oder durch Anträge auf Förderung oder Unterstützung bekannt, die an den Rat für Kriminalitätsverhütung Schleswig-Holstein (RfK) oder an die beim RfK eingerichtete Landeskoordinierungsstelle1 gegen Rechtsextremis- mus gerichtet werden. Der Rat für Kriminalitätsverhütung Schleswig-Holstein (RfK) hat im Jahr 2013 insgesamt vierzehn Projekte gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeind- lichkeit (s. Antwort zu Frage 4) sowie zur Förderung der Integration von Mig- rantinnen und Migranten mit Mitteln des Landesrates unterstützt. Im Rahmen des bis Ende 2014 verlängerten Bundesprogramms „Toleranz Fördern – Kompetenz Stärken“ hat das von der Aktion Kinder- und Jugend- schutz Schleswig-Holstein e. V. (AKJS) und dem AWO Landesverband Schleswig-Holstein getragene Beratungsteam in 2013 insgesamt 72 Sachver- halte bearbeitet. Darüber hinaus hat das Beratungsteam zahlreiche Vor- tragsveranstaltungen z.B. bei der Frauensynode der Evangelischen Kirche, an Universität und Fachhochschulen, Berufsschulen etc. durchgeführt sowie an der Planung und Durchführung von Fachveranstaltungen mitgewirkt. 3. Bestehen besondere Projekte, Maßnahmen oder Initiativen mit einer präven- tiven Zielrichtung in Bezug auf die genannten Extremismusbereiche? Antwort: Seit Anfang Januar 2013 unterstützt das Innenministerium die Planungen des 1 Die Landeskoordinierungsstelle ist Bestandteil des Bundesprogramms „kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“, das 2011 in das Folgeprogramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ überführt wurde. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1717 3 Bürgermeisters der Stadt Ratzeburg zur Einrichtung eines regionalen Kompe- tenzzentrums gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, um dem überre- gionalen Problem des Rechtsextremismus eine wirksame zivilgesellschaftliche Struktur entgegenzustellen. Befristet vom 02.01.2013 – 30.06.2014 wurde mit Mitteln des Innenministeri- ums in Höhe von insgesamt ca. 52.800 € eine Projektkoordinatorin beim Rat für Kriminalitätsverhütung Schleswig-Holstein (RfK) mit der Aufgabe einge- stellt, den Aufbau einer Institution zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akti- vitäten gegen Rechtsextremismus in der Region Ratzeburg zu unterstützen und ein Grundkonzept für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums unter Begleitung der Projektbeteiligten (z.B. Stadt Ratzeburg, Bildungsträger, Bera- tungsnetzwerk S-H, Kirche etc.) zu erstellen sowie eine Bedarfsanalyse für lo- kale Netzwerkpartner durchzuführen. Darüber hinaus hatte der RfK die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Rahmen eines Forschungsprojektes für insgesamt ca. 25.100 € mit der Durch- führung einer Bedarfsanalyse beauftragt. Es wurde ein Lagebild über die poli- tisch motivierte Kriminalität im Hell- und Dunkelfeld sowie über die wahrge- nommene Bedrohung durch politisch motivierte Kriminalität in der Region er- stellt. Darüber hinaus wurde untersucht, welche Entwicklungsrisiken bei Kin- dern und Jugendlichen eine Anfälligkeit gegenüber politisch extremem Ge- dankengut begünstigen. Landesprogramm zur Demokratieförderung und Rechtsextremismus- bekämpfung Mit dem Landesprogramm zur Demokratieförderung und Rechtsextremismus- bekämpfung, für das die Schleswig-Holsteinische Landesregierung seit 2013 jährlich 300.000 € bereit stellt, sollen die Maßnahmen des Bundesprogramms „Toleranz Fördern – Kompetenz Stärken“ ergänzt werden. Die Maßnahmen des Landesprogramms richten sich einerseits unmittelbar an Kinder, Jugendli- che und Heranwachsende, andererseits an Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Erzieher sowie andere Personen, die