SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1770 18. Wahlperiode 2014-04-16 Kleine Anfrage Angelika Beer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Kontrollaufsicht über den Schlachthof in Bad Bramstedt Vorbemerkung: Angesichts der Unregelmäßigkeiten auf dem von VION betriebenen Schlachthof in Bad Bramstedt stellen sich Fragen hinsichtlich der Aufsichtsfunktion, Aufsichtspflicht und Aufsichtsausübung der Geschäftsführung sowie des Aufsichtsrates des Unternehmens und dessen Töchter, des zuständigen Kreisveterinäramtes sowie des zuständigen Ministeriums. 1. a) Wie setzt sich der Vorstand der VION Food Hamburg, Betreiber des Schlachthofes Bad Bramstedt, zusammen? Die VION Holding N.V. ist nicht börsennotiert, von daher entfallen die Kontrollgremien Vorstand und Aufsichtsrat. VION Food Germany als Untergliederung hat zahlreiche Standorte in Deutschland, welche weitgehend eigenständige GmbHs sind. Betreiber des Schlachthofes in Bad Bramstedt ist nicht die VION Food Hamburg GmbH, sondern die VION Bad Bramstedt GmbH. Aktuell hat die VION Bad Bramstedt GmbH drei Geschäftsführer. b) Wie setzt sich der Aufsichtsrat der VION Food Hamburg, Betreiber des Schlachthof Bad Bramstedt, zusammen? S. Antwort zu Frage 1 a). 2. a) Ist der Landesregierung bekannt, ob dem Aufsichtsrat der VION-Holding N.V. oder dem Aufsichtsrat der VION Food Hamburg die Missstände in der Verarbeitung des Schlachthofes in Bad Bramstedt bereits vor Kenntnisnahme durch das MELUR am 31.01.2014 bekannt gewesen sind? Nein, es ist der Landesregierung nicht bekannt, ob die Geschäftsleitungen der VION Holding oder der VION Bad Bramstedt GmbH über die Missstände informiert waren. b) Falls ja, welche Konsequenzen haben die Vorstände und/oder Aufsichtsräte aus ihren Erkenntnissen vor dem 31.01.2014 gezogen? S. Antwort zu Frage 2 a). c) Welche ggf. nicht gezogenen Konsequenzen hätten der Vorstand und/oder die Aufsichtsräte ziehen müssen? Es obliegt dem Lebensmittelunternehmer, jederzeit einen rechtmäßigen Betrieb entsprechend den gesetzlichen Anforderungen sicherzustellen. Dafür sind alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. 3. a) Kommt den im Aufsichtsrat sitzenden Vertretern der Landwirtschaftsverbände hinsichtlich des ordnungsgemäßen Umgangs mit Tieren auf dem Schlachthof eine besondere Verantwortung zu? S. Antwort zu Frage 1 a). b) Falls ja, sind die Vertreter der Landwirtschaftsverbände ihrer besonderen Verantwortung nachgekommen? S. Antwort zu Frage 1 a). 4. a) Sind der Landesregierung die Anteilseigner der VION Food Hamburg sowie gesondert des Schlachthofes in Bad Bramstedt bekannt? Ja. b) Falls ja, wie teilen sich die Beteiligungen im einzelnen auf? Alleiniger Anteilseigner der VION Bad Bramstedt GmbH ist die VION Fresh Meat North GmbH. Alleiniger Anteilseigner der VION Fresh Meat North GmbH ist die VION Food Hamburg GmbH. Anteilseigner der VION Food Hamburg GmbH sind folgende Gesellschaften: VION N.V. 52,94% Chemson B.V. 16,70% Thermochem Beheer B.V 16,70% Sobel Best N.V. 8,55% Peelse Barrier Holding B.V. & Co. KG 5,11% 5. a) Sind die von der VION-Holding N.V., der VION Food Hamburg oder deren Tochtergesellschaften unterhaltenen Betriebe bereits zuvor (innerhalb der letzten zehn Jahre) durch Verstöße gegen geltende Hygienevorschriften, Verstöße gegen geltende Vorgaben zur Lebensmittelsicherheit, Verstöße gegen geltende Vorgaben zum Tierschutz, das Inverkehrbringen unerlaubter Futtermittel oder durch unzulässige Arbeitsbedingungen aufgefallen? Die Überwachungsergebnisse der VION-Betriebe außerhalb Schleswig-Holsteins sind der Landesregierung nicht bekannt. b) Falls ja, wann wurde wo in welchem Umfang wogegen verstoßen? S. Antwort zu Frage 5 a). c) Welche Maßnahmen haben staatliche Stellen wie Ämter, Ministerien oder Gerichte daraufhin angeordnet? S. Antwort zu Frage 5 a). d) Welche Maßnahmen haben VION bzw. deren Tochtergesellschaften zur Beseitigung der Missstände unternommen? S. Antwort zu Frage 5 a). e) Sind diese Maßnahmen von den dafür zuständigen, amtlichen Stellen regelmäßig überprüft worden und falls ja, mit welchem Ergebnis? S. Antwort zu Frage 5 a). f) Falls nein, warum nicht? S. Antwort zu Frage 5 a). 