SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1772 18. Wahlperiode 2014-04-16 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Polizeiliche Unterstützung ausländischer Staaten I. Auslandsverwendung von Polizeibeamt/innen 1. In welchen ausländischen Staaten waren Polizeibeamte aus SchleswigHolstein in den letzten 10 Jahren eingesetzt, etwa im Rahmen "internationaler Polizeimissionen", im Rahmen "internationaler Aufbauhilfe" oder bei ausländischen Großveranstaltungen (bitte aufgliedern nach Jahr, Anzahl der Beamte, Staat des Einsatzes, Funktion der Beamte, Einsatzzweck)? Die Tätigkeit im Rahmen einzelner Ermittlungsverfahren oder zum Besuch von Veranstaltungen ist nicht Gegenstand der Frage. Antwort: Seit dem Jahr 1994 haben aktuell 146 Polizeivollzugsbeamtinnen / Polizeivollzugsbeamte aus Schleswig-Holstein an friedenserhaltenden, internationalen Polizeimissionen und dem bilateralen Polizeiprojekt „German Police Project Team (GPPT)“ in Afghanistan mit insgesamt 1305 Einsatzmonaten teilgenommen . Die Landespolizei erfasst statistisch weder das im jeweiligen Kalenderjahr entsandte Personal noch die in der Einsatzzeit wahrgenommenen Funktionen, die durch den jeweiligen Mandatsgeber verliehen werden. Die Einsätze wurden in Albanien, Bosnien und Herzegowina, im Kosovo, in Palästina , Georgien, Afghanistan und Liberia wahrgenommen. Der Einsatzzweck wird durch das jeweilige Mandat der Europäischen Union (EU) bzw. der Vereinten Nationen (VN) definiert, das sich auf das allgemeine Völkerrecht, den EU-Vertrag bzw. die Charta der VN stützt. Neben exekutiven, Drucksache 18/1772 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode überwachenden, beobachtenden und beratenden Aufgaben werden auch Aufgaben der Ausbildung des nationalen Personals übernommen. Seit Anfang der 90-iger Jahre besteht eine Kooperation zwischen den Polizeien der baltischen Länder und der Landespolizei Schleswig-Holstein, deren Fortführung und Ausbau in Gemeinsamen Absichtserklärungen über die polizeiliche Zusammenarbeit im Jahre 2007 zwischen dem damaligen Innenminister Dr. Ralf Stegner und den jeweiligen damaligen Innenministern der Republiken Estland, Lettland und Litauen aktualisiert und vereinheitlicht wurden. Die Zusammenarbeit umfasst die Möglichkeit von Hospitationen, die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen und eine engere Zusammenarbeit. 2007/2008 wurden Erfahrungsaustausche zu den Themen „Amoklagen“ und „Einsatztraining“ in Estland und Hospitationen estnischer Polizeikräfte bei der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei (PD AFB) in Eutin durchgeführt. Insgesamt waren in den Jahren 2006, 2007 und 2012 18 Einsatztrainer der PD AFB Eutin zur Fortbildung estnischer Einsatztrainer in Estland/Tallin. 2. Welche Informationen liegen der Landesregierung bezüglich sicherheitsrele- vanter Vorfälle vor, in die Polizistinnen und Polizisten des Landes in den letzten 10 Jahren involviert bzw. denen sie ausgesetzt waren? Antwort: Der Landesregierung sind keine Vorfälle bekannt, bei denen schleswigholsteinische Polizeikräfte aufgrund sicherheitsrelevanter Aspekte abgezogen oder evakuiert noch verletzt oder getötet wurden. 3. Sind Disziplinar- oder Strafverfahren wegen Handlungen von Polizeibeamten im Ausland eingeleitet worden und, wenn ja, wegen welcher Vorwürfe und mit welchem Ergebnis? Antwort: Nein. 4. Welche finanziellen Mittel wendet das Land für im Ausland eingesetzte Polizeibeamte insgesamt pro Jahr auf (schätzungsweise)? Es wird um eine (ungefähre ) Bezifferung auch der Personalkosten gebeten. Antwort: Für das Land Schleswig-Holstein fallen für die internationalen Polizeimissionen grundsätzlich nur die ohnehin entstehenden Personalkosten der eingesetzten Beamtinnen und Beamten