professionell oder ehrenamtlich im weitesten Sinne pädagogisch tätig sind. Mit dem Ausbau einer landesweiten Beratungsstruktur gegen Rechtsextre- mismus und für Demokratieentwicklung sollen Ratsuchende in die Lage ver- Drucksache 18/1717 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 setzt werden, rechtsextreme Bedrohungen zu erkennen, einzuschätzen und Probleme eigenständig zu lösen und dadurch zivilgesellschaftliches Engage- ment vor Ort zu ermöglichen. Präventiv wirken darüber hinaus sicherlich viele der Aktivitäten der Jugend- verbände im Kontext der außerschulischen politischen Jugendbildung. Zu nennen sind hier z. B. der Landesjugendring, die DGB – Jugend, die Jugend- feuerwehr. Und auch das Jugendherbergswerk LV Nordmark wirbt in seinen Häusern für Toleranz, Demokratie und Völkerverständigung. 4. Bestehen Förderungen des Landes für Maßnahmen, Projekte oder Initiativen, die unter 2. und 3. genannt sind und wenn ja, wie und in welchem Umfang? Antwort: Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein (MSGFG) fördert die Aktion Kinder- und Jugend- schutz e.V. (AKJS) institutionell mit 150.500 € p. a. Hinzu kommt eine Projekt- förderung in Höhe von 25.000 € p. a. für die Arbeit im Beratungsnetzwerk ge- gen Rechtsextremismus (Kofinanzierung von Bundesmitteln). Auch der LJR und die Jugendverbände werden institutionell gefördert, allerdings nicht für einzelne Maßnahmen, Projekte oder Initiativen. Seit 2009 beteiligt sich das Land Schleswig-Holstein am Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremis- mus“, das 2011 in das Folgeprogramm „Toleranz fördern - Kompetenz stär- ken“ überführt wurde. Das Innenministerium fördert im Rahmen einer Kofinan- zierung von Bundesmitteln seither die Personalkosten für die Landeskoordi- nierungsstelle mit jährlich 25.000 €. Der Rat für Kriminalitätsverhütung hat im Jahr 2013 Maßnahmen, Projekte und Initiativen wie folgt gefördert: - AKJS (Schule ohne Rassismus) – 2.500,00 € - AKJS (Bausteine gegen Rechtsextremismus) – 1.200,00 € Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1717 5 - AKJS (Fachtagung Rechtsextreme Kampagnen Instrumentalisierung von Sexualstraftaten) – 1.805,45 € - Hans-Brüggemann-Gemeinschaftsschule, Bordesholm (Werkstatttage ge- gen Rassismus) – 430,00 € - Verein Miteinander Leben e. V., Mölln (Mobiles Demokratietheater) – 3.000,00 € - Isarnwohld-Schule Gettorf (Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage) – 1.112,80 € - Runder Tisch für Toleranz und Demokratie NMS (“Rock gegen Rechts“) – 1.000,00 € - Ratzeburger Bündnis (Ausstellungsmaterialien „Elternberatung“) – 920,00 € - Gemeinschaftsschule Kellinghusen (Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage) – 2.000,00 € - VHS Rendsburger Ring e . V. (Interkulturelle Woche 2013) – 3.150,00 € - VHS Kaltenkirchen / Diakonie Altholstein (Fest der Nationen) – 600,00 € - Stadt Schenefeld (Mitternachtsbasketballturnier) – 770,83 € - KPR Henstedt-Ulzburg (Midnight-Basketball-Turnier) – 946,00 € - AWO Schleswig-Holstein gGmbH (Deutschkurs für Flüchtlinge) – 400,00 € 5. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung im Übrigen selbst, um Strömungen in den genannten Extremismusbereichen entgegen zu treten? Antwort: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Darüber hinaus nutzt die Polizei alle Möglichkeiten des Strafrechts, des Straf- verfahrensrechts und des Landesverwaltungsgesetzes, um Straftaten im Ex- tremismusbereich konsequent zu verfolgen und zu verhindern. Für den Bereich des Justizvollzuges ist auf Folgendes hinzuweisen. Islamismus: Die Bediensteten des Justizvollzuges werden im Rahmen von Veranstaltun- gen in Zusammenarbeit mit dem LKA und dem