6. a) Wie häufig hat das für den Schlachthof in Bad Bramstedt zuständige Kreisveterinäramt Kontrollen auf dem erwähnten Schlachthof vorgenommen? Es wurden schlachttäglich Kontrollen durchgeführt. Im Falle einer Schlachtung am Freitag erfolgten Kontrolltätigkeiten auch am darauf folgenden Samstag. b) Welche Ergebnisse haben die innerhalb der letzten vier Jahre vorgenommen Kontrollen erbracht? Die Kontrollen ergaben unterschiedliche Ergebnisse. Es wurden zum Teil hygienische, bauliche und tierschutzrelevante Mängel festgestellt. Es fanden aber auch Kontrollen statt, die ohne Beanstandungen verliefen. c) Welche Schlussfolgerungen hat das zuständige Veterinäramt aus den Ergebnissen dieser Kontrollen gezogen? Die Abstellung vorgefundener Mängel wurde mündlich oder schriftlich verfügt. Darüber hinaus wurden vier Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. 7. a) Hat die Landesregierung ungefähre Erkenntnisse darüber, wie lange die im Schlachthof in Bad Bramstedt vorgefunden Mängel bereits bestehen? b) Sofern davon ausgegangen werden kann, dass die vorgefundenen Mängel bereits länger als sechs Monate bestehen: Wie erklärt sich die Landesregierung dem Umstand, dass die vorgefundenen Mängel so lange unbemerkt geblieben sind? Die Fachaufsicht des MELUR hat im Januar 2013 im Rahmen einer fachaufsichtlichen Überprüfung für den Export von Fleisch in die Russische Föderation/Zollunion die Firma Vion in Bad Bramstedt aufgesucht. Bei dieser fleischhygienischen Überprüfung wurden ähnliche Mängel wie bei der Überprüfung im Februar 2014 festgestellt. Im Februar 2013 teilte der Kreis die Abstellung der Mängel mit. 8. a) Wie übt das MELUR bzw. das zuständige Ministerium seine Fachaufsicht über die Kreisveterinärämter aus? Das MELUR übt seine Fachaufsicht über die Veterinärämter der Kreise und kreisfreien Städte durch Dienstbesprechungen, Erlasse, Aktenvorlage, Weisungen, Berichtsanforderungen, Fachgespräche, Kontrollbegleitungen, Überprüfungen und Sitzungen von Arbeitsgruppen aus. b) Welchen Berichtspflichten unterliegen die Kreisveterinärämter? Die Veterinärämter der Kreise und kreisfreien Städte unterliegen im Rahmen fleischhygienerechtlicher Vorschriften keinen regelmäßigen Berichtspflichten. Berichte werden in der Regel anlassbezogen angefordert und vorgelegt. Im Bereich Tiergesundheit besteht ein umfangreiches Berichtswesen zu den Ergebnissen von durchgeführten Untersuchungen und zum Sanierungsstand oder der Bestätigung des Freiheitsstatus bei bestimmten Krankheiten. Die Berichte über durchgeführte Tiertransportkontrollen werden dem MELUR übermittelt. Es erfolgen jährliche Meldungen des Probenbedarfs, der Betriebskontrollstatistik sowie der durchgeführten Maßnahmen (Verfügungen, Ordnungswidrigkeitsverfahren, Abgabe an Staatsanwaltschaften). c) Nimmt das MELUR Stichprobenkontrollen bei den beaufsichtigenden Kreisveterinärämtern vor? Ja. d) Falls ja, wie und in welchem Umfang? Stichprobenkontrollen werden überwiegend anlassbezogen durchgeführt, ansonsten erfolgen diese Stichprobenkontrollen möglichst jährlich. Die fachaufsichtliche Prüfung der Akten und Vorgänge bei Terminen in den Kreisveterinärämtern erfolgt durch: - Überwachung der Umsetzung der tierseuchenrechtlichen Vorgaben durch die Tierhalter, - Überprüfung im Rahmen des Berichtswesens, ob Probenahmeanforderungen durch die Kreise erfüllt bzw. Untersuchungspflichten der Tierhalter ausreichend überwacht werden, - erzielte Sanierungsstände bei melde- oder anzeigepflichtige Krankheiten, - Teilnahme an lebensmittelrechtlichen Betriebskontrollen. Der Umfang ergab sich in jüngerer Vergangenheit in der Regel anlassbezogen durch o Rechtsetzungen (z. B. Kontaminanten in Räucherfisch), o durch externe Audits (Food and Veterinary Office der EU, Russische Föderation/Zollunion Exporte), o sowie bei betriebsbezogener Häufung von Vorgängen (z. B. bei Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln). - Systematisch