an. Über einen Jahreszeitraum sind durchschnittlich drei bis vier Beamtinnen und Beamte durchgängig in einer solchen Verwendung. Die Personalkosten belaufen sich auf ca. 150 T€ bis 200 T€ pro Haushaltsjahr. Dem Land Schleswig-Holstein entstehen als Entsender im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen über die Personalgrundkosten hinaus Kosten für Vorbereitungsmaßnahmen, z. B. medizinische Untersuchungen, Impfungen und Fahrtkosten für die Dienstpassausstellung beim Auswärtigen Amt in Berlin sowie für die Ausstattung von Kriminalbeamtinnen / Kriminalbeamten mit Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1772 Dienstkleidung. Mit den Kosten hierfür werden die vorhandenen Kosten- und Gebührentitel der Landespolizei belastet. Eine differenzierte Kostenaufstellung dazu besteht deshalb nicht. 5. Wie lauten die einschlägigen Verwaltungsvorschriften (z.B. „Leitlinien für den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und -beamter im Rahmen internationaler Friedensmissionen“) im Wortlaut? (bitte beifügen) Antwort: Leitlinien für den Einsatz deutscher Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten im Rahmen internationaler Friedensmissionen (siehe Anlage). 6. Welche polizeilichen Auslandsverwendungen sind in Zukunft geplant oder werden erwogen? Antwort: Das obliegt politischen Entscheidungen auf Bundesebene. II. Ausbildung ausländischer Sicherheitskräfte 7. Wurden in den letzten 10 Jahren Angehörige ausländischer Sicherheitsbehörden mit Unterstützung von Einrichtungen oder Beamten des Landes Schleswig -Holstein aus- oder fortgebildet (bitte aufgliedern nach Jahr, Anzahl, Staat und Zweck)? Antwort: Eine derartige Ausbildung hat mit dienstlichem Auftrag oder Mandat nicht stattgefunden. 8. Welche solcher Aus- oder Fortbildungen sind noch geplant oder werden erwogen ? Antwort: Keine. III. Ausrüstung ausländischer Sicherheitskräfte 9. An Sicherheitskräfte welcher ausländischer Staaten ist in den letzten 10 Jahren von Seiten des Landes Ausstattungshilfe geleistet oder sonst Ausstattung übergeben, überlassen, finanziert oder subventioniert worden? Um welche Ausstattung handelte es sich genau? Antwort: 1) 2011 wurden Ausbildungsanzüge (732 Jacken und 634 Hosen) in der Farbe oliv, die in Schleswig-Holstein entbehrlich waren, für die Ausbildung afghanischer Polizeianwärter zur Verfügung gestellt. 2) 2012 wurden über die Abteilung 3 des Landespolizeiamtes (LPA) dem German Police Training Center 80 Gummischlagstöcke, Modell Deutsche Polizei , zu Ausbildungszwecken zur Verfügung gestellt. Diese Stöcke waren im Bestand entbehrlich, da die Polizei Schleswig-Holstein mit Einsatzstock Kurz Ausziehbar (EKA) ausgestattet wurde. Drucksache 18/1772 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 10. Welche Ausstattungshilfe ist noch geplant oder wird erwogen? Antwort: Keine. IV. Grenzen polizeilicher Unterstützung ausländischer Staaten 11. Bei welchen ausländischen Staaten samt ihrer Sicherheitskräfte verbietet sich nach Auffassung der Landesregierung eine Unterstützung oder Zusammenarbeit generell? a) Schließt die Landesregierung eine Unterstützung von oder Zusammenar- beit mit Diktaturen und autoritären Regimes aus? b) Schließt die Landesregierung eine Unterstützung von oder Zusammenar- beit mit Staaten aus, in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden ? c) Schließt die Landesregierung eine Unterstützung von oder Zusammenarbeit mit Staaten aus, in denen eine politische Verfolgung Oppositioneller stattfindet? d) Schließt die Landesregierung eine Unterstützung von oder Zusammenarbeit mit Staaten aus, in denen systematisch gefoltert wird? e) Mit welchen Staaten konkret schließt die Landesregierung eine Zusammenarbeit aus? Wie verhält es sich beispielsweise mit Weißrussland, Usbekistan , Saudi Arabien, China? Antwort: Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist gemäß Artikel 32 Grundgesetz eine Bundesangelegenheit. Damit fällt auch die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an friedenserhaltenden, internationalen Polizeimissionen in die Zuständigkeit des Bundes. a) Ja. b) Ja. c) Ja. d) Ja. e) Siehe einleitenden Hinweis zu dieser Antwort. 