Verfassungsschutz für diesen Phänomenbereich sensibilsiert. Hier werden ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, islamistisch-terroristische Zusammenhänge zu erkennen. Neben Informatio- Drucksache 18/1717 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 nen zu Hintergründen werden auch für die Praxis wichtige Kenntnisse, zum Beispiel zu Symbolen von jihadistischen Organisationen, vermittelt. Bei Unklarheiten hinsichtlich der Einschätzung beispielsweise arabischer Lite- ratur, die von Gefangenen nachgefragt wird, kann auf die Hilfe eines im In- nenministerium tätigen Islamwissenschaftlers zurückgegriffen werden. Bezogen auf die innere Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten wird in erster Linie auf die Kommunikation zwischen Vollzugsbeamten und Gefangenen ge- setzt. Die Bediensteten haben die Möglichkeit, außerhalb ihrer Dienstzeit ihre Fremdsprachenkompetenz zu erweitern. Die Teilnahme an diesem Sprachun- terricht ist für die Vollzugsbeamten kostenfrei. Es werden Kurse u.a. in den Sprachen Türkisch, Russisch und Arabisch angeboten. Rechtsextremismus: In Schleswig-Holstein tauschen sich seit 2001 Vertreter der Anstalten und des Innenministeriums im Rahmen einer Arbeitsgruppe regelmäßig zu Themen über rechtsextreme Gefangene im Justizvollzug aus. Neben einer Intensivie- rung der Zusammenarbeit erfolgen insbesondere ein Erfahrungsaustausch un- ter den Anstalten und eine Erörterung bundesweiter Entwicklungen. Des Weiteren werden alle 1-2 Jahre Fortbildungsveranstaltungen insbesonde- re für die Bediensteten des Vollzuges zur Information und Sensibilisierung durchgeführt. Dadurch sollen die Bediensteten in die Lage versetzt werden, rechtsextreme Erscheinungsformen, Verhaltensweisen, Symbole, Kennzei- chen, Zeitschriften, Musik und Bücher in den Justizvollzugsanstalten zu er- kennen. Neben dem Informationsaustausch aller Beteiligten und der Sensibilisierung der Mitarbeiter durch Fortbildungsveranstaltungen sind auch vollzugliche Maßnahmen notwendig, um möglichen Vernetzungstendenzen unter den Ge- fangenen entgegenwirken zu können: Gefangene mit rechtsextremistischen Einstellungen werden von Beginn der Haftzeit an intensiv beobachtet und ein- dringlich auf negative vollzugliche Konsequenzen hingewiesen, wenn sie ver- suchen sollten, andere Gefangene ideologisch zu beeinflussen. Die Gefange- nen werden nicht auf Arbeitsplätze eingesetzt, auf denen sie eine große Be- wegungsfreiheit besitzen würden. Es erfolgen darüber hinaus Verlegungen in- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1717 7 nerhalb der Anstalt, um Kontakte zwischen rechtsextremistischen Gefangenen zu unterbinden. Zudem werden verstärkt Haftraumkontrollen durchgeführt, auf dem Index stehende Zeitschriften, pp. nicht ausgehändigt und im Einzelfall Briefkontrollen durchgeführt. Im Rahmen des Schulunterrichts wird insbesondere im Geschichtsunterricht die Möglichkeit genutzt, über das Dritte Reich aufzuklären. Eigene Ge- sprächskreise für Gefangene mit rechtsradikalem Gedankengut haben sich nicht bewährt. Durch die Gruppenbildung wird die Gesinnung der Teilnehmer eher gefestigt. Ein Einstellungswandel kann eher durch Einzelgespräche er- reicht werden. Einstellungsänderungen sind auch dann zu beobachten, wenn rechtsradikale Gefangene mit ausländischen Gefangenen zusammen zur Ar- beit eingesetzt werden. Die an sich zu erwartenden Anfeindungen seitens der deutschen Gefangenen bleiben in aller Regel aus. Im täglichen Miteinander werden Vorurteile abgebaut und Einstellungsüberprüfungen angeregt. Gegen Gefangene, die die Anstaltssicherheit und -ordnung durch rechtsradikale Akti- vitäten stören, werden Disziplinarverfahren eingeleitet.