wurden 2010 alle Kreisveterinärämter im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Probenahme besucht. Insgesamt ergibt sich seit 2010 ein Umfang von ca. 30 Terminen. Überwachung der Umsetzung der tierschutzrechtlichen Vorgaben durch die Tierhalter im Rahmen von Cross Compliance. - Überprüfung der Umsetzung des Tierschutzrechtes in den Betrieben bei Begleitung von tierschutzrechtlichen Kontrollen der Kreise. e) Falls nein, warum nicht? Entfällt. f) Welche konkreten Fachaufsichtsmaßnahmen haben das MELUR bzw. das zuständige Ministerium seit 2010 beim für den Schlachthof in Bad Bramstedt zuständigen Kreisveterinäramt vorgenommen? Folgende fachaufsichtliche Überprüfungen wurden durchgeführt: - Ein Termin im Jahr 2010 im Zusammenhang mit der Ermittlung des risikoorientierten Probenbedarfs nach Lebensmittelrecht. - Ein Termin in 2011 im Zusammenhang mit der Überwachung der „ohne-Gentechnik- Kennzeichnung“ von Lebensmitteln. - Im Jahr 2011 wurde eine Fachaufsicht bei der Überprüfung von Tiertransporten vor dem Schlachthof Bad Bramstedt durchgeführt. - Zwei Termine in 2013 im Zusammenhang mit den Exportaktivitäten eines Kühlhauses und eines Milcherzeugnisbetriebes in die RF/ZU. - Überprüfung der Erfüllung der Probenahmeanforderungen und des erzielten Sanierungsstands bei bestimmten anzeigepflichtigen Tierseuchen im Kreis Segeberg. - Januar 2013: Fachaufsichtliche Überprüfung hinsichtlich der Einhaltung der veterinärrechtlichen Anforderungen der Russischen Föderation / Zollunion. 9. a) Welche Veränderungen hat die Landesregierung bei der Lebens- und Futtermittelüberwachung vorgenommen, seitdem der Antrag „Lebens- und Futtermittelkontrollen wirksam gestalten!“ (Drucksache 18/622) durch den Landtag am 31.05.2013 mehrheitlich angenommen und verabschiedet worden ist? Die Fachaufsicht im MELUR wurde um vier Personen verstärkt. Zwei zusätzliche Futtermittelkontrolleure haben ihre Ausbildung abgeschlossen und werden vom für die Futtermittelüberwachung zuständigen Landeslabor eingesetzt. Sechs Lebensmittel- kontrolleure und Lebensmittelkontrolleurinnen haben ihre Prüfung abgelegt und verstärken damit die Lebensmittelüberwachung auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte. Landesweit sind damit 62 Lebensmittelkontrolleure und Lebensmittelkontrolleurinnen tätig. Im MELUR wird an der Konzeption für ein interdisziplinäres Kontrollteam gearbeitet, das sowohl die Kreise und kreisfreien Städte als auch die Landesebene bei besonderen Lagen unterstützen soll. b) Wie beurteilt die Landesregierung die von ihr vorgenommen Veränderungen bei der Lebens- und Futtermittelüberwachung in Bezug auf die Vorfälle im Schlachthof in Bad Bramstedt? Die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung ist ein komplexes Themenfeld mit ständig neuen und sich verändernden Herausforderungen. Deshalb müssen auch fortlaufend Veränderungen in der Überwachungspraxis vorgenommen werden. Auch die Erfahrungen mit dem Vorgang in Bad Bramstedt müssen ausgewertet werden. Der Prozess ist bisher noch nicht abgeschlossen. Als Folge der Vorfälle im Schlachthof Bad Bramstedt wird der Kreis seine Überwachung neu aufstellen und verstärken. Zu den Maßnahmen gehören insbesondere, dass die für die Überwachung zuständige Veterinärbehörde eine weitere Überwachungsebene geschaffen hat. Ein Fachtierarzt für Fleischhygiene wird als Compliance-Beauftragter die Arbeit des vor Ort tätigen Fleischhygieneamtes kontrollieren. Er untersteht direkt der Landrätin und der Fachbereichsleitung Gesundheit für Mensch und Tier. Der Beauftragte wird unter anderem die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen überwachen und das Qualitätsmanagement des Fleischhygieneamts und die Prozessabläufe verbessern. Die Fachaufsicht wird den Kreis Segeberg zu einer verstärkten Kontrolltätigkeit bei VION anweisen und sich vom Kreis engmaschig berichten lassen. So muss vor Ort die Beseitigung erkannter Mängel schnell und nachhaltig durchgesetzt werden. Zudem wird die Fachaufsicht selbst unangekündigte Kontrollen durchführen.