12. Schließt die Landesregierung die Entsendung von Polizeiangehörigen in Staaten aus, in denen bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden oder drohen (internationale Krisen- und Konfliktsituationen wie Krieg oder Bürgerkrieg )? Antwort: Mandate der EU bzw. VN berücksichtigen diese Aspekte ebenso wie das Erfordernis der größtmöglichen Sicherheit für das eingesetzte Personal. 13. Wie steht die Landesregierung zu einer Beteiligung an internationalen Polizeieinsätzen unter Verwendung militärischer Mittel (paramilitärische Einheiten, "robustes Mandat")? Antwort: In keinem Fall obliegt es internationalen zivilen Polizeikontingenten, Einsätze bewaffneter Streitkräfte zu ersetzen oder militärische Operationen zu unter- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1772 stützen. Rechtlich orientieren sich die Mandate von EU und VN an dem allgemeinen Völkerrecht, der Charta der Vereinten Nationen und dem Vertrag über die Europäische Union. Sie schließen eine solche Beteiligung für zivilpolizeiliche friedenserhaltende, internationale Polizeimissionen aus. 14. Wie steht die Landesregierung zu Forderungen einer verstärkten parlamenta- rischen Kontrolle polizeilicher Auslandseinsätze, beispielsweise a) durch Einführung einer gesetzlichen Regelung internationaler Polizeitätig- keit ("Entsendegesetz") b) durch Einführung eines Parlamentsvorbehalts und/oder eines parlamenta- rischen Rückholrechts c) durch Sicherstellung einer vorherigen und einer einsatzbegleitenden un- aufgeforderten Unterrichtung des Parlaments über den Zweck des Einsatzes , seine rechtlichen und völkerrechtlichen Grundlagen, die vorgesehene Dauer, die Kosten, die Zahl der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten , deren Tätigkeiten und Befugnisse, die Kooperationspartner im Einsatzgebiet und die konkreten Einsatzorte, d) durch systematische Erfahrungsauswertung oder Missionsevaluierung gegenüber dem Parlament, e) durch Veröffentlichung der Dokumente der Bund-LänderArbeitsgemeinschaft "Internationale Polizeimissionen"? Antwort: Die Teilnahme an solchen Einsätzen wird durch den Bundestag beschlossen . Die Bundesländer beteiligen sich vereinbarungsgemäß personell im Rahmen des sogenannten „Königsteiner Schlüssels“ an solchen Einsätzen . Die in der Fragestellung thematisierten Aspekte basieren auf gesetzlichen Grundlagen. Diese bestanden zum Teil schon bzw. wurden im Laufe der letzten Jahre ergänzt (im Sinne einer sich entwickelnden Rechtsprechung ). 15. Im Zusammenhang mit der angespannten Personalsituation wird verbreitet gefordert, die Polizei von Aufgaben zu entlasten. Handelt es sich bei Auslandsverwendungen nach Auffassung der Landesregierung um eine Kernaufgabe der Landespolizei, die auch in Zukunft aus Landesmitteln erfüllt werden kann und sollte? Antwort: Schleswig-Holstein hält sich weiterhin an die bereits in den Jahren 2003 und 2004 zwischen dem Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder getroffene Vereinbarung, dass die Wahrnehmung der europapolitischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland auch die fortgesetzte Mitwirkung deutscher Polizeikräfte an internationalen Friedensmissionen erfordert. Dies wird weiterhin als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern anerkannt und durch die Entsendung von Landesbeamtinnen und Landesbeamten personell unterstützt.